Seewölfe - Piraten der Weltmeere 226. John Roscoe Craig

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 226 - John Roscoe Craig


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oder dem Mouchoir carré, wie die Flibustier die Untiefen nannten – planten. Der Kutscher hoffte, daß sie am Angriff auf die Silberflotte nicht mehr teilzunehmen brauchten, denn nach seiner Ansicht war es aussichtslos. Er wußte, daß die Flotte von schwer bestückten Kriegsgaleonen eskortiert wurde, die die kleinen Piratenschiffe auf den Grund des Meeres bohren würden.

      Der Kutscher rollte das Stück Leinen zusammen und verbarg es unter seinem Hemd. Die Frage war jetzt, wo er es deponieren konnte. Er mußte noch einmal an Land. Aber wie?

      Entschlossen verließ er seine Kammer. Auf dem Gang verschwand gerade der Schotte am Niedergang zum Quarterdeck. Le Requin und Nicolas Colter befanden sich noch in der Kapitänskammer, deren Tür offenstand.

      Der Kutscher trat ein und blieb neben dem Tisch stehen.

      Le Requin drehte den Kopf zu ihm um.

      „Was ist?“ fragte er.

      „Ich wollte nur wissen, wann wir auslaufen“, sagte er.

      „Der Mast wird in vier Stunden fertig sein“, sagte Nicolas Colter.

      „In der Zeit könnte ich noch mit ein paar Männern auf Jagd gehen“, sagte der Kutscher. „Es gibt eine Menge Bergschafe auf der Insel, und auf der Fahrt nach Port Caché hätten wir für die Mannschaft Frischfleisch.“

      Le Requin nickte.

      „Drei Stunden“, sagte er und starrte den Kutscher an. „Wie heißt du eigentlich?“

      „Meine Leute nennen mich Kutscher“, sagte der Kutscher. „Das kommt daher, weil …“

      Le Requin winkte ab.

      „Ein blöder Name“, sagte er. „Ich werde dich Jacques nennen. Der Bootsmann wird dir drei Männer zuteilen.“

      Damit war die Sache für Le Requin erledigt. Er ging zu dem kleinen Kartentisch unter den Heckfenstern hinüber und holte eine Rolle aus dem Ständer an der Wand.

      Nicolas Colter zog den Kutscher aus der Kapitänskammer und schloß die Tür. An Deck rief er drei Männer zu sich und befahl ihnen, den Kutscher auf der Jagd zu begleiten.

      „Für jede Minute, die ihr länger als drei Stunden braucht, kassiert jeder einen Peitschenhieb, verstanden?“

      Die drei Piraten starrten den Kutscher grollend an, aber der zuckte nur mit den Schultern.

      3.

      Der Wind hatte gedreht, und die Karacke lief mit Backbordhalsen hart am Wind. Die Piraten waren guter Dinge, seit sie wußten, daß der Kapitän Kurs West befohlen hatte. Viele von ihnen hatten einen Großteil ihres Vermögens in Port Caché, das sie nur ungern gegen die Ungewißheit getauscht hätten, beim Angriff auf die Silberschiffe eine fette Beute aufzutun.

      Der Kutscher stand in seiner kleinen Kammer und starrte auf den kleinen Lederbeutel, den er in der Hand trug. Ein Grinsen huschte über seine Züge. Dieser Hasard war doch ein Teufelsbraten!

      Trotzdem fühlte sich der Kutscher in seiner Haut nicht wohl. Hasard hatte ihm zwar erzählt, daß der Koch gesagt hätte, die Männer würden nach dem Gift nur drei Tage schlafen, aber er war sich dessen nicht sicher. Wenn sie nun alle Piraten vergifteten?

      Ach was, dachte der Kutscher. Er hatte Ratatouille, den buckligen, zwergenhaften Koch gesehen. Der konnte keiner Fliege was zuleide tun.

      Er dachte zurück. Vor zwei Stunden war er mit den drei Piraten an Bord zurückgekehrt. Sie hatten tatsächlich zwei Bergschafe erwischt. Die Mannschaft, die früher mit den Arbeiten am Großmast fertig geworden war als erwartet, hatte gejubelt. Die Aussicht auf ein saftiges Stück Fleisch hob ihre sowieso schon gute Stimmung noch mehr.

      Der Kutscher hatte beide Schafe dem kleinen Koch gegeben. Er selbst hatte sich für die Piraten vom Achterdeck nur ein paar gute Stücke ausbedungen. Als Ratatouille das Schlachten der Schafe in der Kuhl beaufsichtigte, hatten Hasard und Philip den Kutscher zur Seite gezogen und in den Verschlag geführt, dessen Gestank den Kutscher fast aus den Stiefeln gehoben hätte.

