Seewölfe - Piraten der Weltmeere 326. Davis J.Harbord

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und weiter zugehört hatte, vernahm jetzt genauso schweigsam das, was ihm der Kapitän androhte. Das waren schon ziemliche Brocken, die er da zu verdauen hatte. So hart und kompromißlos hatte bisher kaum jemand gewagt, mit ihm zu sprechen. Andererseits spürte der Riese, daß ihm auf diesem Schiff Persönlichkeiten gegenüberstanden, das war eine ausgesuchte Mannschaft von eisenharten Kerlen, solchen, wie sie ihm bisher nur vereinzelt begegnet waren. Die wußten, was sie wollten. Und sie redeten nicht lange um den heißen Brei herum, sondern sagten klipp und klar und frei heraus ihre Meinung.

      Ja, da war wohl was Wahres an dem, was sie sagten und wie sie es sagten. Sie urteilten sachlich und hielten ihm vor, sich um nichts gekümmert zu haben. In diesen letzten vier Jahren hatte Gotlinde den Hof bewirtschaftet, allein, ohne Mann – und sie hatte den Besitz der Thorgeyr-Sippe gewahrt. Sie war nicht davongelaufen oder hatte – wie er – erklärt, sich die Welt anschauen zu müssen.

      Nachdenklich nickte der Riese und sagte mit seiner tiefen Stimme: „In Ordnung, ich bin einverstanden, daß der Kapitän in dieser Sache vermittelt. Ich – ich beuge mich seinem Rat.“

      Hasard atmete auf, als er von Stenmark die Worte Ase Thorgeyrs hörte. Offenbar war dieser Turm von Mann doch kein sturer Ochse, dem es um das altnordische Recht ging, um die Fehde und das zu Unheil führende Prinzip der Blutrache.

      Lächelnd nickte er dem Riesen zu. „Gut, Ase Thorgeyr, sehr gut. Ich verspreche dir, gerecht und sachlich zu vermitteln, wenn es soweit ist. Ich werde versuchen, daß wir zu einer friedlichen Regelung gelangen, alles andere wäre ungut und würde niemanden glücklich werden lassen. Nun, wir werden sehen. Ich schätze, daß wir mit deiner Rückkehr nach Island einen guten Trumpf in den Händen haben. Wir werden ihn auszuspielen wissen.“

      Die Männer grinsten. Sie kannten ja ihren Kapitän, der schien schon wieder einen Kurs abgesteckt zu haben, der zum Ziel führte.

      Nur Old O’Flynn murmelte: „Wehe, wehe …“ Er verstummte, weil ihn Plymmie ankläffte, was sie noch nie getan hatte. Aber vielleicht fühlte sie sich durch den Tonfall seiner Wehe-Verkündung gereizt und wußte nicht anders zu reagieren.

      Und erbittert erklärte der Alte: „Sogar die Hunde werden schon gegen mich aufgehetzt!“

      „Ich seh nur einen Hund“, sagte Ferris Tucker. „Oder sprichst du von Geisterhunden, Mister O’Flynn, die uns gewöhnlichen Sterblichen nicht die Ehre geben, sichtbar zu werden?“ Er grinste Old Donegal freundlich an. „Ich hab auch nicht gesehen, daß hier jemand die gute Plymmie gegen dich aufhetzt. Du bist also mal wieder herrlich am Spinnen, mein Alter. Kribbelt’s im Holzbeinchen? Sind die Holzwürmerchen bei der Arbeit?“

      „Mister Tucker“, sagte Old O’Flynn mit Würde, „du wirst von Tag zu Tag alberner. Und deine Witze sind so dämlich, daß sogar meine Holzwürmerchen das große Gähnen kriegen und in einen Tiefschlaf verfallen.“

      „Hoffentlich schnarchen sie nicht“, sagte Ferris Tucker.

      Old O’Flynn äußerte sich mit einem „Phhf!“ Darauf drehte er dem Schiffszimmermann den Rücken zu, was seine Verachtung ausdrücken sollte, stelzte zum Leeschanzkleid und widmete sich dem Anblick der See, die im ewigen Gleichmaß von Westen heranrollte.

      Ferris Tucker hätte gern noch ein bißchen weiter herumgestänkert und Old Donegal so ordentlich in Rage gebracht, was auch stets der allgemeinen Heiterkeit diente, aber wenn der Alte auf die See hinausträumte – das wußte Ferris –, dann reagierte er auf nichts mehr.

      So stand der üblichen Bordroutine nichts mehr im Wege – bis auf den Vorfall mit der Raubmöwe, aber wegen der hatte Old Donegal bestimmt nicht sein „Wehe, wehe“ von sich gegeben.

      Kurz zuvor hatte Mac Pellew einen Abfallkübel nach Lee ausgekippt, und wie immer balgten sich ein paar Möwen zeternd und kreischend um die Essensreste, die achteraus trieben.

