Seewölfe Paket 18. Roy Palmer

Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer


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mangelte es nicht. Carrillón mußte als erster marschieren. Ihm folgten Béjar und Hurtado, dann Romero und Lloberas.

      Es geschah, als ihr Weg über weichen grasbewachsenen Boden bergan führte.

      Wie es geschah, vermochte Carrillón später nicht mehr zu sagen. Er hörte nur die plötzlichen Alarmrufe und spürte einen Musketenlauf, der ihm auf schmerzhafte Weise in die Magengegend gerammt wurde. Nicht anders erging es Béjar und Hurtado.

      Im blakenden Licht der Ölfunzeln waren die Silhouetten von Lloberas und Romero nur noch undeutlich zu sehen, wie sie davonhasteten.

      Vier oder fünf Verfolger saßen ihnen mit wenigen Schritten Abstand im Nacken.

      Carrillón schloß verzweifelt die Augen. Romero und Lloberas hatten einen Wahnsinnsentschluß gefaßt. Diese Flucht war von vornherein zum Scheitern verurteilt.

      Schreie gellten aus der Dunkelheit.

      Carrillón riß die Augen auf.

      „Nein!“ hauchte er entsetzt. „Nein, das ist unmenschlich.“

      Die Todesschreie versiegten in einem Gurgeln. Dann war Stille.

      Duvalier stand plötzlich vor dem Sargento.

      „Ich hoffe, ihr drei habt bessere Nerven“, sagte er höhnisch. Mit einer Kopfbewegung befahl er seinen Gefolgsleuten, die Musketen wegzunehmen.

      „Ihr hättet sie sowieso erwischt“, entgegnete Carrillón tonlos, „um Himmels willen, warum mußtet ihr sie gleich umbringen?“

      „Zwei Esser weniger“, sagte Duvalier kalt, „laßt es euch eine Lehre sein. Hier, auf der Insel Comfort, gelten meine eigenen Gesetze. Wer nicht pariert, springt über die Klinge.“ Abermals wandte er sich abrupt ab und begab sich an die Spitze der Marschformation.

      Béjar und Hurtado waren kalkweiß im Gesicht. Sie brachten keinen Ton hervor und sahen ihren Sargento nur fassungslos an.

      Er senkte den Kopf und wich ihrem Blick aus. Natürlich bereiteten sie ihm Vorwürfe, einfältig wie sie waren. Aber er war nicht verantwortlich. Er hatte das Beste gewollt, ihnen die Flucht von der „Santa Teresa“ ermöglicht und versucht, sie in eine bessere Zukunft zu führen. Niemand konnte ihm einen Fehler vorwerfen. Was ihnen widerfuhr, war eine böse Fügung des Schicksals.

      Die Kerle, die Romero und Lloberas niedergestochen hatten, kehrten zurück. Im Laternenlicht, damit die Gefangenen es deutlich sehen konnten, wischten sie ihre Säbelklingen an den Hosenbeinen ab.

      Duvaliers Befehlsstimme ertönte, und die Kolonne setzte sich wieder in Bewegung. Abermals wurden die Gefangenen mit derben Stößen und Tritten vorangetrieben.

      Pedro Carrillón spürte die Schmerzen nicht. Zu sehr waren seine Sinne in Aufruhr. Er setzte einen Fuß vor den anderen, ohne sich dessen wirklich bewußt zu werden. Es war ein Gefühl, als führe dieser Weg ins Nichts.

      Er begann zu bereuen, daß sie desertiert waren. Wie gern hätte er jetzt dem Teniente und Capitán Isidoro gemeldet, welches Lumpenpack auf der Insel Comfort hauste! Ein Kommandotrupp wäre losgeschickt worden, man hätte den Piratenschlupfwinkel aufgespürt, und dann wären diese verdammten französischen Galgenstricke mit Stumpf und Stiel ausgerottet worden.

      Carrillón wußte, daß es sich bei der Insel Comfort um eins jener vielen Eilande handelte, die den Bayous der Küste vorgelagert waren. Aber was nutzte ihm dieses Wissen jetzt noch? Es war zum Verzweifeln.

      Nach einer knappen Viertelstunde erreichten sie eine windschiefe Bretterbude, die auf einer Anhöhe unter schützenden Bäumen stand. Das Hauptquartier der Piraten konnte es nicht sein, eher ein Unterschlupf, den sie vermutlich auf Kontrollgängen benutzten.

      Duvalier ließ zwei Laternen in der Hütte aufhängen, und die Gefangenen wurden hereingebracht. Außer ein paar wackligen Schemeln gab es nur Staub und Spinnengewebe.

