Seewölfe - Piraten der Weltmeere 373. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 373 - Roy Palmer


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      Impressum

      © 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      eISBN: 978-3-95439-770-9

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

       Roy Palmer

Auf Rammkurs

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

      1.

      Havanna, 14. März 1594. Don Antonio de Quintanilla hatte sich eine saubere, frisch gepuderte Perücke übergestülpt und seine Kleidung gewechselt, aber man sah ihm trotzdem an, wie tief ihm der Schreck über das, was vorgefallen war, noch in den Knochen saß. Sein feistes Gesicht hatte die Farbe alten, ranzigen Talges. Sein Atem ging flach und unregelmäßig. Es kostete ihn Zeit und Mühe, die Fassung wiederzugewinnen.

      Wenn er nur an diesen Catalina dachte, wurde ihm übel. Havanna war einer Horde von Galgenstricken und Schlagetots ausgeliefert gewesen, und fast wäre es diesen Kerlen gelungen, alles an sich zu reißen. In der Nacht vom 11. auf den 12. März hatten sie ein Lagerhaus im Hafen überfallen und ausgeraubt. Silberbarren hatten dort gelagert – die kostbare Ladung zweier Galeonen aus Cartagena, die Kuba angelaufen hatten, weil sie aufgeslipt und von ihrem Muschelpanzer befreit werden mußten.

      Aber das Schlimmste, Schmählichste, Erniedrigendste war gewesen, daß die Schnapphähne in die Gouverneurs-Residenz eingedrungen waren und ihn, Don Antonio, als Geisel festgenommen hatten. Catalina und Zapata waren die Anführer der Horde gewesen, und sie hatten sich wüst aufgeführt.

      Don Antonio zückte ein weiches weißes Tüchlein und tupfte sich damit den Schweiß von der Stirn und den Wangen, der ihm soeben wieder ausbrach. Herrgott, er hatte seine Schätze herausrücken müssen – und die Hunde hätten ihn umgebracht, wenn nicht im letzten Augenblick die Rettung eingetroffen wäre.

      Tatsächlich waren in dieser aussichtslosen und verzweifelten Situation Arne von Manteuffel, ein beherzter Teniente und ein paar Soldaten erschienen und hatten Don Antonio und Don Juan de Alcazar befreit. Sie hatten die Geheimtür benutzt, an die sich im allgemeinen Durcheinander kaum noch jemand erinnert hatte.

      Angewidert verzog Don Antonio das Gesicht. Fünf der Kerle, die sich ergeben hatten, waren inzwischen gehenkt worden. Ekelhaft, dachte er, geschmacklos. Was haben die Hurensöhne sich denn eingebildet? Daß sie ganz Havanna unterwerfen und niederbrennen können?

      Er atmete tief durch. Die Gefahr war gebannt, die Residenz samt ihren Reichtümern gerettet. Das Leben würde wieder in seinen gewohnten Bahnen verlaufen, und er, der Gouverneur, brauchte nicht um seine Pfründe zu bangen. Fast war er versucht, den Sieg als seinen persönlichen Erfolg zu verbuchen.

      Halt, dachte er, vorsichtig sein und jetzt keinen Fehler begehen. Das Schlitzohr in ihm gewann wieder die Oberhand, und es war seine Klugheit und Gerissenheit, die ihm suggerierten, den Bogen jetzt auf keinen Fall wieder zu überspannen.

      Überwältigt breitete er die Arme aus, seufzte und trat auf Arne von Manteuffel und Don Juan de Alcazar zu, die in einem der großen Prunksäle der Residenz auf ihn warteten.

