Seewölfe Paket 11. Roy Palmer
richtete er nichts aus. Vier oder fünf Indonesier waren es, die seine Arme gepackt hielten. So sehr er sich auch wand, es half nichts. Zwar mußten sie sich höllisch anstrengen, um ihn zu bändigen. Aber das gelang ihnen letztlich dank ihrer überlegenen Zahl.
Ed Carberry und die anderen konnten Dan O’Flynn nicht mehr zu Hilfe eilen.
Das Gesicht des Einäugigen war haßverzerrt, als er sich mühsam aufrappelte. In der Umgebung der Augenklappe glühte seine Stirn, in dem gesunden Auge loderte die Wut. Seine Muskeln bebten, als er langsam auf den wehrlosen jungen Mann zuging.
Einen Schritt vor ihm blieb er stehen. Ohne ein Wort und ohne Ankündigung schlug de Carvalho zu.
Dan O’Flynn schrie auf Wieder wand er sich vergeblich im Griff der Indonesier. Er konnte den gemeinen Hieben nicht ausweichen. Der Schmerz durchflutete seinen Körper wie eine alles auslöschende Woge. Der Klang seiner Schreie ging für ihn selbst in einem Rauschen unter, das seinen Kopf auszufüllen begann. Und de Carvalho hielt nicht inne.
Bewußtlosigkeit erlöste Dan O’Flynn.
Die Männer an Bord des Zweimasters entschlossen sich zu einem wahnwitzigen Manöver.
Philip Hasard Killigrew erkannte es in dem Moment, als sie begannen, es auszuführen.
„An die Brassen!“ rief er in Ben Brightons Richtung, der an der vorderen Schmuckbalustrade des Quarterdecks stand. „Kurs Süd!“
Der erste Offizier der „Isabella“ verstand sofort, und er brüllte seine Befehle mit Stentorstimme zur Kuhl hinunter. Die Lautstärke war notwendig, denn Al Conroy ließ in regelmäßigen Abständen nach wie vor die Drehbassen krachen. Und Batuti und Big Old Shane sorgten mit ihren pulvergeladenen Brandpfeilen für die hellen kleinen Detonationen an Bord der Karacke.
Jetzt allerdings ließen sie ihre Bogen fallen und hasteten gemeinsam mit den anderen los. Alle hatten sie nur darauf gewartet, zu zeigen, was in ihnen steckte. Und nun wußten sie, daß der entscheidende Moment da war. Jetzt sollten diese Himmelhunde spüren, was es hieß, sich mit der Crew des Seewolfs anzulegen – und mit ihrem Schiff, das auf den Weltmeeren nur selten seinesgleichen begegnete.
„Pete, hart Backbord!“ befahl Hasard, wobei er das Geschehen auf dem Zweimaster unverwandt beobachtete.
„Aye, aye, Sir, hart Backbord!“ schrie Pete Ballie gegen den Lärm der Drehbassen an und ließ das Steuer unter seinen Fäusten wirbeln.
Auf der Karacke quirlte die Crew durcheinander. Und es war ein wirkliches Durcheinander. Diese Indonesier konnten nicht auf jene jahrzehntelange Erfahrung bauen, die man nun einmal brauchte, um ein rahgetakeltes europäisches Schiff voll und ganz in den Griff zu kriegen. Trotz der Entfernung, jetzt wieder etwa eine Kabellänge, konnte Hasard die gellenden Befehle von Bord des Zweimasters hören. Einige der europäisch gekleideten Männer hatten ihren Platz auf dem Achterkastell verlassen und sich in die Wuhling auf der Kuhl gemischt. Das Focksegel war zu nichts mehr nutze. So blieben ihnen nur die Marssegel und das Großsegel für ihr irrsinniges Vorhaben.
Nichts anderes beabsichtigten sie, als der Galeone die Breitseite zu zeigen. Wenn es eine Herausforderung sein sollte, dann war es ein geradezu tolldreistes Unterfangen. Sie kalkulierten damit, daß sich der Seewolf dieser Herausforderung stellen würde. Zu Recht nahmen sie das an. Doch wenn sie darauf bauten, daß sie den ersten Schuß abfeuern konnten, dann mußten sie wirkliche Phantasten sein.
Die Segel der „Isabella“ begannen zu knattern, als die Rahen herumschwangen. Mit geradezu elegantem Schwung drehte die Galeone ihr Heck durch den Wind, und der Südost griff in die jetzt backgebraßten Segel.
„Al, du wirst bei den Culverinen gebraucht!“ rief Hasard.
„Aye, aye, Sir!“ Al Conroy ließ die Drehbassen mit Old O’Flynn allein und lief zum Niedergang.
