Das Mädchen und der Maler. Barbara Cartland

Das Mädchen und der Maler - Barbara Cartland


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meinte Paul Beaulieu bewundernd. „Bitte, lassen Sie sich von mir malen.“

      „Ich muß aber doch nach Hause gehen. Sie warten auf mich.“

      „Bitte! Sie würden mir einen großen Gefallen tun. Sie wissen gar nicht, wie sehr ich mir wünsche, Ihr Gesicht auf der Leinwand festzuhalten. Ich habe nie in meinem Leben ein lieblicheres Mädchen gesehen.“

      Das Kompliment trieb Margret die Röte ins Gesicht. Vielleicht wollte ihr Paul Beaulieu aber auch bloß schöntun, weil er sich kein Modell leisten konnte.

      Hatte ihr Vater nicht erzählt, daß die Impressionisten am Hungertuch nagten? Vielleicht verzichtete auch Paul Beaulieu auf Fleisch, um Farben kaufen zu können.

      „Aber lange kann ich nicht bleiben“, sagte Margret.

      Mit schlechtem Gewissen dachte sie an die Hühner, die gefüttert werden mußten. Die Pferde warteten auf das Heu, und im Haus gab es auch immer eine Menge zu tun.

      Zum Glück war sie an diesem Tag im Schloß zeitig fertig gewesen. Cicely hatte sich eine Stunde früher hingelegt, weil ihr Bruder William am Abend aus Paris zurückerwartet wurde. Baron Cottesford war im Diplomatischen Dienst und meistens im Ausland.

      Mama erwartet mich erst in einer halben Stunde, dachte Margret.

      Paul Beaulieu hatte schon die Staffelei weiter in den Park hineingetragen und eine neue Leinwand aufgespannt.

      „Und wo soll ich mich hinstellen?“ fragte Margret.

      „Vor die Tannen“, antwortete Paul Beaulieu. „Ich möchte, daß es so aussieht, als kämen Sie aus dem Sonnenschein in die Kühle des Waldes.“

      Er bat Margret, sich auf den moosbewachsenen Stamm eines gefällten Baums zu setzen. Ein Sonnenstrahl, der schräg durch die Zweige fiel, streifte ihr goldenes Haar und ließ ihre Augen im Grün der Bäume leuchten.

      Paul Beaulieu hob die Palette aus dem Gras auf.

      „Sprechen Sie“, sagte er. „Sie brauchen nicht unbeweglich dazusitzen. Erzählen Sie von sich. Warum sind Sie die arme Verwandte - wie Sie sich ausdrücken.“

      „Mein Onkel Lionel, der Graf von Vinchcombe, ist Mamas Halbbruder“, erklärte Margret. „Er ist ein ziemlich strenger Mann und sehr einflußreich und wohlhabend. Papa und Mama hatten sich verliebt und durften nach langen Jahren des Wartens endlich heiraten. Aber wir sind sehr arm.“

      „Macht es Ihnen etwas aus, arm zu sein?“ fragte Paul Beaulieu.

      „Nein. Ich habe fast alles, was mein Herz begehrt. Meinem Bruder Bernhard fällt es nicht so leicht wie mir, denn er würde gerne zur Armee gehen, aber Papa kann das nicht bezahlen. Und dann habe ich noch zwei Schwestern - sie sind Zwillinge und heißen Emily und Edith. Die beiden jammern oft, daß es bei uns so bescheiden zugeht.“

      „Aber es müßte für Sie doch ganz einfach sein, reich zu werden“, meinte Paul Beaulieu.

      „Für mich? Wie denn?“

      „Sie können einen reichen Mann heiraten.“

      Margret lachte.

      „Ich würde doch nie des Geldes wegen heiraten“, erwiderte sie.

      „Also aus Liebe?“

      „Nur“, sagte Margret.

      „Und wenn Sie sich nie verlieben?“

      „Dann muß ich eben als alte Jungfer sterben.“

      „Um Gottes willen!“ rief Paul Beaulieu. „Das wäre ein Verbrechen gegen die Natur. Aber Sie werden sich eines Tages verlieben, und dann wird Ihr Leben voll von Leidenschaft, Hingabe und Treue sein.“

      „Woher wissen Sie das?“ fragte Margret leise.

      „Ich sehe es Ihrem Mund und Ihren Augen an“, antwortete Paul Beaulieu. „Frauen mit Lippen wie den Ihren schenken dem Mann, den sie lieben, Herz, Körper und Seele.“

      Margret senkte die Augen. Die Röte stieg ihr in die Wangen.

