Die Geschichte von KISS. Gene Simmons
machten Spaß und hatten tolle Songs. Ich sah sie live, als sie gerade anfingen. Sie hatten sich Trockeneis besorgt. Gene hatte einen Totenschädel und gekreuzte Knochen auf seinem Shirt. Das war noch lange bevor sie ihr Image und ihre Show beisammen hatten.
TOMMY RAMONE: Ich sah KISS im Coventry, und es war eine großartige Show. Ich wusste nicht, was ich zu erwarten hatte, aber es war richtig, richtig gut. Mich beeindruckte ihr starker und einzigartiger Sound und wie professionell sie waren. Sie hatten ihre eigenen schnörkellosen, soliden, kurzen und schnellen Songstrukturen, alles sehr kompakt. Ich fand nicht, dass sie wie irgendwer sonst klangen, abgesehen von Slade vielleicht. Slade war einer ihrer Einflüsse, den die Ramones – bis zu einem gewissen Grad – mit ihnen teilten.
ACE FREHLEY: Das Coventry war eine lustige Bude. Damals spielten alle Bands aus der New Yorker Szene in dem Laden – Bands wie die New York Dolls, The Brats und Teenage Lust traten dort auf. Es ging auch ums Sehen und Gesehen-werden, darum, sich mit anderen Musikern auszutauschen. Und natürlich darum, Mädchen kennenzulernen.
JOEY CRISCUOLA: Die Band arbeitete hart daran, ihre Show zu promoten. Sie beklebten ganz Brooklyn, Queens und Manhattan mit Plakaten. Es war eine angesagte Location für ein Konzert. KISS waren stolz darauf, im Coventry zu spielen, weil viele angesagte Bands dort auftraten.
RIK FOX: Alle großen New Yorker Bands kamen über die Queensboro-Bridge, um im Coventry zu spielen. Dieser Club war das Sprungbrett für die aufkeimende New Yorker Szene. Ich war noch in der Highschool und minderjährig, aber ich schaffte es, mir einen gefälschten Ausweis zu besorgen. Als ich reinging, kam ich mir vor, als wäre ich in einem großen Spielzeugladen und hätte die Taschen voller Geld [lacht]. Ich fand eine Welt vor, mit der ich mich identifizieren konnte.
HAROLD C. BLACK (TEENAGE LUST): Das Coventry war einem Club in New York City ähnlicher, als man es in Queens vermutet hätte. Wenn du dir eine Band ansehen wolltest, die deine Eltern furchtbar fanden, dann musstest du ins Coventry.
PAUL SUB: Es war ein großer Club – circa 450 Quadratmeter – und es hatten dort gut 700 Leute Platz. Jeder trat dort auf: KISS, die New York Dolls, die Ramones, Blondie, Sam & Dave, die Dictators und Elephant’s Memory spielten im Coventry. Ich buchte dort zehn Bands die Woche, sowohl lokale Gruppen als auch Bands von außerhalb. Aerosmith waren die Einzigen, die wir ablehnten, weil wir keine 300 Dollar zahlen wollten [lacht]. Die New York Dolls hielten das Coventry am Laufen, sie spielten einmal im Monat, und dann tauchten 700 Leute auf. Sie hatten die meisten Anhänger. Die Dolls halfen mir wirklich dabei, die Miete bezahlen zu können. Alle anderen Bands – von KISS bis hin zu den Ramones – zogen nicht so viele Leute an.
STAN MIESES (AUTOR, NEW YORK DAILY NEWS): 1973 waren die einzigen Clubs, die es außerhalb von Manhattan gab, die langsam aufkeimenden Discos. Das Disco-Phänomen stand noch ganz am Anfang, und zwar in einem Club namens Le Jardin. Das war noch vor dem Studio 54. In den einzelnen Stadtteilen dämmerte die Ära von Saturday Night Fever langsam herauf. Es gab jedenfalls nicht viele Rock-Clubs außerhalb von Manhattan. Das Coventry war so ähnlich wie Kenny’s Castaways in der Bleecker Street im Village. Es sah so aus, als wäre es ein großer Irish Pub gewesen.
JIMI LALUMIA (AUTOR, WORDS & MUSIC): Das Coventry war ein echter Nexus für Rock ’n’ Roll, weil einfach kein Haken an der Sache war. Das Max’s Kansas City stand mit der Warhol-Entourage und der ganzen Glitter/Glam-Rockszene rund um die Dolls und Wayne County in Verbindung. Das Mercer Arts Center in Downtown Manhattan war nicht direkt auf Rock ’n’ Roll hin orientiert, es war ein Kulturzentrum, das sich für Rock ’n’ Roll zur Verfügung stellte, nachdem alle ihre vorangegangen Versuche fehlgeschlagen waren. Das Coventry hingegen nahm jeder als diesen erdigen Rock-Club wahr. Es bot den passenden Rahmen für Rock ’n’ Roll – die perfekte Location für das erste KISS-Konzert.
GENE SIMMONS: Der Club lag in einem trostlosen Industriegebiet. In der Höhe von zwei Stockwerken oberhalb des Gebäudes verlief eine U-Bahnlinie, und als wir spielten, rauschte ein Zug vorbei. Der war ganz schön laut. Die Besitzer waren Kerle, die „ungefähr so redeten“ [imitiert „harte Jungs“].