      „Wie kann man es hier drin nur aushalten!“ hatte er gesagt.

      „Man gewöhnt sich an alles“, war Hasards lakonische Antwort gewesen. Dann hatte er eine Schachtel von einem Wandbord geholt und dem Kutscher entgegengehalten.

      „Dies ist ein Gift“, hatte er geflüstert, „wenn man es ins Essen mischt, schlafen die, die es zu sich genommen haben, mindestens drei Tage.“

      „Woher weißt du das?“ hatte der Kutscher stirnrunzelnd gefragt.

      „Der Koch hat es uns erzählt. Er wollte schon mal die ganze Mannschaft in einen Tiefschlaf versetzen und dann abhauen, damit sie ihn nicht mehr quälen können.“

      „Und was sollen wir damit?“

      „Mann!“ hatte Hasard hervorgestoßen. „Wenn wir die Mannschaft einschläfern, können wir die Karakke übernehmen und auf Dad warten.“

      Mehr hatte der Kutscher nicht erfahren. Ratatouille war aufgetaucht. Er hatte dem Kutscher das Fleisch übergeben und gemeint, daß es Zeit wäre, das Essen vorzubereiten. Er hatte den Kutscher aus dem Verschlag geschoben und die Zwillinge angetrieben, alles zurechtzulegen, was sie zum Kochen brauchten.

      Der Kutscher hatte plötzlich vor dem Verschlag gestanden und gespürt, daß er etwas in der Hand hielt. Es war ein kleiner Lederbeutel, den Hasard ihm zugesteckt hatte, und er wußte genau, was sich darin befand.

      Er war zu Matt Davies hinübergegangen und hatte ihm alles berichtet. Matt war begeistert gewesen. Er war überzeugt, daß die „Isabella“ noch an diesem Tag wieder vor der kleinen Insel auftauchen würde. Sie brauchten also nur hier zu warten. Ein Tag würde ihnen auf jeden Fall genügen.

      Jetzt stand der Kutscher vor dem Feuer und starrte auf den Lederbeutel. Langsam öffnete er ihn. Weißes Pulver befand sich darin. Er wußte nicht, wie groß die Dosis für die zwölf Männer sein mußte, für die er kochte. Er hatte den Inhalt der Schachtel nicht gesehen und wußte nicht, wieviel von dem Gift Hasard abgefüllt hatte.

      Er packte den Lederbeutel mit der Rechten und wollte alles in die Soße kippen, als er den Ruf an Deck hörte.

      „Schiff Backbord voraus in Sicht!“

      Voraus? Das konnte nicht die „Isabella“ sein.

      Der Kutscher zog den Lederbeutel wieder zu und hörte im selben Moment, wie Türen auf dem Gang geöffnet wurden. Schritte polterten über die Planken. Die Stimme Le Requins hallte über das Quarterdeck, und der Ausguck antwortete aus dem Mars. Der Kutscher konnte allerdings nicht verstehen, was er rief.

      Dann ging es wie ein Schrei über Deck.

      „Spanier!“

      Der Kutscher fluchte. Er nahm den Ledereimer mit Wasser, der neben dem Feuer stand, und kippte ihn in die Esse. Zischend stieg Dampf auf und füllte die kleine Kammer. Das Essen würde ausfallen, daran gab es keinen Zweifel, denn wenn sich der Spanier näherte, brauchte Le Requin jede Hand, um ihm entweder davonzusegeln oder aber zu bekämpfen.

      Nachdem er sich überzeugt hatte, daß das Feuer verlöscht war, verließ er die Kammer und eilte aufs Quarterdeck. Der Bootsmann und der Schotte jagten die Leute in die Wanten. Es sah so aus, als wolle Le Requin einem Kampf ausweichen.

      Die Galeone war schon mit bloßem Auge gut zu erkennen. Der Ausguck schrie hinunter, daß es sich um einen Zweidecker handele, der mindestens dreißig Kanonen mit sich führe.

      Der Kutscher wurde blaß. Es war ein spanisches Kriegsschiff, das wahrscheinlich hier vor den Jungferninseln patrouillieren und die Bewegungen der Piraten beobachten sollte.

      „Schiff klar zum Gefecht!“ brüllte Le Requin.

      Für einen Moment war es still auf dem Schiff. Alle starrten den Kapitän an, als ob sie ihn nicht richtig verstanden hätten. Als dann die Befehle zur Kursänderung auf den Spanier zu über Deck hallten,


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