Seewölfe - Piraten der Weltmeere 630. Sean Beaufort

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 630 - Sean Beaufort


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den aufregenden Erlebnissen in Ruhe Atem zu schöpfen. Schon vor dem Ablegen in London hatten sie von der Sonne, den Palmen und Stränden der Karibik geträumt, und nun, als sie zwischen den Inseln kreuzten, schien es, als würden die Vorkommnisse und Abenteuer ihnen keine Zeit dafür lassen.

      Fröhlich winkte Don Juan vom Bug nach achtern.

      „Guter Einfall, Sir!“ rief er.

      Das Karibische Meer wirkte im späten Sommer des Jahres tatsächlich wie ein Paradies, verglichen mit dem Ozean und den Küsten von Virginia. Jeder war froh, wenn er im frischen Wind stand oder im Schatten sitzen konnte. Zwischen den langen, weißen Wolken segelten riesige Vögel. Der Wind roch nach frischen Pflanzen und seltsamen Gewürzen, wie es allen schien. Die Schebecke schnitt auf Südwestkurs durch die langgezogenen Wellen. Der scharfe Bug zerteilte die breiten Schaumstreifen, die sich rasch auflösten. Über der Kimm flimmerte Hitze und rief trügerische Bilder von auftauchenden und versinkenden Inseln hervor.

      Mac Pellew und der Kutscher bereiteten in der Kombüse das Essen vor. Die Proviantlast war gut gefüllt. Manchmal unterhielten sie sich leise und bedauerten, daß Susan Fletcher mit ihrem ansteckenden Lächeln nicht mehr neben ihnen arbeitete und ihnen half.

      Stundenlang ging es ohne Aufregung weiter. Nach dem Glasen breitete sich Windstille aus. Die Segel killten, und die Seewölfe schauten, ob sich auf dem Wasser die Kräusellinien einer Bö abzeichneten. Die Sonne verwandelte die Decks in heiße Holzflächen, es schien zu zischen, wenn jemand aus einer Pütz Seewasser darüberkippte.

      Dann sprang der Wind wieder an, erstarb abermals und drehte. Jetzt wehte er, schwächer als am Vormittag, aus Südost. Knallend füllten sich die Segel. Das Schiff nahm Fahrt auf, legte sich ein paarmal schwer über und richtete den Bugspriet genau auf Nordwest zu West.

      Dan O’Flynn gähnte, schaute von seinen Karten hoch und rief: „Wir sind auf Kurs, Sir! Recht voraus sollten die Riffinseln und die Bucht von La Romana liegen!“

      „Verstanden, Dan.“

      Die Schebecke segelte also durch die Monapassage oder den Canal de la Mona. Steuerbord voraus mußten in kurzer Zeit die Küsten der Insel Hispaniola auftauchen und die Berge der Cordillera Oriental. Zahllose Buchten, von denen jede für ihr Vorhaben bestens geeignet und menschenleer war, gab es am Ostkap und entlang der südlichen Küste nahe Santo Domingo.

      „Kurs halten, Batuti“, forderte Hasard schläfrig den Gambiamann auf.

      „Aye, aye, Sir“, erwiderte der schwarzhäutige Riese. Er stand barfuß an der Pinne, im Schatten des Segels. Sein Oberkörper glänzte vor Schweiß. Die weite Leinenhose wurde nur durch den breiten Gürtel gehalten, dessen mächtige Schnalle wie Gold funkelte.

      Big Old Shane verließ die Kuhl und blieb hinter dem Schanzkleid des Bugspriets stehen. Er hielt Hasards Spektiv ans Auge und suchte das Wasser und die Kimm nach Segeln ab. Zeigte sich tatsächlich eins, dann würde es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um einen Spanier handeln. Aber in diesen hitzeflirrenden Stunden des Nachmittags blieb dieser Teil des Karibischen Meeres leer.

      Ein riesiger Wolkenschatten huschte über die Schebecke, als aus dem Hitzeflimmern die Küste auftauchte.

      „Santo Domingo weit voraus! Ein Strich an Steuerbord!“ rief Old Shane und hob den Arm.

      „Verstanden, Old Shane!“ rief Batuti, der den Ersten Offizier abgelöst hatte. „Ich halte darauf zu.“

      Der Canal de la Mona war passiert. Die Brandungsstreifen vor der langgezogenen Küste, die hier eine flache Bucht bildete, zeichnete sich undeutlich vor dem satten Grün an den Ufern und den ersten Abhängen ab. Die Sonne sank langsam dem Punkt entgegen, an dem sie in einem höllischen Spektakel aus Wolken, Farben und Strahlenbündeln im Meer versinken würde. Schatten bildeten sich hinter den Gipfeln und in den Schluchten der Berge.

