Seewölfe - Piraten der Weltmeere 591. Burt Frederick
Impressum
© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-005-3
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Burt Frederick
Die Küste der Menschenräuber
Ihren Stützpunkt haben sie in der rauhen Bretagne – aber sie tragen den Schrecken über das Meer
Brüllend rannten die Wogen gegen die Küste an. Donner begleitete den beginnenden Sturm, und Blitze erhellten das Tosen. Das Boot tanzte.
Maureen O’Riordan schrie.
Jedesmal, wenn die Jolle in ein neues Wellental hinunterstieß, war Maureen sicher, für immer verschlungen zu werden. Sie konnte nicht aufhören zu schreien. Denn die Männer hatten sie auf der mittleren Ducht festgebunden.
Sie waren zu viert, pullten verzweifelt und schienen selber Angst zu haben.
Immer wieder warf das Mädchen den Kopf herum, um nach dem rettenden Land zu spähen. Einmal, als das Boot auf eine Wellenkrone gehoben wurde, sah sie die Felsenküste.
Es war eine Küste wie in Irland.
„Herr, laß es nur einen Alptraum sein!“ schrie Maureen …
Die Hauptpersonen des Romans:
Maureen O’Riordan – die junge Irin wird von unbekannten Kerlen entführt und auf eine Insel verschleppt.
Jacques Hélias – der Bretone betreibt das einträgliche Geschäft des Menschenhandels.
Viviane Argouiche – das Riesenweib ist zum Fürchten, und Jacques Hélias steht unter ihrer Fuchtel.
Padraic Kavanagh – weil seine Braut entführt wurde, wird er zornig und hält die Engländer für die Entführer.
Der Kutscher – mit Hasard und Philip junior gerät er in einen Hinterhalt und wird wie sie zusammengeschlagen.
Philip Hasard Killigrew – wenn man ihm die Söhne raubt, wird der Seewolf rabiat.
Inhalt
1.
Aber sie wußte, daß es eine lächerliche Hoffnung war, ein Flehen, das niemals erhört werden würde. Das Unwetter war ebenso wirklich wie alles, was hinter ihr lag. Die Männer, die sie entführt hatten, waren mit ihr tagelang über das Meer gefahren.
Ganz gewiß hatten sie das nicht getan, um an einer anderen Stelle der irischen Küste wieder an Land zu gehen. Denn sie waren keine Iren. Ihre Sprache klang vertraut und doch anders.
Mit jeder Bö schwoll der Sturm an. Das hörte und spürte Maureen deutlich. Sie war an der See aufgewachsen und kannte die Zeichen, mit denen die Natur Gutes oder Böses ankündigte.
Das Pullen der Männer erschien ihr so überflüssig wie der Gedanke eines kleinen Kindes, es könne sich verstecken, indem es einfach die Augen schloß. Bei drei von vier Zügen peitschten die Riemenblätter lediglich den schäumenden Gischt und bewirkten nichts.
Der Sturm heulte und orgelte. Über kurz oder lang würde er mit der Jolle spielen, sie hochschleudern und wieder auf die brodelnden Fluten schmettern – so lange, bis sich die Beplankung von den Spanten löste und zersplittert wurde.
Maureen schloß die Augen. Eine unnatürliche Ruhe erfaßte sie. Sie schrie nicht mehr, der innere Zwang war vorbei.
Sie hatte keine Angst mehr vor dem Tod. Sie wußte, daß er nahe war. Nur Bitterkeit verspürte sie – grenzenlose Bitterkeit. Sie hatte ein gottgefälliges, frommes Leben geführt. Nie hatte sie gegen die Gesetze der Kirche verstoßen. In diesen Minuten, die die Hölle des Unwetters schon andauerte, hatte sie sich wieder und wieder geprüft. Aber da gab es keinen dunklen Punkt in ihrem Leben. Nicht einen einzigen.
Warum mußte der Herr sie dann strafen? Für was?
Den Tod an sich konnte sie begreifen. Wenn der Allmächtige die Menschen durch Sturm und Gewitter seinen Zorn spüren ließ, dann war es verständlich, daß er dabei auf den einzelnen keine Rücksicht nehmen konnte. Unschuldige mußten also gelegentlich den Tod finden, auch wenn ihre Zeit noch nicht gekommen war. Das hatte Maureen von Father Geraghty gelernt und auch verstanden.
Was sie aber nicht verstand, das war die Grausamkeit, die ihr in dieser sturmgepeitschten Nacht widerfuhr. An die Ducht gefesselt, hatte sie keinerlei Möglichkeiten, gegen die Wogen anzukämpfen. Wenn das Boot erst einmal zerschellt war, würde sie ertrinken wie eine Katze, die man in einem zugebundenen Sack mit Steinen versenkte.
So etwas konnte nicht Gottes Wille sein. Sie beanspruchte keine Sonderrechte für sich. Aber es wollte ihr nicht in den Kopf, daß jemand, der seine Gebote immer befolgt hatte, dann doch bestraft wurde wie ein gemeiner Verbrecher. Sie bedauerte, daß sie Father Geraghty deshalb nicht mehr zur Rede stellen konnte.
Von den Gischtschwaden, die der Sturm aus den Wogen riß und darüber hinwegtrieb, war Maureen längst bis auf die Haut durchnäßt.
Plötzlich erhielt das Boot einen Stoß, der der Windrichtung entgegengesetzt war.
Maureen schrie von neuem. Sie hörte die Männer vor sich und hinter sich brüllen und glaubte, das Ende sei nun da. Erst im nächsten Moment begriff sie, daß dieses Brüllen aus Freude und Triumph geschah – Triumph über die Macht von Wind und Wogen. Der Stoß ging in ein gleitendes Knirschen über. Maureen hatte den Oberkörper zusammengekrümmt, um nicht zurückgeworfen zu werden. Sie wußte, wie schmerzhaft die Fesseln dann in ihren Körper schnitten.
Das Boot war auf den steinigen Ufergrund gerutscht.
Die nächste Woge begrub die vier Männer und das Mädchen unter sich und schien sie in die See zurückreißen zu wollen. Aber das Gewicht der Jolle reichte aus, um standzuhalten. Die Wassermassen sanken in sich zusammen und rauschten schäumend beiderseits des Bootsrumpfes ab. Die Männer sprangen hinaus und zogen die Jolle höher an Land.
Das Gewitter hatte nachgelassen, doch der Sturm wurde um so heftiger. Nur noch Wetterleuchten erhellte die Küstenlandschaft in größeren Abständen. Die Entführer brachten das Boot hinter einem gut mannshohen Felsbrocken in Sicherheit. Dann erst banden sie die junge Irin los.
Maureen fiel es schwer, sich auf den Beinen zu halten. Zwei der Kerle stützten sie auf dem Weg zu einem Geröllpfad, der in die Felsenhänge hinaufführte.
Ein ferner Blitz gab den