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Schlachten hätte man ja auch keine scharfe Einstellung bekommen. Also mussten wir uns mit Skizzen und Illustrationen zufriedengeben. Immerhin gab es doch auch von Gerichtsverhandlungen solche Zeichnungen. Wieso sollten dann also meine Comics nicht ebenso relevant und real sein wie die Sunday Times?

      Vielleicht war es kindliche Naivität, Wunschdenken, Elternneid … Ihr müsst wissen, der Verfasser dieses Werks wurde nicht gerade mit einem silbernen Löffel im Mund geboren. Aber eine ganze Weile glaubte ich mit ganzem Herzen, wenn ich nur richtig hinsehen würde, könnte ich meine Helden am Himmel entdecken. Mit ihren Superkräften oder ohne, mit Mantel oder ohne, lächelnd, grinsend, zwinkernd, grimmig dreinschauend, nachdenkend – wie auch immer man sie sich vorstellen wollte, sie waren irgendwo da draußen, kämpften für das Gute, beschützten die Unschuldigen, sorgten für Gerechtigkeit, rächten böse Taten und passten auf jene auf, um die sich sonst nie jemand kümmerte. Die mussten einfach echt sein! Was taugte denn eine Welt, in denen allen egal war, ob das Gute das Böse besiegen konnte? Was taugte eine Welt, in der die Anständigkeit von außergewöhnlichem Chaos überwunden werden konnte? All diese Überlegungen konnte ich nur ertragen, weil ich mir vorstellte, nein, weil ich überzeugt davon war, dass draußen in der Dunkelheit Wesen mit größerer Macht und mehr Verantwortungsgefühl unterwegs waren, die Verbrechen sühnten und Menschen retteten. Unwissenheit ist nicht immer nur ein Segen, sondern kann auch dazu dienen, die geistige Gesundheit zu bewahren.

      Als ich älter wurde und man mich immer weiter quälte, ohne das mir jemand zuhilfe kam, verblassten diese Vorstellungen und Bilder allmählich, bis ich sie ganz aus meinem Leben verbannte. Es ist ein kalter Pakt, den man in einer solchen Lage mit sich selbst abschließt, aber er ist nötig. Ich lernte schon vor langer Zeit die Lektion vieler Überlebender: Hoffnung verstärkt den Schmerz manchmal nur, vor allem, wenn man irgendwann begreift, dass der Ritter in schimmernder Rüstung in Wirklichkeit eine zweidimensionale Figur ist, die dich niemals erreichen wird. Comics können kein Leben retten. Männer und Frauen in Kostümen gibt es in Wirklichkeit nicht, nicht einmal heute, wo die so genannten Superhelden des Alltags in Strumpfhosen durch die Gegend rennen, Kätzchen von Bäumen holen oder alten Omis über die Straße helfen. Das ist ja alles schön und gut, aber ein YouTube-Video kann dreißig Jahre aufgestauten Zynismus und Zorn nicht wirklich auslöschen. Ich bin mir sicher, in den Innenstädten der USA und den raueren Vorstädten könnte man ganz bestimmt ein paar Superhelden brauchen, die mal die Einkäufe nach Hause tragen.

      Tschuldigung. Ich weiß, normalerweise bin ich eigentlich optimistischer unterwegs, aber zu kapieren, dass keines dieser phantastischen Wesen jemals zur Stelle sein wird, um mich oder sonst jemanden zu retten, war eine ziemlich bittere Pille. Gleichzeitig geschah aber auch etwas ziemlich Faszinierendes: Nachdem ich mich erst mal mit der Realität abgefunden hatte, beschloss ich, auf mich selbst aufzupassen. Von diesem Augenblick an war ich damit beschäftigt, mich selbst zu verteidigen, mir selbst etwas beizubringen, zu kämpfen, zu arbeiten und alles dranzusetzen, dass ich dieser Angst nie wieder würde in die Augen sehen müssen. Ich schwor, dass ich mit aller Kraft für meine Sicherheit sorgen würde, und wenn ich einmal eine Familie haben sollte, dann wollte ich für sie dasselbe tun. Ich würde stärker werden und Verantwortung übernehmen. Ich würde allein lernen und allein zurechtkommen. Und mir war bewusst, dass ich ein hartes Leben vor mir hatte, von dem ich nicht wusste, ob ich es wirklich stemmen konnte. Zunächst einmal musste ich so tun, als hätte ich wesentlich mehr Schneid, als dies tatsächlich der Fall war. Und ich musste viele der Lehren vergessen, die mir die Angst eingetrichtert hatte. Es gab Zeiten, da war ich überzeugt, dass ich das nicht schaffen würde. Aber glücklicherweise hatte ich ein bisschen Talent und ein paar Bands, die mir halfen, meine inneren und äußeren Psychosen anzugehen. Trotzdem habe ich jede Menge belastende Erfahrungen gemacht, was mir jetzt erst im Rahmen einer Therapie allmählich bewusst wird. Ich weiß, das hört sich gefährlich an, und das ist es auch. Aber ich kriege das schon hin.

      Ich erzähle euch diese Geschichte von enttäuschten Hoffnungen und der daraus folgenden Konzentration auf die ausschließlich eigene Kraft, weil man so ziemlich gut erklären kann, wieso Ronald Reagan zum Schutzheiligen der Republikaner wurde, wobei sich da die zeitliche Abfolge der Ereignisse umkehrte.

