Seewölfe - Piraten der Weltmeere 226. John Roscoe Craig

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 226 - John Roscoe Craig


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bleibt uns keine andere Wahl, Nicolas“, sagte Le Requin. „Wenn die Spanier feststellen, daß sich in dieser Gegend kein einziger Pirat aufhält, werden sie mißtrauisch. Wir müssen die Galeone versenken, damit die Spanier keine Möglichkeit haben, ihre Beobachtung irgend jemand mitzuteilen.“

      „Haben wir eine Chance?“ fragte der Bootsmann heiser.

      Le Requin verzog sein narbiges Gesicht zu einem harten Grinsen. „Man hat immer eine Chance, wenn man an sein Glück glaubt und auf seine Kraft und seinen Mut vertraut.“

      Der Kutscher schaute den Vorbereitungen zu, die Le Requin befohlen hatte. Statt unter vollem Zeug weiterzusegeln, ließ er die Fock und das Großsegel bergen. Alle Männer, bis auf die paar, die die Segel zu bedienen hatten, wurden unter Deck befohlen oder hatten sich so zu verbergen, daß sie von dem anderen Schiff aus nicht gesehen werden konnten.

      Der Kutscher starrte gebannt auf die heranrauschende Galeone. Die Stückpforten waren geöffnet, die Kanonenrohre ragten daraus schußbereit hervor.

      Hoffentlich hat sich Le Requin nicht verrechnet, dachte der Kutscher, und die Spanier schossen die Karacke erst einmal in Fetzen, bevor sie fragten, wer sich auf dem Schiff befand. Schließlich rechneten sie damit, daß sich in dieser Gegend Piraten aufhielten.

      Der Kutscher hatte sich, als der Befehl Le Requins über Deck hallte, daß sich jeder zu verbergen habe, in die Kuhl verdrückt und war zu dem Verschlag hinübergelaufen, wo auch Ratatouille das Feuer bereits gelöscht hatte.

      Flüsternd fragte der Kutscher Hasard, ob er schon …

      Hasard schüttelte heftig den Kopf, als ob er sagen wolle, daß er doch nicht blöd sei.

      Der Kutscher befahl ihnen, sich unter Deck zu begeben, und da auch Ratatouille den Verschlag verließ, widersprachen sie nicht.

      Die Spanier verhielten sich im Bewußtsein ihrer unüberwindlichen Stärke wie Dummköpfe. Sie ließen die Karacke, an deren Großmast jetzt die Flagge Kataloniens wehte, ungehindert an sich heran. Sie reagierten auch noch nicht, als die erste Breitseite der Karacke in ihr Backbordschanzkleid schlug und die Batterie im oberen Deck fast vollständig zerstörte. Erst als die Karacke eine Halse fuhr, um ihrerseits ihre Backbordkanonen zum Einsatz zu bringen, schienen die Spanier zu bemerken, daß der Feind gefährlicher war, als sie vermutet hatten.

      Doch die ersten Treffer hatten sie so aus dem Gleichgewicht gebracht, daß sie keine Chance mehr gegen die Piraten hatten. An Deck der Karacke wimmelte es plötzlich von Piraten, und die meisten Spanier schlossen bereits mit ihrem Leben ab.

      Le Requin hatte allerdings nicht vor, die Galeone entern zu lassen. Er wollte sie versenken.

      Die nächste Breitseite bohrte sich mit ohrenbetäubendem Krachen in den Rumpf der Galeone. Fast augenblicklich hatte das Schiff Schlagseite. Entsetzte Schreie übertönten das Bersten des Großmastes.

      Die Piraten begannen zu jubeln. Sie hatten die Galeone tödlich getroffen, ohne selbst auch nur eine Kugel hinnehmen zu müssen.

      Le Requin ließ abdrehen. Er wollte aus sicherer Entfernung abwarten, was geschah.

      Boote wurden zu Wasser gelassen. Einige von ihnen kenterten, bevor ein Mann sie bestiegen hatte. Dann schlug die Galeone um. Es hörte sich an, als rülpse die See. Männer wurden durch die Luft geschleudert und klatschten ins Wasser. Für einen Moment ragte der Vormast der Galeone noch aus dem Wasser, dann verschwand auch er.

      Nur ein heiles Boot war zurückgeblieben. Männer schwammen darauf zu und versuchten, sich am Dollbord hochzuziehen. Andere, die bereits im Boot saßen, schlugen ihnen mit den Riemen auf die Finger. Fast wäre das Boot gekentert.

