Seewölfe Paket 18. Roy Palmer
Piraten befinden. Noch nie hat der Schlangengott eine Warnung ausgesprochen, die sich als unbegründet erwies.“
Tatona zog Araua mit sich fort, und Siri-Tong blickte den beiden entgegen. Sie zog Araua zu sich heran.
„Ich war sehr grob zu dir, Araua. Aber es gibt noch so vieles, was du lernen mußt. Du bleibst an Bord, von ‚Roter Drache‘, gleich, was geschieht, hörst du?“
Araua nickte, und vieles ging ihr in diesem Moment durch den Kopf.
„Roter Drache“ nahm wieder Fahrt auf – aber jeder an Bord war sich im klaren darüber, daß ihnen allen noch ein schwerer Kampf bevorstand. Sie hatten über die Black Queen und diesen Caligula genug auf Tortuga gehört, um sich in dieser Hinsicht keinerlei Illusionen zu machen. Dennoch brannten alle darauf, es der Black Queen zu besorgen, aber gründlich. Sie hatten schließlich schon gegen manchen gekämpft, der es auf ihre Schlangeninsel abgesehen hatte. Bisher waren jedoch noch alle gescheitert.
6.
Caligula hatte das alles von seinem Boot aus beobachtet. Zwar keine Einzelheiten, aber immerhin hatte er erkennen können, daß die Schlangenkriegerinnen an Bord des Viermasters geentert waren. Danach war er so rasch wie möglich davongesegelt. Er stieß manchen erbitterten Fluch aus, während er, so schnell es der Wind erlaubte, wieder Kurs auf jene Insel nahm, auf der die Black Queen auf ihn wartete.
Er segelte einen anderen Kurs als zuvor, dazu zwang ihn der Wind, denn sein Auslegerboot lief zwar vor dem Wind hervorragend, aber das Mattensegel war keineswegs dazu geeignet, mit dem Boot hoch an den Wind zu gehen.
Caligula war aber ein ausgezeichneter Seemann, und er wurde mit diesem Problem fertig, indem er den sich mit Sonnenaufgang langsam drehenden Wind benutzte, um dann einige Stunden später, weit vom Roten Segler entfernt, wieder geradewegs auf die Caicos-Insel zuzusegeln, in deren Bucht schon bald der Teufel los sein würde.
Wieder verfinsterten sich Caligulas Züge – denn diesen verfluchten Viermaster, den hatte er erkannt, obwohl er diesem Schiff in seinem Leben noch nie begegnet war. Der gehörte Siri-Tong, der Roten Korsarin. Jedermann in der Karibik wußte das, und jedermann hatte höllischen Respekt vor ihr und dieser Galeone mit den blutroten Segeln. Bei Caligula kam auch noch hinzu, daß sie es gewesen war, die seinen Vater während der Schlacht in der Windward Passage getötet hatte, im Kampf Mann gegen Mann …
Mann gegen Mann! Caligula lachte bitter auf. Das war es ja eben! Er begriff nach all den Jahren noch nicht, wieso es dieser Frau gelungen sein konnte, seinen Vater zu überwinden. Denn Caligu, der Pirat und Herrscher über Tortuga und die gesamte Karibik, war ein Kämpfer gewesen, wie er keinen zweiten kannte. Und doch hatten ihn der Seewolf, der Wikinger und diese Rote Korsarin gejagt und geschlagen.
Geschlagen? Nein, vernichtet hatten sie Caligu. Seine ganze Flotte in dieser einen, entsetzlichen Schlacht vernichtet und in alle Winde verstreut. In jener Schlacht, über die man auch heute noch immer wieder an den Lagerfeuern der Karibik sprach. Und dann dieser verrückte Wikinger mit seinem Helm, seinen Fellen, seinem unheimlichen Schwarzen Segler! Er war vor aller Augen mit seinem ganzen damaligen Schiff, einer riesigen Galeone, in die Luft geflogen, während jener Schlacht. Wieso lebte dieser Kerl denn noch, wieso war er wieder da?
Fragen über Fragen – und Caligula wußte sie sich nicht zu beantworten. Aber er verspürte plötzlich so ein Gefühl in der Magengrube, das ihn warnte, sich mit diesen Gegnern anzulegen. Denn indem nun auch noch die Rote Korsarin eingriff, stand für Caligula fest, daß auch diese rätselhaften Araukaner zu den Bewohnern dieser geheimnisvollen Insel gehörten. Die Piraten erzählten auf Tortuga, daß dieser dreimal verfluchte Seewolf, der noch schlimmer sein sollte als alle übrigen zusammengenommen, die Insel nur durch einen Pakt mit dem Teufel bekommen habe. Das sei auch der Grund, warum ihn niemand je hatte besiegen können. Caligu nicht, die Spanier nicht, Don Bosco nicht, der ihn schon in Ketten gelegt hatte und bis ins Innere der Insel vorgedrungen sein sollte. Auch sonst keinem von all denen, die es versucht hatten, war das geglückt.
