Seewölfe Paket 18. Roy Palmer
verstört um sich. Dann trat sie wieder auf Arkana zu.
„Also die Folter duldet euer seltsamer Gott?“ fragte sie lauernd, und die Wut blitzte tückisch aus ihren Augen.
„Versucht es, aber ihr werdet keinerlei Erfolg haben, denn der Schlangengott wird verhindern, daß auch nur ein einziges Wort über unsere Lippen kommt, von dem er nicht will, daß ihr es erfahrt.“
Wieder wich die Black Queen einen Schritt zurück.
„Du willst mich provozieren, Araukanerin. Ich soll dich foltern. Aber so dumm bin ich nicht – du bist zu wertvoll für mich. Nein, wir nehmen diese da!“ Sie wies auf Tatona. „Pack sie, Caligula, binde sie los und bringe sie zum Feuer. Dann werden wir sehen.“
Sie wandte sich an Arkana.
„Mal sehen, ob dir deine großen Sprüche nicht doch noch vergehen. Caligula versteht sich darauf, Menschen genau das zu entlocken, was er wissen will. Du wirst das gleich erfahren!“
Die Black Queen ließ sich nichts anmerken, daß sie Tatona absichtlich ausgewählt hatte, weil sie ein Teil des Planes war, den Caligula ausgebrütet hatte. Tatona würde das Werkzeug sein, das sie brauchten, um an die Schätze der Schlangeninsel heranzukommen. Wobei es aber gar nicht die Schätze waren, die die Black Queen am meisten interessierten, jedenfalls jetzt noch nicht. Denn sie besaß selber Gold und Silber und Edelsteine in großer Menge. Nein – darum ging es ihr nicht, wohl aber um die Geheimnisse, die jene legendäre Insel barg.
Sie zog ihre Pistole und richtete sie auf Tatona, als Caligula ihre Fesseln löste.
„Wenn du zu fliehen versuchst, werde ich dich töten“, sagte sie. „Und es ist mir gleich, was euer Schlangengott dazu meint. Also, sei hübsch vorsichtig bei allem, was du tust …“
Caligula hatte ihre Fesseln gelöst. Wie unabsichtlich fuhr Tatona sich mit der Rechten langsam über das Gesicht, aber sie tat alles so langsam, daß auch die Black Queen keinen Einspruch erhob. Weder sie noch Caligula bemerkten, daß aus ihrem Ring bei einer bestimmten Bewegung ihres Zeigefingers ein kleiner nadelartiger Dorn hervorschnellte und sich in ihre Lippen bohrte. Dann zuckte er zurück und verschwand, unsichtbar für jeden Uneingeweihten, wieder zwischen den grünen Augen des winzigen Schlangenkopfes.
Die Black Queen trieb Tatona jetzt zum Strand hinab, dann ließ sie vier Pfähle in den Sand rammen und man band Tatona mit gespreizten Armen und Beinen an den Pfählen fest.
Andere Piraten schürten grinsend ein Feuer, das rasch entzündet worden war, und dann hockte sich Caligula neben Tatona.
Die Black Queen wandte sich um, blickte Arkana an.
„Noch kannst du reden“, sagte sie. „Noch ist es nicht zu spät. Sie ist hübsch, Arkana, so hübsch, wie ich nur selten eine junge Frau gesehen habe. Ich bin nicht wild darauf, sie durch Narben entstellen zu lassen, also?“
Aber Arkana schwieg, sie wußte, was geschehen würde. Und richtig – Caligula sprang plötzlich auf. Wütend stampfte er mit den Füßen in den Sand.
„Da, sieh dir das an, Queen!“ brüllte er voller Zorn. „Mit der können wir anstellen, was wir wollen, die wird nicht reden! Sieh dir ihre Augen an, sie sieht nichts, sie hört nichts, und sie wird auch nichts spüren! Es ist sinnlos, daß wir sie foltern!“
Die Black Queen war mit einigen Sätzen bei Caligula. Er beugte sich über Tatona – und dann richtete sie sich plötzlich wieder auf. Ihre dunklen Augen glühten vor Zorn.
„Caligula, hol die nächste, und dann wieder die nächste, ich will doch sehen, ob diese verdammte Araukanerbrut über unerklärliche Kräfte verfügt, oder ob ihr Gott wirklich so mächtig ist, wie sie behaupten!“
Caligula tat, wie ihm geheißen – aber bei allen geschah genau das gleiche. Sie lagen da, die Pupillen weit geöffnet und starrten blicklos in den Himmel. Nicht einmal ein glühendes Eisen vermochte sie wecken, und auch nicht die Peitsche, mit der Caligula voller Wut auf sie einschlug. Aber sie lebten, das fand Caligula schnell heraus.
