Das Mädchen und der Maler. Barbara Cartland

Das Mädchen und der Maler - Barbara Cartland


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„Ich habe ihr schnell die Tinktur gebracht, Mama.“

      „Das ist lieb von dir, mein Kind“, sagte Lady Evelyn, legte einen Arm um Margrets Schultern und küßte sie.

      Nicht nur Margrets Mutter strahlte, sondern auch der Vikar machte einen glücklichen und zufriedenen Eindruck. Sein Blick ruhte auf William, den Margret nie so recht gemocht hatte. Der Cousin sah älter aus. Er mußte inzwischen gut achtunddreißig sein.

      Margret hatte sich immer etwas gefürchtet vor William, sie mußte aber zugeben, daß er im Moment so freundlich aussah wie nie zuvor.

      „Was ist denn?“ fragte Margret. „Ist etwas passiert?“

      „Etwas Wundervolles ist passiert, mein Kind“, antwortete Lady Evelyn. „Etwas, was dich ebenso glücklich machen wird wie Papa und mich.“

      „Was ist es denn?“ fragte Margret ahnungslos.

      „Dein Cousin William“, erklärte Lady Evelyn, „hat eben bei Papa um deine Hand angehalten.“

      2.

      Später konnte sich Margret nicht daran erinnern, ob sie überhaupt etwas gesagt hatte.

      Sie konnte sich nur an das glückliche Gesicht ihrer Mutter erinnern und an den kritischen Blick ihres Cousins. Natürlich hatte er den Staub an ihrem Rocksaum bemerkt.

      Ihr Vater hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt.

      „Wir wollen doch nur dein Glück, Margret.“

      William hatte Lady Evelyn, den Vikar und Margret zum Abendessen ins Schloß eingeladen. Es sei noch viel zu besprechen, hatte er gesagt. Seine Mutter würde dann alles weitere erklären. Eine Kutsche stehe um halb acht bereit.

      Lady Evelyn hatte den Cousin zur Tür begleitet, und Margret hatte sich mit fragendem Blick an den Vater gewandt.

      „Du wirst bestimmt glücklich mit deinem Cousin“, hatte Margrets Vater gemeint. „Er ist ein bemerkenswert intelligenter Mann und hat es im Diplomatischen Dienst schon zu etwas gebracht.“

      „Ich weiß, Papa“, hatte Margret entgegnet.

      Und jetzt stand Margret in ihrem Zimmer, und die Zwillinge, die natürlich an der Tür gelauscht hatten, hüpften aufgeregt um sie herum.

      „Bis Onkel Lionel stirbt, bist du erst einmal Baronin“, rief Emily aufgeregt. „Nach seinem Tod wirst du Gräfin und wohnst im Schloß, und Tante Louise muß in die Orangerie ziehen.“

      Margret hörte nicht zu. Sie hatte die Schranktür aufgemacht und überlegte, was sie zu dem Dinner anziehen sollte. Seit sie denken konnte, erbte sie die alten, abgetragenen Kleider ihrer Cousine Clementine, die vom teuersten Hofschneider in London angezogen wurde, und ihre Sachen trug, bis sie ihr fast vom Leib fielen. Zum Glück war Margret drei Zentimeter kleiner als Clementine und auch schmaler gebaut, so daß der meist durchgewetzte Saum gekürzt und die fadenscheinigen Stellen an den Hüften eingehalten werden konnten.

      „Ich habe alte Kleider satt!“ hatte Margret bei der letzten Sendung gejammert, die aus dem Schloß geschickt worden war.

      „Ich weiß, Darling“, hatte ihre Mutter entgegnet. „Wenn die Sachen wenigstens gewaschen wären, bevor man sie aus dem Haus gibt.“

      Margret hatte sich über die Bemerkung gewundert, denn sie hatte ihre Mutter noch nie Kritik üben hören. Lady Evelyn beschwerte sich normalerweise nicht mit einem Wort über die Art und Weise, wie sie von ihrem Halbbruder und dessen Frau behandelt wurde.

      Margret entschloß sich schließlich für ein Kleid aus weißem Musselin, das einen Riß im Rock gehabt hatte, sonst aber noch kaum getragen gewesen war. Clementine mußte damit irgendwo hängengeblieben sein, und geflickte Sachen zog sie natürlich nicht an.