Wieder fluchte Caligula vor sich hin, aber dann begann er nachzudenken. Dabei kam er zu einem Ergebnis, das sich für die Rote Korsarin und alle, die sich an Bord ihres Schiffes befanden, noch höchst bedrohlich auswirken sollte.
Ja – so würde es klappen! Diesmal sollte die Rote Korsarin dran glauben und dann die Schlangeninsel. Hatte man sie erst erledigt, war man schon mal einen verdammt gefährlichen Feind los. Vom Seewolf aber wußte man in der Karibik, daß er sie verlassen hatte, und es war ungewiß, wann er wieder zurückkehren werde. Die Zeit bis dahin jedoch – die mußte man nutzen.
Caligula grinste plötzlich, dann feuerte er seine Männer an. Trotz des Segels griffen sie zu den Paddeln und beschleunigten die Fahrt des Auslegerbootes noch, dem seine pechschwarze Farbe hervorragende Dienste erwiesen hatte. Denn es war von Bord des Viermasters der Roten Korsarin so wenig bemerkt worden, wie es Tatona und ihre Schlangenkriegerinnen bemerkt hatten.
Caligula erreichte die Bucht, in der die Black Queen schon unruhig auf ihn wartete, gegen Mittag. Er verlor keine Zeit, sondern eilte sofort zu ihr.
Auch sie stieß erbitterte Verwünschungen aus, als sie hörte, wer sich da im Anmarsch auf die Insel befand. Nicht, daß sie sich vor der Roten Korsarin fürchtete, aber sie war eine gerissene und äußerst gefährliche Gegnerin, das war der Queen sofort klar. Nein, leichtes Spiel würden sie mit dieser Siri-Tong nicht haben. Und wehe ihr, wenn sie gar unterlag …
Die Black Queen dachte diesen Gedanken gar nicht erst zu Ende. Außerdem ließ ihr Caligula auch gar keine Zeit dazu.
„Wir locken sie in eine Falle. Ist ihr Viermaster erst zum Teufel, dann haben wir sie. Und er wird zum Teufel segeln, mit vollem Press, das verspreche ich dir!“
„Wie willst du das anstellen, Caligula? Gut, meine Galeone ist nicht schwächer als die von dieser gelbhäutigen Schlange. Aber hast du denn nie davon gehört, daß sie Feuer vom Himmel regnen lassen kann, das niemand zu löschen vermag?“
Caligula nickte.
„Doch, das habe ich vernommen, Queen. Aber auch wenn, ich nicht recht daran glauben mag, wir müssen uns auf so etwas einstellen. Und deshalb werden wir gar nicht erst von Schiff zu Schiff mit ihr kämpfen, sondern sie ganz anders vernichten. Auf eine Art, bei der wir händereibend zuschauen können, bevor wir dann über sie und über die, die danach noch leben, herfallen!“
Die Queen sah ihren Unterführer an.
„Was führst du im Schilde, Caligula? Wenn du so sprichst, dann weißt du auch schon, wie du’s anstellen willst! Raus damit, und wenn wir diese Rote Korsarin in unsere Gewalt bringen, dann verspreche ich dir eine Nacht, wie du sie noch nie in deinem Leben erlebt hast. Mein Wort darauf!“
Caligula grinste. Seine großen Hände fuhren über die Brüste der Black Queen, aber sie bremste ihn.
„Wenn wir die Rote Korsarin haben, sagte ich“, wehrte sie ihn ab, aber ihr Gesicht strafte sie Lügen.
Doch Caligula ging auf ihr Spiel ein.
„Gut, unser Handel gilt. Und nun hör mir gut zu, Queen!“
Er beugte sich vor und begann zu sprechen.
„Diese Arkana, diese Hohepriesterin der Araukaner, verbringen wir auf dein Schiff. Mit ihr eine Anzahl ihrer Kriegerinnen. Der Rest bleibt hier. Sie werden gut sichtbar für jedermann an die Palmen gebunden. Sie werden aussehen, als hätten wir sie umgebracht. Ich werde das arrangieren. Sie werden die Lockvögel sein, dem diese verfluchte Rote Korsarin auf den Leim geht. Denn sie wird die Kriegerinnen sehen. Sie wird vor lauter Zorn irgendwo dort vorne, in der Nähe des Wracks, ankern, denn auch das wird sie sehen. Ich werde dafür sorgen, daß es sie interessiert, trotzdem sie weiß, was geschehen ist.“
Die Queen rückte näher an ihn heran.
„Und wie willst du das anstellen, Caligula?“ fragte sie.
„Sie wird denken, wir hätten einige der Schlangenkriegerinnen dort an den Rahen hochgezogen, so jedenfalls wird das aussehen.