Alle wurden erneut gefesselt und dann, weil sie nicht zu stehen vermochten, weiter hinten an den Strand gelegt. Tatona abseits von allen anderen.
„Ich habe so etwas noch nicht erlebt, Queen“, sagte Caligula und kniff die Augen zusammen. „Wir sollten jetzt unseren Plan durchführen, er wird klappen, da bin ich ganz sicher.“
Die Black Queen nickte – und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Und dieser Plan war so raffiniert, daß nicht einmal Arkana oder Tatona ihn durchschauten. Daß aber die Ereignisse auf der Schlangeninsel dabei der Black Queen und Caligula wie von selbst fast alle Vorteile in die Hände spielten, das ahnte auch Arkana nicht, und auch der Schlangengott gab ihr kein Zeichen.
5.
Tatona erwachte aus ihrer Paralyse erst gegen Abend dieses Tages. Sie brauchte auch noch eine Weile, bevor sie wieder wirklich klar im Kopf und Herr über ihre Glieder war.
Eine Eigenart des Giftes bestand jedoch darin, daß sie zwar während seiner Wirkung unfähig war sich zu rühren oder sonstige Aktivitäten zu entfalten, daß sie aber ähnlich wie eine Scheintote dennoch alles in sich aufnahm, was um sie herum geschah. Und so wußte sie auch, was sich ereignet hatte, seitdem das Gift des Schlangenringes in ihren Körper eingedrungen war.
Mehr und mehr brannte ihr jetzt die Zeit unter den Nägeln. Die Black Queen und ihre Kerle wußten irgend etwas – aber was? Auf jeden Fall drohte der Schlangeninsel von der Black Queen Gefahr. Sie mußte es irgendwie schaffen, Hilfe herbeizuholen, oder Arkana und alle Schlangenkriegerinnen waren verloren.
Ohne einen genauen Plan zu haben, ohne jede Vorstellung zunächst, wie sie die Flucht von dieser Insel überhaupt bewerkstelligen sollte, begann Tatona, ihre Fesseln zu überprüfen. Sie tat das sehr sorgfältig – und ihr fuhr ein freudiger Schreck durch die Glieder, als sie spürte, daß sich die Handfesseln zwar unter großen Mühen, aber eben doch weiter und weiter lockern ließen.
Tatona blickte sich vorsichtig um. Die Piraten saßen weiter hinten am Feuer. Wie üblich ließen sie die Becher kreisen. Diese Kerle hatten scheinbar nichts anderes zu tun, als zu saufen. Als Tatona daran dachte, was ihnen bestimmt noch mehr Spaß gemacht hätte, als zu saufen, spürte sie sofort die Gänsehaut, die ihren Körper überlief.
So sehr sie alle Zärtlichkeiten Karl von Huttens genoß, die er ihr schenkte, so unvorstellbar war für Tatona, daß irgend jemand es wagen könnte, sich von ihr mit Gewalt zu nehmen, was sie freiwillig zu geben nicht bereit war.
Noch immer dachte sie mit Grauen an jene Galeone voller junger Schlangenkriegerinnen, über die die Spanier nahe der Insel Mocha einst hergefallen waren, und auch daran, was diese Bestien mit den jungen Mädchen angestellt hatten. Die Spanier hatten bezahlt – von ihnen lebte keiner mehr. Aber die jungen Kriegerinnen auch nicht, sie waren schlimmer gestorben, als Tatona sich das vorzustellen vermochte.
Nein – sie mußte Hilfe herbeiholen, so schnell wie möglich. Vielleicht suchte man bereits nach ihnen, denn auf der Schlangeninsel wußte man bestimmt, in welch ein Unwetter sie mit der alten Galeone geraten waren. Doch, man suchte sie bestimmt – es würde also ein Schiff bereits unterwegs sein und das Gebiet um die Caicos-Inseln absuchen. Denn Arkana hatte gesagt, daß sie dorthin segeln wollten, schon, um sich Coral Island anzusehen, die künftige Plantageninsel, die der Seewolf ausfindig gemacht hatte.
Der Seewolf! Tatona dachte in diesem Augenblick an ihn. Sie mochte diesen großen dunkelhaarigen Mann mit den eisgrauen Augen, der der Vater Arauas war. Wo mochte er sein? Irgendwo weit im Süden des neuen Kontinents, denn er suchte ja nach einem geeigneten Indianerstamm, den man nach Coral Island umsiedeln konnte, um so die Versorgungsprobleme der Schlangeninsel zu lösen. Die Indianer würden frei sein, wie es die Araukaner waren, sie würden Partner der Bewohner der Schlangeninsel sein und unter ihrem Schutz gegen jeden Feind stehen.
Tatona schüttelte unwillig den Kopf. Keine Zeit, jetzt an all dies zu denken. Verbissen arbeitete sie weiter – und dann mußte sie plötzlich