JOEY CRISCUOLA: Das Coventry hatte schon bessere Zeiten erlebt. Es hat ziemlich gestunken.
SHAYNE HARRIS (SCHLAGZEUGER, LUGER): Das Coventry befand sich in einer irisch und deutsch geprägten Umgebung, drum herum waren lauter Restaurants und Cafés. Die U-Bahn führte direkt daran vorbei – den ganzen Queens Boulevard entlang. Man konnte von dort direkt zum Time Square fahren.
MARK POLOTT (KONZERTBESUCHER, COVENTRY): Die Fassade schmückte ein unauffälliges Schild mit alten englischen Buchstaben. Du hast dein Auto unter der Hochbahntrasse geparkt und bist in den Club spaziert.
ANDY DOBACK (KONZERTBESUCHER, COVENTRY): Üblicherweise kostete der Eintritt zwei oder drei Dollar. Man musste mindestens zwei Getränke konsumieren. Ein Bier kostete einen Dollar. Es gab eine große Jukebox, gefüllt mit allen aktuellen Hits und der Single einer lokalen Band, den Harlots of 42nd Street.
PAUL SUB: Wenn du reinkamst, war die Bar auf der rechten Seite. Ein ganz normaler Gastro-Bereich mit Tischen und Stühlen sowie einer großen Tanzfläche. Im Keller gab es eine Garderobe, in der sich die Bands umzogen.
KEITH WEST (THE BRATS): Es kam zu vielen sexuellen Ausschweifungen im Keller des Coventry. In der Garderobe hingen wir alle ab – die Girls, die Drogen, alles fand da unten statt. All diese heißen Schnecken wurden zwischen den Bands herumgereicht. Du liefst einem Kerl über den Weg, der mit einem Mädchen da war, und sagtest zu ihm: „Hey, mit der hab’ ich schon gevögelt.“ Und die anderen in der Band dachten sich dasselbe [lacht].
RICK RIVETS (THE BRATS): Es war ein viel größerer Club als das CBGB’s oder Max’s, und es hatte eine tolle Akustik. Die Bühne war nicht sehr hoch und die Decke echt niedrig. Wenn man seine Gitarre in die Höhe hob, berührte man mühelos die Decke.
EDDIE SOLAN: Der Club hatte Bühnen auf zwei entgegengesetzten Enden des Raums. So konnte eine Band aufbauen, während die andere gerade spielte. Wenn die eine Band dann ihr Set beendet hatte, konnte die andere sofort loslegen. KISS waren sehr laut, aber nicht ohrenbetäubend. Wir versuchten immer, so laut wie eben nötig zu sein. Über die Anlage hörte man hauptsächlich Gesang und Schlagzeug. Wir versuchten, das Ganze mit den Amps auszupegeln, also war es nicht besonders lärmig. Andere Bands waren dagegen reinster Krach, sodass man ihre Songs gar nicht mehr als solche wahrnehmen konnte. Wir hatten eine kleine Crew, außer mir nur Joey Criscuola – Peters Bruder – und Bobby McAdams. Aber jeder half mit. Paul fuhr den Truck eines Brotlieferanten, der vollgepackt war mit der Ausrüstung der Band [lacht]. Er war randvoll bis unter das Dach.
PETER „MOOSE“ ORECKINTO (ROADIE, PYROTECHNIKER, SOUND-MIXER): Das Coventry war ein typischer, heruntergekommener Laden im Stile des CBGB’s. Es gab keine Anlage, und es hatte einen Besitzer, dem alles egal war – alles, was ihn interessierte, war, seinen verwässerten Alkohol unter die Leute zu bringen.
BILL AUCOIN (MANAGER VON KISS): Es war so etwas wie das finsterste Verlies unter den Rock-Clubs. Es war echt völlig abgefuckt, aber man hatte seine Freiheiten, konnte so laut spielen, wie man wollte.
BINKY PHILIPS: Das Coventry war eine wahre Müllhalde. Das CBGB’s war auch eine, aber mit sehr viel Charakter. Sobald du dort hineingestolpert bist, wusstest du, dass es echt einzigartig war. Es war so daneben, dass es schon wieder passte. Das Coventry hingegen bestand aus zwei Räumen, die schwarz angemalt waren. Es bestand kein Zweifel, dass den Leuten, die den Club betrieben, der Rock ’n’ Roll scheißegal war. Ebenso offensichtlich war, dass die Mafia hier mit von der Partie war. Ob du deine eigenen Songs oder Covers zum Besten gabst, interessierte keine Sau. Die Booking-Politik war so lasch, du bekamst so viele Scheißbands serviert. Es war klar, dass es dort niemanden auch nur einen Furz interessierte. Der Club diente nur zur Geldwäsche.
MARK POLOTT: Der Vibe im Coventry rockte. Es fühlte sich wie Manhattan an. Viele Leute dort waren in denselben Cliquen, die man auch im Max’s Kansas City traf. Es kamen auch viele hübsche Girls, die wiederum die ganzen Rocker anzogen. Es war die Location in Queens, wo man hinging, um zu sehen und um gesehen zu werden. Damals kannte jeder jeden. Die Dolls schafften den Durchbruch und eröffneten den Bands, die nach ihnen kamen, viele Möglichkeiten.
KEITH