      „Sie sollten nicht mich malen, sondern meine Cousine Clementine“, sagte sie, um das Thema zu wechseln. „Sie ist wirklich hübsch.“

      „Hübscher als Sie kann sie nicht sein“, bemerkte Paul Beaulieu mit völlig sachlicher Stimme.

      „Sie wollen mich bloß necken“, sagte Margret. „So hübsch bin ich gar nicht. Aber Clementine sollten Sie sehen. Ihre Züge sind völlig regelmäßig, ihre Augen tiefblau und ihr Haar ist wie reifes Korn.“

      „Sie scheinen sie wirklich zu bewundern“, sagte Paul Beaulieu. „Mögen Sie Ihre Cousine auch gern?“

      Margret zögerte einen Moment.

      „Clementine ist älter als ich“, antwortete sie dann, „und bewegt sich in den besten Kreisen. Wir haben wenig gemein. Wen ich wirklich von Herzen mag, das ist Cicely.“

      „Und wer ist Cicely?“

      „Sie ist Clementines Schwester - Lady Cicely Combe. Sie hatte vor einem Jahr einen Reitunfall und muß seitdem das Bett hüten. Die Ärzte hoffen zwar, daß sie eines Tages wieder gehen kann, aber sicher ist es noch nicht.“ Margret stieß einen kleinen Seufzer aus. „Die arme Cicely. Es ist ein schweres Schicksal. Können Sie sich vorstellen, wie hart das sein muß, wenn man mit sechzehn ans Bett gefesselt ist, während die anderen ausreiten und tanzen und all das tun, wonach man sich selbst sehnt?“

      „Und deshalb leisten Sie ihr Gesellschaft?“

      „Ja, ich sitze oft stundenlang an ihrem Bett und erzähle ihr. Cicely will alles wissen, was innerhalb und außerhalb des Schlosses passiert. Und ich lese ihr vor. Cicely ist ein sehr gescheites Mädchen. An ihr ist ein Junge verloren gegangen. Latein macht ihr nicht die geringsten Schwierigkeiten, und Griechisch bringe ich ihr gerade bei. Wir lesen zusammen Molière, Balzac und Goethe. Und natürlich auch Dickens und die Geschwister Brontë.“

      „Das freut mich“, sagte Paul Beaulieu. „Ich meine, daß Sie auch die Geschwister Brontë erwähnen. Ich hatte schon Angst, daß Sie und Cicely zu den Blaustrümpfen gehören.“

      „Würde Sie das schockieren?“ fragte Margret. „Mama sagt immer, daß Männer kluge Frauen hassen. Bei Partys soll man liebenswürdig und weiblich sein, meint sie, und bloß nicht zeigen, was man weiß.“

      „Und folgen Sie ihrem Rat?“

      Margret lachte und wieder tauchten die Grübchen auf.

      „Ich gehe nur ganz selten zu Partys“, antwortete sie. „Und wenn ich einmal auf einer bin, dann vergesse ich, liebenswürdig und weiblich zu sein. Vielleicht habe ich deshalb so wenig Verehrer.“

      „Sind die Männer in England denn blind?“ fragte Paul Beaulieu.

      „Nein. Aber sie haben nur Augen für Clementine. Ihnen ginge es auch nicht anders, wenn Sie sie sehen würden. Sie würden nicht mehr mich, sondern meine Cousine malen.“

      „Das bezweifle ich“, entgegnete Paul Beaulieu. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, meine kleine Göttin, daß ich Sie malen darf.“

      „Vielleicht würde ein Impressionist Clementines Schönheit gar nicht gerecht werden“, sagte Margret.

      „Eben. Sie sollte in weißer Seide mit Perlen und Rosen in der Hand gemalt werden. Die goldblonden Haare und die tiefblauen Augen kommen vor einem blauen Samtvorhang am besten zur Geltung.“

      Der Sarkasmus in der Stimme des Franzosen entging Margret nicht.

      „Genauso ist sie bereits portraitiert worden“, sagte sie lachend. „Zweimal sogar. Die Gemälde hängen im Schloß. Ich wollte, ich könnte sie Ihnen zeigen.“

      „Ich würde sie gerne sehen. Sie sind bestimmt das beste Beispiel dafür, wie man am schnellsten zu einem Namen und Vermögen kommt.“

      „Wollen Sie es denn zu einem Vermögen bringen?“


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