      Dazu müsst ihr euch vergegenwärtigen, wie es in den USA Mitte der Siebzigerjahre aussah. Das Land hatte richtig viel Scheiße hinter sich: Morde an führenden Politikern, Arbeitslosigkeit, Ölkrise, Undercover-Aktionen der CIA im eigenen Land, bei denen riesige Mengen von Drogen in die Gemeinden von Schwarzen und Hispaniern geschwemmt wurden, Watergate und den Kalten Krieg – und das war ja nur die Spitze des Eisbergs, von Disco und Schlaghosen will ich gar nicht erst reden. Mit Vietnam hatten die USA ihre Unschuld verloren, und seit dem Ende des Krieges war noch keine Zeit gewesen, um das eigene Selbstbewusstsein wieder aufzubauen. Stattdessen wurde das Land nun innerlich von Hass und posttraumatischen Belastungsstörungen zerfressen. Und als dann ein wirklich guter Mann wie Jimmy Carter zum Präsidenten gewählt wurde, musste er sich mit einem riesigen Problemberg aus Schulden, Inflation und Hoffnungslosigkeit auseinandersetzen. Die Lage war so trist, dass sich selbst der Sieg des amerikanischen Eishockeyteams über die Russen bei den Olympischen Winterspielen nur so kurz bemerkbar machte wie ein Piepen auf dem Radarschirm bei einer UFO-Sichtung. Die Menschen sehnten sich verzweifelt nach irgendeinem Hoffnungsschimmer. Sie wollten die Leichtigkeit früherer Jahre zurück, als sich das Leben zumindest optimistischer angefühlt hatte. Sie sehnten sich nach einem Helden.

      Die Republikaner sehnten sich nicht nur danach, sie hatten ihn auch bitter nötig. Die Nachwirkungen von Watergate und die tollpatschige, ungelenke Art von Gerald Ford hatten die GOP gründlich beschädigt. Korruption auf höchster Ebene zerfraß die konservative Grundidee. Der alte Schlachtruf nach „weniger Staat“ klang zudem nach reiner Heuchelei aus dem Mund einer Partei, die verdeckte Einbrüche und Bespitzelungen veranlasst, sich eigene Vorteile verschafft und Überwachungsaktionen gestartet hatte, die nicht im Einklang mit der Verfassung standen. Seit Jahren hatten die Rechten keinen so üblen Kinnhaken mehr bekommen. Niemand wollte ihre Predigten von „Eigenverantwortung“ mehr hören. In der allgemein tristen Lage interessierte sich kaum jemand für Themen wie die Rechte der Bundesstaaten und wie sie ihre Finanzmittel einsetzten. Den Leuten erschienen die Republikaner genauso schlimm wie die Demokraten: Politiker, die keine anderen Interessen verfolgten als ihre eigenen.

      Dabei war auch nicht gerade hilfreich, dass niemand eine klare Vorstellung oder eine Vision für die Identität der USA zu haben schien. Die Menschen fühlten sich eher mit den Regionen verbunden, in denen sie lebten. Es gab kein großes, einigendes Konzept für das gesamte Land, nichts, was uns stolz gemacht hätte, Amerikaner zu sein. Wir lagen eher im Clinch mit den Vorstellungen, die wir von uns selbst zu haben glaubten. Unsere Verbündeten ging es da besser: In Großbritannien gab es das Königshaus, Frankreich galt als Land der Künste und der feinen Lebensart, Japan hatte Kultur und Geschichte. Selbst bei unseren Feinden sah es besser aus: Die UdSSR (oder, in russischer Schreibweise, die CCCP) hatte den Kommunismus, und im Nahen Osten gab es Öl und Allah. Amerika hatte eine zerrissene Flagge und gebrochene Versprechen. Was ein eigenes nationales Konzept anging, steckten wir noch in den Kinderschuhen. Auch in denen hätten wir natürlich laufen können – aber wohin?

      Und dann betrat der Gouverneur von Kalifornien die Bühne.

      Bei den Republikanern galt Ronald Reagan schon eine Weile als ein echter Star. Dabei hatte er ursprünglich den Demokraten angehört, bevor er 1962 zum anderen Lager überlief – wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass er in den goldenen Zeiten Hollywoods zum großen Filmstar aufgestiegen war, und die Filmhauptstadt ist bekanntlich eine demokratische Hochburg. Ron und seine Frau Nancy galten in den besten Kreisen von La La Land als Vorzeigepaar mit Stil und Klasse, und als es mit seiner Karriere vor der Kamera bergab ging, stellte er fest, dass er ein Naturtalent auf der Politbühne war. Er hatte offenbar kein Problem mit der Kommunistenhetze, der sich die meisten Republikaner in den Sechzigern bedienten, und indem er eine solche Haltung mit seinem Charme und seinem Megawatt-Strahlerlächeln verknüpfte, gelang ihm ein ziemlich schneller Aufstieg. Die GOP bot ihm in ihrem damaligen Zustand genügend Raum, um einen riesigen Schatten zu werfen. Mit Leichtigkeit gewann er die Gouverneurswahl in Kalifornien, und anschließend machte er sich sofort daran, den Grundstein für eine Kandidatur im Weißen Haus zu legen. Mit der Unterstützung einiger visionärer Parteifreunde wurde er zum Sinnbild für den Look und die Botschaft der neuen


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