Seewölfe - Piraten der Weltmeere 82. Kelly Kevin

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 82 - Kelly Kevin


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      Impressum

      © 1976/2014 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-399-2

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

      1.

      Die Nacht hatte keine Abkühlung gebracht.

      Etwas anderes als Luft schien über der winzigen Urwaldlichtung zu lasten, ein schwarzes, zähflüssiges Wabern, das mit dem heraufdämmernden Morgen grau wurde und sich wie klebriger Leim über die Haut legte. Ein unsichtbares Gewicht drückte auf die Männer, die im Schlaf der Erschöpfung lagen. Es erschwerte das Atmen, aber es waren nicht diese mühsamen Atemzüge, die den Seewolf weckten.

      Philip Hasard Killigrew fühlte den rauhen Stein des Felsblocks im Rücken, an den er sich gelehnt hatte. Und er fühlte noch etwas anderes: eine leichte Bewegung an seiner Brust. Reglos verharrte er, ohne den Rhythmus seiner Atemzüge auch nur im geringsten zu ändern. Wenige Tage in der Fieberhölle von Guayana hatten ihn gelehrt, wie man den hundertfältigen Gefahren des Urwalds begegnet.

      Vorsichtig öffnete er die Augen.

      Graue Dunkelheit. Zwischen Baumriesen, Schlinggewächsen und toten Stämmen erinnerte die Luft an regloses, schmutziges Wasser. Behutsam senkte Hasard den Kopf – und brauchte seine ganze Beherrschung, um nicht zusammenzuzucken.

      Quer über seine Brust ringelte sich eine dünne, schillernde Schlange.

      Der flache Reptilienkopf bewegte sich, unruhig und suchend. Der schlanke Leib leuchtete zinnoberrot, hatte winzige schwarze Punkte und schwarze, grünlich gesäumte Streifen. Selbst im grauen Morgenlicht war die Schönheit des Farbenspiels zu erkennen, doch Hasard hätte gern darauf verzichtet, eine wenn auch noch so schöne Giftnatter aus der Nähe zu bewundern.

      Sein Mund wurde trocken.

      Immer noch rührte er sich nicht, aber er konnte nicht verhindern, daß sein Herz gegen die Rippen trommelte. Die Natter richtete den Kopf auf, als spüre sie das dumpfe Pochen. Lautlos glitt der schimmernde Schlangenleib weiter, bewegte sich über die Fetzen von Hasards Hemd, berührte kühl und glatt seine nackte Haut, und ein eisiges Prickeln lief über seinen Körper.

      Er schloß die Augen, öffnete sie wieder.

      Jetzt nur keine Panik, keine unbedachte Bewegung! Hasard hatte noch nie eine solche Schlange gesehen, aber er hatte genug über diese buntschillernden Biester gehört, um zu wissen, daß sie giftig waren und angriffslustig wurden, wenn irgend etwas sie erschreckte. Hasard hatte nicht vor, das Tier zu erschrecken. Aber dicht neben ihm schliefen Ferris Tucker und Big Old Shane, lag Edwin Carberry mit seiner Donnerstimme, und wenn der erst einmal wach wurde …

      Behutsam löste Hasard seine Hand von dem feuchten Felsen.

      Inch um Inch bewegte er sie aufwärts und spreizte Daumen und Zeigefinger zu einer offenen Klammer. Der Schweiß, im tropischen Urwald ohnehin ein Dauerbegleiter, rann in Bächen über sein Gesicht und brannte in den Augen. Nur noch wie durch einen Schleier sah er den sacht schwingenden Kopf der Natter und seine eigene Hand, die sich unendlich langsam auf das Tier zuschob.

      Er grub die Zähne in die Unterlippe, bis er Blut schmeckte.

      Für den Bruchteil einer Sekunde konzentrierten sich alle seine Nerven und Sinne, dann zuckte seine Rechte blitzartig vor.

