Seewölfe - Piraten der Weltmeere 148. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 148 - Burt Frederick


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      Impressum

      © 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-472-2

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

      1.

      Die Kimm war nicht zu sehen.

      Es war, als ließe das Meer seine Feuchtigkeit in immer dichteren Schwaden aufsteigen, um auf diese Weise auch noch von der Luft Besitz zu ergreifen. Der morgendliche Dunst trübte die Sicht, legte sich auf die Atemwege und gab den Männern das Gefühl, in einem Käfig von endloser Weite zu treiben.

      In der Tat war dieses Meer, ihr vertrautes Element, nun zu einem Gefängnis geworden, das sie nicht mehr freigeben würde.

      Der handige Wind aus Norden hatte kaum nachgelassen, seit sie zum letzten Mal die Bucht von Glandore gesehen hatten. Allein der Teufel mochte wissen, wie viele Stunden und Tage das zurücklag. Sicher war nur, daß sich dieser stete ablandige Wind als Mordwerkzeug für die feige Brut in Glandore Castle entpuppte.

      Der Nordwest spielte mit den Wellenkämmen und zerfetzte die Schaumkronen, wenn es ihm gefiel. In wogenden Schleiern hing der Nebel über der See, ließ Konturen deutlich werden und im nächsten Moment wieder verschwimmen.

      Das Boot trieb lautlos in diesem geisterhaften Wechselspiel. Es war nicht der Wind, der das Knarren der Takelage übertönt hätte. Denn es gab keinen Fetzen Tuch mehr auf diesem Einmaster, dessen schemenhafte Umrisse eins geworden waren mit dem Rhythmus launenhafter Naturgewalt.

      Stimmen drangen durch die feuchte Luft, wurden von ihr in übernatürlicher Deutlichkeit getragen. Doch es gab niemanden, der diese Stimmen gehört hätte. Sie waren so unbedeutend geworden wie das Boot, das den Menschen an Bord nur noch fragwürdigen Schutz zu bieten vermochte.

      Die Beine eines Mannes ragten über das Steuerbord-Schanzkleid des kleinen Einmasters. Steif wie ein Brett waren diese mageren Beine und von einer zerschlissenen grauen Hose umhüllt. Eine wächserne Farbe hatte von den verkrümmten nackten Füßen grausamen Besitz ergriffen.

      Zwei Männer hielten den Toten, der schon zur Hälfte über seinem Grab schwebte. Schwielige Fäuste waren es, die die Oberarme des Leichnams gepackt hatten – so fest, als könnten sie ihn mit ihrer unbedeutenden menschlichen Kraft noch einmal ins Leben zurückrufen.

      Das Gesicht des Toten war schmal und eingefallen, die Augen weit aufgerissen, wie im Angesicht eines furchtbaren Schreckens. Seamus Behan und die anderen hatten vergeblich versucht, die Lider des Mannes zuzudrücken. Zu spät hatten sie bemerkt, daß die Totenstarre eingesetzt hatte. Sein schmallippiger Mund war halb geöffnet und merkwürdig verzerrt. Die verkrampften Hände, knöchern fast, schienen einen nicht vorhandenen Halt zu suchen.

      Der Mann, der hinter dem Toten stand, war alt und von knochiger Statur, seine Kleidung ebenso dürftig und zerschlissen wie die der anderen. Doch er fror nicht. Sein vom Hunger gezeichneter Körper war jenseits solcher Empfindungen.

      Der alte Mann bekreuzigte sich.

      Seine Stimme war von erstaunlicher Klarheit: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes …“

      Die schwieligen Fäuste der beiden anderen Männer gaben dem Leichnam einen harten Ruck. Sie wichen zurück und standen für den Augenblick des beklemmenden Schauspiels wie erstarrt.

      Mit den Füßen voran tauchte der Tote in die dunklen Fluten. Noch einen kurzen Atemzug lang war sein wächsernes Gesicht zu sehen, dann griffen die schaumgekrönten Wogen in seine Haare, schienen damit spielen zu wollen und schlugen schließlich gischtend zusammen.