      „Jetzt wirst du auf alle großen Bälle in London eingeladen“, plapperte Edith. „Vielleicht sogar auf Windsor Castle. Stell dir bloß vor, dann siehst du die Königin!“

      „Die kann mir im Moment gestohlen bleiben“, bemerkte Margret nervös. „Hauptsache, ich bin rechtzeitig fertig. Emily, such doch bitte meine Abendschuhe. Und Edith, kannst du mir mit meinen Haaren helfen?“

      Emily dachte nicht daran, die Schuhe zu suchen. Sie war zu sehr mit der großen Neuigkeit beschäftigt, um sich durch irgendetwas ablenken zu lassen.

      „Hast du gesehen, wie elegant William angezogen war, Edith?“ fragte sie die Schwester, die Margret tatsächlich mit viel Geschick die Haare hochsteckte. „Bernhard würde vor Neid platzen, wenn er die Jacke sehen würde. Und nicht eine Falte in der Krawatte.“

      „Ja, elegant angezogen ist er, das muß man ihm lassen“, entgegnete Emily, die vor dem Spiegel stand und sich kritisch betrachtete. „Aber alt ist er. Er wird neununddreißig, und Margret ist erst neunzehn. Zwanzig Jahre Unterschied - das wäre mir zu viel.“

      Zwanzig Jahre Unterschied, dachte Margret immer wieder, als sie mit ihren Eltern in der Kutsche saß und zum Schloß fuhr.

      „Auch für die Zwillinge ist es ein Segen“, bemerkte Lady Evelyn unterwegs. „Du wirst deinen Schwestern so manches zukommen lassen können, Margret, und auch deinem Bruder Bernhard. Onkel Lionel finanziert zwar sein Studium in Oxford, aber Taschengeld gibt er ihm keines. Bernhard leidet sehr darunter, daß er der ärmste unter seinen Kommilitonen ist.“

      „Warten wir es doch erst einmal ab, Evelyn“, meinte der Vikar. „Wir wissen doch noch gar nicht, welche Absprachen getroffen werden und ob William unserer Tochter so viel Geld zur Verfügung stellt, daß sie auch etwas für ihre Geschwister tun kann.“

      „Mein geliebter Donatus“, sagte daraufhin Lady Evelyn, „es ist deine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß Margret genügend Geld bewilligt bekommt. Du weißt, wie wichtig es ist, daß derlei Dinge bis ins Detail besprochen werden.“

      „Ich werde mein Bestes tun, meine Liebe“, antwortete der Vikar. „Da ich Margret aber keine Mitgift geben kann, bin ich nicht gerade in der besten Position, um an der eventuell mangelhaften Großzügigkeit des Bräutigams herumzumeckern.“

      Lady Evelyn wollte etwas erwidern, beherrschte sich jedoch und biß die Zähne zusammen.

      Sie waren schon fast angekommen, als Margret endlich die Frage zu stellen wagte, die ihr schon die ganze Zeit auf den Lippen brannte.

      „Mama“, sagte sie. „Warum heiratet mich mein Cousin William?“

      Lady Evelyn zögerte einen Moment, und Margret wußte, daß sie nach den richtigen Worten suchte.

      „Weil er dich, wie er sagte, schon immer sehr gern gemocht hat“, antwortete sie.

      „Das stimmt nicht!“ rief Margret. „Er hat nie auch nur das Wort an mich gerichtet. Höchstens, wenn er Cicely und mich in den ersten Stock scheuchen wollte.“

      „Dann mußt du ihn selbst fragen, Margret“, meinte Lady Evelyn schnell.

      Margret gab es auf. Sie würde schon irgendwie die Wahrheit erfahren, davon war sie überzeugt.

      Sie waren angekommen und hatten das Schloß noch kaum betreten, als Margret klar war, daß die Dienstboten Bescheid wußten. Die Verbeugung des Butlers war tiefer und unterwürfiger denn je.

      Lady Evelyn und Margret wurden zum Ablegen der Mäntel in einen kleinen Salon im ersten Stock geführt. Cicelys Zimmer war am Ende des langen Gangs.

      „Wart einen Moment, Mama“, bat Margret. „Ich möchte Cicely schnell gute Nacht sagen.“

      „Gut, aber komm gleich wieder, Darling“, entgegnete Lady Evelyn. „Es ist fünf vor acht, und du weißt, daß dein Onkel wütend wird, wenn man ihn warten läßt.“

      „Ja, Mama.“ Margret raffte die Röcke und lief über den Gang.

      Sie wollte gerade die Tür zu Cicelys Zimmer öffnen, als jemand ihren Namen rief. Margret drehte sich um und sah ihre Tante auf sich zukommen.

      Über


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