      Knapp unter dem flachen Kopf bekam er die Natter zu fassen, riß sie von sich weg und sprang keuchend auf die Beine. Der Schlangenleib zuckte und peitschte, weit öffnete sich der Rachen mit den spitzen Giftzähnen. Hasards Faust preßte sich zusammen. Mit geschlossenen Augen drückte er zu, bis der Reptilienkörper erschlaffte. Dann erst schleuderte er die Natter mit einer angeekelten Bewegung von sich.

      „He, was …“

      Dan O’Flynn war es, der als erster aus dem Schlaf schreckte und blindlings hochtaumelte. Hinter und neben ihm richteten sich die anderen Männer auf, ächzten, blinzelten und versuchten, die bleierne Schwere aus den Gliedern zu schütteln. Sie starrten den Seewolf an, dann die buntschillernde, jetzt leblose Schlange, dann wieder Hasard, und seine zusammengepreßten Lippen verrieten ihnen deutlich, was passiert war.

      „Himmel, Arsch und Kabelgarn“, stöhnte Ed Carberry ergriffen.

      „Du sagst es. Ich hätte das Biest fast am Hals gehabt.“ Hasard rieb sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und lächelte verzerrt.

      „Wir müßten was gegen diese verdammte Brut unternehmen“, knurrte der Profos.

      „Und was? Unsere Wachen können nicht auf die Spanier und auch noch auf Schlangen aufpassen. Die Biester sieht und hört man ja nicht. Wir müssen so schnell wie möglich aus dieser stinkenden Hölle heraus und zurück auf die gute alte ‚Isabella‘ – das ist es!“

      Ja, das war es. Die Männer nickten zustimmend, aber Hasard wußte selbst, daß es leichter gesagt als getan war. Die „Isabella“ saß auf einer Untiefe vor der Teufelsinsel fest und wurde von Spaniern bewacht. Zwar hatten sie den Dons eine vernichtende Niederlage beigebracht, hatten zwei Galeonen mit Brandsätzen vernichtet und heillose Verwirrung gestiftet, aber inzwischen war der anfängliche Triumph über diesen Teilerfolg längst verflogen.

      Sie hatten sich erneut in den Urwald zurückziehen müssen, in eine Hölle, die ihnen mit mörderischer Hitze, Fieber, Schlangen und hundert anderen Gefahren zusetzte. Sie waren erschöpft, am Ende ihrer Kraft, und mußten ständig damit rechnen, von den rachedurstigen Spaniern aufgespürt zu werden. Wenn sie auch jetzt, nach dem heimlichen Besuch Dan O’Flynns und Hasards an Bord der „Isabella“, über ein Boot, ein paar Pistolen, einen Beutel mit Perlen und einige Werkzeuge verfügten – von einer ausreichenden Ausrüstung und Bewaffnung konnte noch lange nicht die Rede sein.

      Trotzdem kannten sie alle nur ein einziges Ziel: die Teufelsinsel.

      Hasard dachte nicht daran, die „Isabella“ aufzugeben. So wenig wie Ben Brighton daran dachte, Tucker, Carberry, Dan, Big Old Shane oder einer der anderen. Selbst Bill, der fünfzehnjährige Schiffsjunge, brannte darauf, es den Dons zu zeigen. Und Dans Vater, der alte Donegal Daniel O’Flynn, der wegen seines Holzbeins am meisten unter dem schrecklichen Marsch durch die Fieberhölle gelitten hatte, bewies seine wiedererwachten Lebensgeister, indem er die Spanier mit Flüchen belegte, bei denen selbst der eisenharte Profos nur noch staunen konnte.

      Jetzt allerdings war der zähe alte Mann zu sehr mit seinen schmerzenden Gliedern beschäftigt, um noch zu fluchen. Hasard ließ die Wachen ablösen und sah nach Smoky, dem der Kutscher ein Stück Blei aus der Schulter geholt hatte und dem es jetzt schon etwas besser ging. Bill, Blacky, Stenmark und der hagere Gary Andrews hatten Früchte gesucht, die zugleich den Durst löschten. Mit den ersten Sonnenstrahlen begann der Dschungel zu dampfen. Im weißen, erstickenden Dunst kauerten


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