      Nicht so ein Prachtexemplar von rotbräunlicher Raubmöwe, die im eleganten Segelflug die „Isabella“ umkreiste und mit schiefgeneigtem Kopf auf die Luvnock der Vorbramrah hinunteräugte.

      Dort hockte Sir John, der Arakanga-Papagei, und war hingebungsvoll damit beschäftigt, sein Gefieder zu putzen.

      Mit Sicherheit hatte die Raubmöwe noch nie in ihrem Dasein ein solches Vogelexemplar gesehen. Zu vermuten ist ferner, daß die Buntheit von Sir Johns Federkleid das Interesse der Raubmöwe erregte – und damit auch die Freßlust.

      Bei einer Länge von gut einem halben Yard war die Raubmöwe ein Goliath gegenüber dem kleinen Sir John, der zwar eine große Klappe und einen scharfen Schnabel zum Nüssezerhacken hatte, aber mitnichten für ein Duell mit einer Raubmöwe geeignet war. Für so etwas hatte ihn der Schöpfer aller Dinge nicht ausgerüstet – logisch, denn die göttliche Vorsehung hatte allerlei gefiedertes Getier geschaffen – „ein jegliches nach seiner Art“, was bedeutete, daß die einen über und auf dem Wasser zu Hause waren und die anderen auf und über dem Land, Sir Johns Artgenossen jedoch im Urwald im fernen Südamerika.

      Die „Isabella“ und mit ihr die „Wappen von Kolberg“ kreuzten nach Westen auf und lagen zur Zeit auf dem Schlag über Steuerbordbug. Somit wehte also der Wind von schräg Backbord voraus, und Sir John hockte seiner Gewohnheit entsprechend mit dem Rücken zum Wind auf der Rah.

      Eigentlich hatte er überhaupt keine Chance, denn die Raubmöwe glitt aus dem Sektor von Backbord voraus auf Sir John zu, von hinten und in schräg nach unten gerichteter Flugbahn.

      Der einzige, der das Unheil herannahen sah, war Arwenack, der Bordschimpanse. Er saß zu diesem Zeitpunkt im Vormars und handelte in Bruchteilen von Sekunden, nämlich in jenen Zeitbruchteilen, in denen die Distanz zwischen der Raubmöwe und Sir John in tödlicher Weise zusammenschrumpfte.

      Arwenacks Reaktion war merkwürdig, aber richtig. Er warnte seinen Freund-Feind Sir John erst gar nicht, sondern schnellte aus dem Mars hoch und hing mit einem Riesensatz plötzlich an den Leebrassen des Bramsegels, was zur Folge hatte, daß die Bramrah jäh und kräftig angeruckt wurde.

      Was er in seinem Affenverstand beabsichtigt hatte, das erreichte er auch.

      Sir John flatterte, von dem plötzlichen Ruck erschreckt, kreischend und krakeelend hoch, und die Raubmöwe schoß unter ihm durch.

      Jetzt war der Teufel los.

      Die Raubmöwe schwang herum, um sich ihre Beute doch noch zu schnappen, aber Sir John kurvte bereits abwärts, während Arwenack jetzt auf der Vormarsrah herumtobte.

      Plymmie kläffte lauthals, die Raubmöwe stieß ihre schrillen Schreie aus, Sir John schimpfte unflätig, und Arwenack ließ seine Affenlaute vernehmen, jenes Keckern, wenn er wütend war.

      Das war vielleicht ein Krach!

      Sir John bewies taktisches Geschick, indem er kreuz und quer durchs Rigg sauste und die engsten Passagen wählte, wo ihm die Raubmöwe allenfalls mit angelegten Flügeln folgen konnte.

      Und so passierte es.

      Sir John schoß quer über die Kuhl und fegte dann durch die Webeleinen der Großwanten an Steuerbord – die Raubmöwe hinterher, und die blieb in dem Gitterwerk hängen, während Sir John bereits zu Carberry kurvte und auf dessen Schulter landete.

      Noch bevor die Seewölfe irgendwie reagieren konnten, rasten Plymmie und Arwenack heran – Plymmie sprang von den Kuhlplanken hoch und schnappte nach der zappelnden Raubmöwe, Arwenack rutschte wie der Blitz an den Steuerbordgroßwanten abwärts, griff einmal kurz zu, rupfte das Federkleid und landete in einer wirbelnden Federwolke auf der Kuhl.

      Da rutschte die Raubmöwe durch die Webeleinen, fing sich flatternd, wobei wiederum Federn davonflogen, und strich dicht über der See taumelnd ab, sichtlich angeschlagen.

      „Affenarsch!“ krakeelte Sir John hinter ihr her. „Lumpenpack! Fier weg, das Ding …“ Er war schier am Überschnappen, der gute Sir John, schlug wie verrückt mit den Flügeln, die dem Profos um die Ohren klatschten, und stieß den Kopf auf und nieder. Richtig tückische Augen hatte er dabei.

      Und Plymmie war drauf und dran, sich über das Schanzkleid zu


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