      Das Seemannsgrab hatte den Toten aufgenommen. Von einem Herzschlag zum anderen, so, wie es sich diese Männer für ihr eigenes Ende stets wünschten. Das nasse Element, mit dem sie vertraut waren wie mit nichts anderem, bedeutete ihnen ebensoviel wie die heimatliche irische Erde. Doch keiner von ihnen hatte sich jemals gewünscht, so zu sterben, wie es sich ihnen allen nun ankündigte. Dies war nicht der Tod für einen aufrechten Mann. Denn grausame Mörderhände hatten ihren Anteil daran.

      Die drei Männer, die schweigend am Steuerbord-Schanzkleid verharrten, bekreuzigten sich abermals.

      Ihre Füße schienen mit den feuchten Decksplanken verwachsen. Die unkontrollierten Bewegungen des Bootes brachten keinen von ihnen aus dem Gleichgewicht. Fast sein ganzes Leben hatte jeder von ihnen auf diesen Decksplanken zugebracht, und es wäre die natürlichste Sache der Welt gewesen, wenn ihnen auch noch eine weitere Generation gefolgt wäre, für die das einmastige Fischerboot den Mittelpunkt harter Arbeit und entbehrungsvollen Lebens bedeutet hätte.

      Aber es sah weiß Gott nicht danach aus, daß von diesen kläglichen Resten eines Bootes jemals wieder ein Netz in die irische See gehängt werden würde.

      Seamus Behan, der Eigner und Kapitän des Bootes starrte mit flammendem Blick in die düsteren Fluten. Er versuchte, jenen Punkt festzuhalten, an dem der Tote für immer versunken war.

      Seamus war groß und stämmig. Der Seewind hatte seine roten Haare zerzaust. Ein Kamm hatte keine Chance, jemals wieder Ordnung in diesen Haarschopf zu bringen. Behans schwielige Hände suchten vergeblich tastend nach dem breiten Ledergurt, hinter den er stets dann seine Daumen zu haken pflegte, wenn ihm mulmig zumute war. Aber dieser Gurt war nicht mehr da, um sein graues Leinenwams zusammenzuhalten. Die Kerle hatten ihm nur den dünnen Hosengürtel gelassen, damit er noch halbwegs wie ein anständiger Mensch aussah.

      Seamus Behan war achtundzwanzig Jahre alt, doch seine Züge waren die eines Vierzigjährigen. Eisgraue Augen standen in einem Gesicht, dessen Furchen von rauhem Seewind und einem kargen Leben gezeichnet waren. Wieder stieg der schmerzliche Gedanke an Eileen in ihm auf – an Eileen und die sechs Kinder, die oftmals die einzige Freude in den langen Jahren eines armseligen Lebens gewesen waren.

      Seamus zwang sich mit aller Macht, diese Gedanken nicht zu Ende zu denken. Er wandte sich ab. Sein Vater, der grauhaarige alte Mann, nickte ihm stumm zu. Häufig war es so, als könne Patrick Behan die Gedanken seines Sohnes lesen. In all den Jahren hatten sie jene Art von Verständigung entwikkelt, für die keine Worte nötig waren.

      Und jetzt, so schien es, wollte der alte Patrick sagen: Gut so, mein Junge, denke nicht darüber nach. Denke nicht an Liam Collins, den wir dem Meer übergeben mußten. Und denke nicht an das, was hinter uns liegt. Wende dich immer den Dingen zu, die gegenwärtig sind. Nichts anderes hat einen Sinn.

      Patrick Behan hatte die gleichen harten Gesichtszüge wie sein Sohn, doch war er ungleich hagerer. Sein graues Haar war stumpf und hing in wilden Strähnen über seinen schmalen Schädel, fast bis auf die Schultern. Mit seinen siebenundfünzig Jahren hatte Patrick Behan ein Alter erreicht, das für seine Landsleute in der Grafschaft Cork den Hauch des Ungewöhnlichen und Unerreichbaren


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