      „Meine Freunde!“ rief er. „Ich habe allen Grund, mich bei Ihnen zu bedanken! Ohne Ihr mutiges Eingreifen wäre Havanna unter die Schreckensherrschaft der Zapata- und Catalina-Kerle geraten! Unvorstellbar! Ungeheuerlich!“

      „Schon gut“, sagte Don Juan. Er war redlich darum bemüht, seine Animosität dem Dicken gegenüber zu verbergen. „Ich habe nur getan, was ich für meine Pflicht hielt, und der Señor de Manteuffel war so nett, uns entsprechend beizustehen.“

      „Ein Lob verdienen der Teniente und seine Soldaten“, sagte Arne. „Ich hoffe, Sie vergessen das nicht, Don Antonio.“

      Der Dicke riß die Augen weit auf. „Natürlich nicht! Wo denken Sie hin? Die Männer erhalten eine Auszeichnung und werden befördert. Ich bin ja so glücklich, daß sich alles zum Guten gewendet hat.“

      „Das bin ich verständlicherweise auch“, sagte Don Juan kühl. Unter dem scharfen Blick seiner schiefergrauen Augen begann Don Antonio noch ein wenig mehr zu schwitzen. „Immerhin hat ja auch für mich einiges auf dem Spiel gestanden.“

      Traurig wurde Don Antonios Miene jetzt, und innerlich schien er vor lauter Mitleid zu schmelzen. „O ja, ich weiß, Sie haben Furchtbares erdulden müssen. Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit, Abbitte zu leisten für Ihre Festnahme.“ Leicht ging ihm das nicht über die Lippen. Aber es gab keinen anderen Weg: Er mußte sich in aller Form entschuldigen und auf diese Weise aus der Affäre ziehen. „Natürlich war das Ganze ein Versehen von mir. Ich bin mir dessen bewußt und übernehme selbstverständlich die Verantwortung dafür.“

      Die Verantwortung für etwas zu übernehmen, das geschehen und abgeschlossen war, war eigentlich ein rein verbales Bekenntnis. Ändern ließ sich nichts mehr daran, daß der Gouverneur Don Juan bezichtigt hatte, mit den Piraten, die die Zweimast-Schaluppe aus dem Hafen entführt hatten, unter einer Decke zu stecken. Auch konnte er nicht leugnen, daß Don Juan nach seiner Festnahme zur Zwangsarbeit verdonnert worden war, wobei man ihn nach Kräften schikaniert hatte.

      Aber Don Antonio wußte sein Bedauern – das in Wirklichkeit nicht sonderlich groß war – in passende Worte zu kleiden. Überhaupt, er war bereit, eine gehörige Standpauke in Kauf zu nehmen und vor Don Juan, dem Sonderbeauftragten, ein bißchen zu Kreuze zu kriechen. Das alles war nicht so schlimm und diente einem guten Zweck – nämlich dem, daß Don Antonio einerseits seinen Privatschatz behalten durfte und andererseits kein Verfahren gegen ihn eingeleitet wurde.

      „Wir können die Angelegenheit vergessen“, sagte Don Juan, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Er hatte Wichtigeres zu tun und mußte Prioritäten setzen. Seine vordringliche Aufgabe war es, den Piraten das Handwerk zu legen – und zwar gründlich – und Philip Hasard Killigrew, den Erzfeind der spanisch-portugiesischen Nation, zu suchen und zu finden.

      Arne hätte den Dicken nicht so leicht durch die Maschen schlüpfen lassen. Aber er sah auch keinen Grund dafür, Don Juan jetzt in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Don Antonio würde auch weiterhin der Gouverneur von Kuba bleiben, daher war es nur ratsam, es sich mit ihm nicht zu verderben.

      Die drei Männer blickten zu den Leibwächtern und Lakaien, die die Truhen, Kisten und Schatullen mit den privaten Reichtümern des Don Antonio wieder in den Keller der Residenz hinuntertrugen. Don Antonio fiel ein dicker Stein vom Herzen, weil Don Juan ihm verzieh. Somit war eigentlich alles wieder in Ordnung und im rechten Lot. Aber plötzlich wandte sich Don Juan doch wieder mit einem Ruck zu ihm um.

      „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Don Antonio“, sagte er.

      Der Dicke zuckte fast zusammen. „Wie bitte? Was denn?“

      „Daß Sie das alles wieder im Keller unter Verschluß bringen. Denken Sie doch mal nach.“

      Don


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