      Auch jetzt waren an Steuerbord, in Ufernähe und jenseits der langgezogenen Inseln vor dem Kap, keine Segel zu erkennen. Big Old Shane verließ seinen Platz, turnte entlang des Schanzkleides auf die Kuhl und hinauf zum Achterdeck. Hasard hatte sich aufgesetzt, rieb sich die Augen und bat seinen Sohn, ihm etwas Trinkbares zu bringen.

      Old Shane gab ihm den Kieker zurück.

      „Nichts Auffallendes, Sir“, brummelte er und setzte sich auf die oberste Stufe des Niederganges. „Die Dons haben das Segeln verlernt, denke ich.“

      „Wohl kaum“, erwiderte der Seewolf und dankte mit einem kurzen Nicken, als ihm Hasard junior einen kleinen Krug gab. Er war von feinen, herunterperlenden Wassertropfen bedeckt. Hasard nahm einen langen Schluck, wischte sich die Lippen und fuhr fort: „Sie werden andere Sorgen haben.“

      Die südlichen Ufer der Insel rückten näher. Mit dem bloßen Auge und erst recht durch die vergrößernden Linsen sahen die Seewölfe die Rauchsäulen von Feuern über der noch unbekannten Stadt, den Uferwald, ein helles Stück Straße und eine Bucht nach der anderen, durch bewaldete Vorsprünge oder Felsriffe voneinander deutlich abgesetzt. An unzähligen Stellen brach sich gischtend die Brandung.

      Hasard zog sich in die Höhe und spannte die Muskeln.

      „Ferris Tucker will sich den Unterwasserteil genau ansehen“, sagte er halblaut. „Wir sollten uns wirklich eine einsame Bucht suchen.“

      „Also weiter nach Westen“, sagte Batuti.

      „Einverstanden.“

      Die Seewölfe hatten nichts im Sinn, das ein zufällig aufkreuzendes Schiff der Spanier dazu auffordern konnte, nachzusehen oder sie anzugreifen. Sie wollten sich aber auch nicht verstecken. Sie wollten nicht mehr und nicht weniger als ihre Ruhe. Hasard trank den Krug leer und richtete den Kieker auf die Küstenlinie.

      „Knapp vier Meilen entfernt“, murmelte er. „Tatsächlich. Nicht ein einziges Schiffchen“, meinte er gutgelaunt. „Näher heran, Batuti!“

      „Aye, Kapitän.“

      Während sich die riesige Scheibe der Sonne in dunkleres Gelb färbte, segelte die Schebecke mit achterlichem Wind weiter nach Westen und dem Ufer entgegen. An Bord herrschte eine träge, entspannte Ruhe. Es war, als hätte die gesamte Crew plötzlich begriffen, daß die nächsten Tage zu nichts anderem als Faulheit und Schlaf dienen sollten. Und es war auch, als ob sie alle schlagartig von großer. Müdigkeit wie von einem ansteckenden Fieber überfallen worden wären.

      Das stimmte natürlich nicht. Aber der Seewolf hatte während der nächsten Stunde genau diesen Eindruck. Er mußte grinsen. Ihm erging es nicht viel anders. Er kannte seine Männer – im ersten Augenblick einer Gefahr würden sie blitzartig ihre Müdigkeit abschütteln.

      Die Ufer glitten langsam vorbei.

      Meist waren durch die Spektive nur die Palmen und die Stelzwurzeln der eisenharten Salzwasserbäume zu erkennen. Große Stücke leerer Strände unterbrachen die Uferwälder. Ein paar Hütten verfielen auf salzverkrusteten Pfählen. An vier Stellen ragten Dämme aus Steinbrocken und Bohlen, wie gichtige Finger gekrümmt, ins Meer hinaus.

      Eine Straße führte einige hundert Schritte am Ufer entlang und verschwand dann zwischen dem üppig wuchernden Grün. Dann folgten einige nicht sehr steile Berghänge, wo zwischen Steinbrocken vereinzelte Büsche und Bäume wuchsen. Die Stadt verschwand hinter den aufragenden Felsnasen und den Wipfeln.

      Die Schebecke fuhr einen Viertelkreis und näherte sich erneut der Brandung.

      Jetzt wurde die Gegend wieder einsam. Mauern und Türme blieben hinter dem Vorhang aus wechselnder Landschaft zurück. In einigen Hängen erkannten die Seewölfe dunkle Öffnungen.

      „Das sind Schächte, nicht wahr?“ fragte Philip junior und beschattete seine Augen mit der flachen Hand. „Ich kann auch einzelne Leute erkennen. Goldbergwerke, Dad?“

      „Nicht unbedingt nur Goldbergwerke. Man findet vieles in den Bergwerken“, erwiderte der Seewolf. „Verschiedene Metalle, auch seltsame Steine. Ich habe gehört, daß die Spanier in ihren Gruben, Bergwerke und auf den Plantagen Sklaven beschäftigen. Und nicht gerade wenige.“

      Auch


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