Seewölfe - Piraten der Weltmeere 520. Burt Frederick
Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-928-4
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Burt Frederick
Die Bucht der Galgenstricke
Sie haben nur eine Chance – eine zweite geben ihnen die Spanier nicht
Es wurde dunkel. Am Eingang des Lagers, beim großen Tor, wurden Fackeln angezündet. Auch in der Nähe der Mannschaftsbaracken begann Flammenschein zu züngeln. Bald darauf waren die Marschkolonnen zu hören. Ketten klirrten, nackte Fußsohlen scharrten über die feinen, scharfkantigen Steine der behelfsmäßigen Straße. Es hörte sich an wie ein beständiges Mahlen.
Der Seewolf und seine Gefährten spähten durch das Gatter, das jenes eingezäunte Geviert verschloß, in dem sie gefangengehalten wurden.
Noch war beim Tor nichts zu erkennen. Dennoch verhärteten sich die Gesichter der Männer. Sie hatten genug gesehen, als sie hergebracht worden waren. Für den Lagerkommandanten, Capitán Hernán Carraldo, waren die Gefangenen weniger wert als Tiere.
Der Fackelschein verstärkte sich. Die Geräusche nahmen zu. Posten öffneten ein Tor. Es erklangen keine Stimmen. Weder Befehlsgebrüll von den Aufsehern noch Gemurmel von den Zwangsarbeitern.
Die Hauptpersonen des Romans:
Hernán Carraldo – Für den Kommandanten des Strafgefangenenlagers sind Indianer keine Menschen, und die Engländer haßt er.
Will Thorne – Der Segelmacher der Arwenacks ist fieberkrank, aber er beißt die Zähne zusammen.
Philip Hasard Killigrew – Der Seewolf verteidigt seinen Segelmacher, und dafür muß er büßen.
Dan O’Flynn – Zusammen mit Carberry, Matt Davies und Batuti zeigt er spanischen Soldaten, wie Engländer kämpfen.
Fuero – Der filzbärtige Menschenhändler ist auf Kopfgelder scharf, doch seine Opfer sind nicht wehrlos.
Inhalt
1.
Auf einmal waren sie da. Ein trottendes Heer von dürren Gliedmaßen, Haut über Knochen, von Staub und Schweiß verkrustet. Die Fackeln warfen schlängelnde Schatten auf die ausgemergelten Körper.
Sie erreichten den Appellplatz vor den Baracken. Ihre Augen lagen ohne Glanz in tiefen Höhlen. Einige stützten sich gegenseitig, es wurde von den Aufsehern geduldet. Wankend, immer noch stumm, nahmen die Indianer Aufstellung.
Ohne daß Befehle dafür erforderlich waren, bildeten sie Gruppen von dreißig bis vierzig Mann. Es war eine alltägliche Prozedur für sie. Sie funktionierten wie willenlose Wesen.
Dem Seewolf schnürte der Anblick die Kehle zu. Er wußte, daß es seinen Gefährten kaum anders erging. Bei den Gefangenen handelte es sich fast ausnahmslos um Indianer.
Nur wenige hellhäutige Männer befanden sich unter ihnen, Verbrecher vermutlich, die man nicht zum Tode, sondern zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt hatte – was ein Todesurteil bedeutete. Nur der Zeitpunkt der Vollstreckung war ungewiß. Er hing davon ab, wie lange die Kräfte eines Mannes ausreichten. Die Gruppen wurden in ihre verbreiterten Großkäfige getrieben. Jedes der umzäunten Gevierte, auch das der Arwenacks, maß etwa hundert Yards im Quadrat. Ein Dach gab es nicht, keine schützende Kleidung, keine Planen, keine Decken. Capitán Carraldo tat wirklich alles, um die Geknechteten zu demütigen.
Handkarren rollten von außerhalb des Tores heran, beladen mit Kübeln. Aufseher teilten Wasser und Suppe aus, Soldaten mit schußbereiten Pistolen überwachten es.
Pro Gatterbereich gab es einen Kübel mit Wasser und einen Kübel mit Suppe, wobei sich der Inhalt nicht wesentlich voneinander unterschied. In jedem der großen Gefäße hing eine Kelle. Die Kübel wurden vor die verriegelten Gatter gewuchtet.
Die Gefangenen mußten durch die Bretterverstrebungen greifen, um sich mit Essen und Trinken zu versorgen – eine langwierige Prozedur im schwachen Licht, das von den nun fernen Fackeln herüberfiel. Denn die Kellen konnten nur immer von einem Gefangenen benutzt werden.
Hasard wandte sich angewidert ab.
In der entfernten Ecke des eingezäunten Bereichs lag Will Thorne auf dem Sandboden. Er fieberte noch immer. Jeder der Männer hatte ein wenig von seiner ohnehin spärlichen Kleidung geopfert. Und sie hatten Will zugedeckt, damit er die kühler werdende Nacht überstehen konnte.
Von überall war das Klappern der Kellen in den eisernen Kübeln zu hören. Auf den hohen Erdwällen, die das Lager umgaben, waren Fackeln in Stangenkörben angezündet worden. Die Wachen wurden verstärkt.
Statt vier waren es jetzt sechs Doppelstreifen, die in entgegengesetzten Richtungen patrouillierten. Der Comandante wußte, warum er für die Nacht schärfere Sicherheitsmaßnahmen anordnete.
Hasard richtete sich auf. Seine Männer versorgten sich aus den Kübeln, auch die Zwillinge. Sie wußten alle, daß sie ihre Kräfte brauchten. Denn was vor ihnen lag, war schlimmer als alle Strapazen, die sie auf dem Marsch durch den Dschungel des Istmo de Tehuantepec überstanden hatten.
Carraldo wußte, daß sie Engländer waren, Feinde des Königreichs Spanien. Er würde sie noch mehr schinden lassen als die Indianer. Und sie würden Juchitán, die nahe Hafenstadt an der Pazifikküste, nicht einmal zu sehen kriegen, obwohl man praktisch hinspucken konnte.
Aus war der Traum von der Reise nach China, wo sie neue Brandsätze hatten holen wollen, um den erhöhten Sicherheitsmaßnahmen der Spanier in der Karibik besser begegnen zu können.
Hier, am Pazifik, waren die Maßnahmen der Dons offenbar noch wirkungsvoller als irgendwo sonst. Carraldo verfügte über Reitersoldaten. Eine halbe Hundertschaft davon hatte die Arwenacks ohne große Mühe eingefangen.
Bis auf Ed Carberry, Dan O’Flynn, Batuti und Matt Davies.
Auf die vier gründete sich alle Hoffnung des Seewolfs.
Am Rand des Dschungels, vier Meilen nordöstlich vom Gefangenenlager, war es finster wie in einem fensterlosen Keller.
Die drei Soldaten hatten ihre Pferde angepflockt. Der Mond, der tief im Osten stand, erreichte das Land erst eine Meile weiter westlich mit seinem fahlen Licht. Mattsilbern schimmerten dort die