      Carrillón, Béjar und Hurtado erhielten Befehl, sich in der Mitte der schäbigen Behausung auf den Boden zu hocken. Hinter ihnen nahmen vier Piraten als Bewacher Aufstellung, der Rest der Galgenvögel harrte draußen aus. Duvalier nahm sich einen Schemel und setzte sich den Gefangenen gegenüber. Sie waren gezwungen, zu ihm aufzublicken.

      „Die Plauderstunde ist eröffnet“, sagte der Franzose grinsend, „ich denke, ich brauche euch nicht zu erzählen, was passiert, wenn ihr die Zähne nicht auseinanderkriegt.“

      Carrillón sah Béjar und Hurtado an, und da war noch immer dieser stumme Vorwurf in ihren Augen.

      „An mir soll es nicht liegen“, sagte der Sargento, „ich will nicht allein entscheiden. Ihr wißt, über was wir reden sollen. Also?“

      „Jetzt machst du es dir leicht“, sagte Béjar erbittert, „jetzt, da wir sowieso keine Wahl mehr haben.“

      Hurtado wandte sich an den Franzosen.

      „Was geschieht mit uns, wenn wir alles erzählen?“

      „Oh, ich sagte schon, daß wir keine Schwierigkeiten miteinander haben werden, wenn ihr gesprächig seid.“ Duvalier richtete den Blick zur Decke und preßte die schlanken Finger gegeneinander. „Ich bin kein Unmensch, müßt ihr wissen. Was ich nicht leiden kann, sind unnötige Probleme.“

      Die drei Spanier einigten sich rasch.

      „Es gibt nichts zu überlegen“, sagte Béjar leise, „jeder ist sich selbst der Nächste.“

      Carrillón nickte nur. Die beiden Soldaten waren einfache Naturen, in der Tat. Es gab nichts Greifbares, auf das sie ihre Hoffnung gründen konnten. Duvalier hatte ihnen nichts versprochen. Und dennoch hofften sie.

      „Fein, fein“, sagte Duvalier salbungsvoll, „dann fangt an. Was ist mit eurem Schiff geschehen, welchen Auftrag hattet ihr? Und so weiter, und so weiter. Laßt euch die Worte nicht aus der Nase ziehen. Ich bin ein ungeduldiger Mensch.“ Er lachte gekünstelt, und die vier Bewacher stimmten pflichtschuldigst mit ein.

      Béjar und Hurtado waren einverstanden, daß Carrillón auch diesmal die Rolle des Wortführers übernahm. Er berichtete von der Begegnung mit der „Galicia“, nachdem sie aus Pensacola ausgelaufen waren. Und er bemühte sich, jede Einzelheit von dem zu schildern, was sich anschließend abgespielt hatte. Duvalier war ein Mann, dessen Unwillen man nicht gern hervorrief, das spürte Carrillón. Er war kein Feigling, doch er mußte auch an seine beiden noch lebenden Gefährten denken. Sie waren diesem verfluchten Obergalgenstrick ausgeliefert, also mußten sie versuchen, ihn zufriedenzustellen.

      Je länger der Sargento redete, desto gespannter wurde der Ausdruck in Duvaliers Augen.

      „Moment“, unterbrach ihn der Franzose mit einer heftigen Geste, als Carrillón bei der Beschreibung des Schiffbruchs angelangt war. „Ich brauche die genaue Position. Wo ist das passiert?“

      Der Sargento zog die Schultern hoch.

      „Ich bin Soldat. Von Seefahrt verstehe ich nicht viel. Ich habe nur mitgekriegt, daß von den Chandeleur-Inseln die Rede war. Die ‚Santa Teresa‘ muß also auf ein Riff vor diesen Inseln gelaufen sein. Welche Insel und welches Riff – das weiß ich beim besten Willen nicht.“

      Duvalier fixierte ihn minutenlang mit zornig funkelnden Augen. Dann blies er die Luft durch die Nase und winkte ab.

      „Also gut. Nehmen wir an, du weißt es wirklich nicht genau …“

      „Ich kann es beschwören. Was hätte ich davon, die Position der Galeone zu verheimlichen?“

      „Unterbrich mich nicht, Spanier!“ Duvaliers Gesicht verzerrte sich vor Wut. Einen Moment sah es aus, als würde er die Beherrschung verlieren und sich auf den Sargento stürzen. Aber er beruhigte sich wieder und faltete die Hände über den Knien. „Was ist mit den beiden Schiffen geschehen, die ihr verfolgt habt?“

      „Wir haben sie im Sturm aus den Augen verloren. Nein …“ Carrillón unterbrach sich, „das war schon vorher, als es dunkel wurde. Ich konnte zufällig ein Gespräch des Kapitäns und der Offiziere mithören. Sie


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