      Le Requin gab den Befehl, das Boot zu versenken. Er konnte es sich nicht erlauben, einen der Spanier an Land gelangen zu lassen. Zu leicht war es möglich, daß die Spanier noch vor dem Angriff auf die Silberflotte gewarnt wurden.

      Die erste Kugel lag etwas zu kurz.

      Mit zusammengepreßten Lippen sah der Kutscher, wie die Spanier aus dem Boot hechteten. Sie hatten offensichtlich erkannt, daß die Piraten es sich als Ziel ausgesucht hatten.

      Die zweite Kugel zerfetzte es in tausend Stücke.

      Le Requin befahl, auf den alten Kurs zurückzugehen. Das Großsegel und die Fock wurden wieder geheißt, und die Karacke nahm Fahrt auf.

      Der Kutscher, der neben Matt Davies und Stenmark auf der Kuhl stand, wollte gerade mit ihnen besprechen, ob sie doch noch das Gift ins Essen mischen sollten, als der Ausguck im Mars schon wieder Schiffe meldete. Eins Steuerbord voraus, ein anderes weit im Osten vor den Inseln, die sie hinter sich gelassen hatten.

      Matt Davies schüttelte den Kopf.

      „Warte mit dem Gift“, flüsterte er. „Wenn die Piraten ausgeschaltet sind und wir laufen einem Spanier vor die Kanonen, sind wir geliefert.“

      „Hoffentlich findet Hasard deine Mütze“, murmelte Stenmark. „Hast du sie auch nicht so versteckt, daß niemand sie findet?“

      „Für wie blöd hältst du mich?“ fragte der Kutscher wütend. „Ihr könnt froh sein, daß ich bei euch bin, sonst hätten euch die Piraten schon an Land abgemurkst.“

      „Ich hab dich jede Nacht in mein Gebet eingeschlossen“, erwiderte Stenmark grinsend.

      Der Schock war ziemlich groß, als sie in die Flußmündung einliefen und niemanden am Ufer entdecken konnten.

      Hasard wußte, daß niemand mehr auf dieser Insel war, jedenfalls nicht lebend. Denn sonst hätten sie die „Isabella“ längst entdecken müssen und sich am Ufer eingefunden.

      Trotzdem schickte er ein Boot ans Ufer, um nach Spuren zu suchen. Vielleicht hatten die Piraten die Männer und die Zwillinge aufgestöbert und getötet.

      Bill hatte sofort den Steinhaufen entdeckt, der ein paar Yards vor der Waldschneise aufgestapelt war. Als er dann die Mütze des Kutschers fand und darin das beschriftete Stück Leinen, brach er in Jubel aus. Er lief mit den anderen, die ihn an Land begleitet hatten, zum Boot zurück, und sie pullten zur „Isabella“ hinüber.

      Alle waren froh, daß die Zwillinge, Matt Davies, Stenmark, Blacky, Batuti und der Kutscher noch am Leben waren. Sie liefen sofort wieder aus, da sie wußten, daß der Vorsprung der Karacke kaum mehr als fünf Stunden betragen konnte.

      „Wir waren zu lange unterwegs“, sagte Ben Brighton, als die „Isabella“ hart am Wind auf westlichen Kurs ging. „Ich hab noch nie was von diesem Port Caché gehört.“

      „Es wird eine kleine, unbekannte Bucht sein“, sagte Hasard. „Wenn wir die Karacke vorher nicht einholen sollten, werden wir ganz schön suchen müssen. Vielleicht wird uns nichts anderes übrigbleiben, als in der Mona Passage zu kreuzen und zu warten, bis die Karacke Kurs auf die Turks-Inseln nimmt.“

      „Mal nicht den Teufel an die Wand“, sagte Ben. „Auch wenn die Karacke schnell ist, bis wir Espanola erreicht haben, haben wir sie längst erwischt.“

      „Du vergißt, daß wir sie nicht angreifen können“, warf Hasard ein. „Oder willst du riskieren, daß einer von unseren Leuten dabei draufgeht?“

      Ben Brighton fluchte unterdrückt und starrte zum Mars hinauf, wo Arwenack herumturnte.

      „Noch keine Mastspitze in Sicht?“ brüllte er hinauf.

      Dan O’Flynns Gesicht erschien über der Segeltuchverkleidung. Er schüttelte den Kopf.

      „Ich werde mir die Karten von Espanola ansehen“, sagte Hasard und wandte sich um. „Vielleicht finde ich irgendeinen Hinweis.“

      Ben Brighton nickte, obwohl er wie Hasard wußte, daß die Zeichen des Kutschers nicht ausreichten, auch nur den ungefähren Standort von Port Caché zu bestimmen.

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