Sehr schnell verlor die „Isabella“ an Fahrt, ein Ächzen und Knarren ging durch laufendes und stehendes Gut.
Drüben, auf der Karacke, waren sie gerade so weit, ihre Halse zu beginnen. Spätestens jetzt mußten sie begriffen haben, daß sie gegen die ranke Galeone und ihre in zahllosen Seegefechten siegreiche Crew hoffnungslos unterlegen waren. Hasards Männer standen bereit und warteten darauf, erneut blitzschnell zuzupakken, wenn es galt, das nächste Manöver durchzuführen.
Während Pete Ballie auf Anweisung des Seewolfs knappe Ruderkorrekturen ausführte, besorgte Al Conroy mit sicherem Blick das Richten der Culverinen.
Je acht dieser 17-Pfünder-Kanonen befanden sich an Backbord und Steuerbord. Mit ihren überlangen Rohren hatten die Culverinen eine enorme Reichweite und überdurchschnittliche Treffgenauigkeit.
Trotz intensiver Beobachtung hatte Hasard bislang noch keinen Namenszug am Heck der Karacke entdecken können.
Der Zweimaster hatte die Halse noch nicht vollendet, als der Seewolf Feuerbefehl gab.
Der Lage entsprechend ließ Al Conroy zunächst vier Culverinen abfeuern. Ein urgewaltiges Donnern lief durch den Schiffsrumpf, doch die „Isabella“ krängte nur leicht nach Steuerbord. Auch in dieser Hinsicht stellte die Galeone die Meisterleistung ihres englischen Erbauers unter Beweis.
Vier Feuerzungen leckten aus den offenen Stückpforten, dichte Wolken von Pulverrauch stiegen auf. Im Nachhall des Kanonendonners war das Rauschen der Kugeln nur noch schwach zu hören.
Von der Karacke tönte ein vielstimmiger Entsetzensschrei herüber.
Der Seewolf lächelte grimmig. Wie es schien, hatten die Indonesier niemals ein Seegefecht dieser Art erlebt. Dabei war es für sie nur ein Anfang. Zu einem wirklich ernstzunehmenden Gegenschlag sollte der Zweimaster nicht kommen.
Zwei der 17-Pfünder-Kugeln orgelten flach über das Vordeck der Karacke weg. Die Schreie verdichteten sich.
Die beiden anderen Kugeln krachten mit geringem Abstand in den Steuerbordbug des Zweimasters. Knapp über der Wasserlinie.
Jetzt, endlich, zeigte er der „Isabella“ seine volle Breitseite. Und völlig überhastet wurden die Geschütze abgefeuert.
Schon am Winkel der aus den Stückpforten zuckenden grellroten Blitze erkannte Hasard, daß die Visierlinie viel zu tief lag.
Al Conroy reagierte mit der gewohnten Präzision. Aus den ersten beiden Treffern und den beiden Fehlschüssen hatte er in Sekundenschnelle seine Schlüsse gezogen und die vier anderen Culverinen nachgerichtet.
Jetzt stießen sie ihr furchterregendes Brüllen aus – haargenau in dem Moment, als die Kugeln der Karacke weit vor der Galeone mächtige Fontänen aus der Wasseroberfläche rissen.
Die Antwort von der „Isabella“ folgte prompt. Das schmetternde Krachen der Einschläge war überdeutlich zu hören. Diesmal waren es vier Treffer, die allesamt in der Wasserlinie lagen. Für Al Conroy war das nichts Ungewöhnliches. Er hatte seine Meisterleistungen schon unter weit schwierigeren Umständen vollbracht.
Die Männer auf der Kuhl der Galeone stimmten Triumphgebrüll an. Dann vereinten sich ihre Stimmen zu jenem Schlachtruf, der schon zahlreichen Gegnern zur See einen Schauer über den Rücken gejagt hatte.
„Ar – we – nack! Ar – we – nack!“
Hasard und Ben Brighton stimmten mit ein in diesen alten Kampfruf derer von der Feste Arwenack in Cornwall, und der Seewolf glaubte gar, die hellen Stimmen seiner Söhne herauszuhören.
Al Conroy gab sich nicht zufrieden, obwohl der Zweimaster rapide nach Steuerbord zu krängen begann. Den Schlachtruf noch immer auf den Lippen, luden der Stückmeister und die anderen die Culverinen neu.
Während der Pulverrauch verflog, beobachtete Hasard das Geschehen an Bord der Karacke. Panik war dort drüben ausgebrochen. Die ersten braunhäutigen Gestalten stürzten sich an Backbord in die See – trotz des Gebrülls jener europäisch gekleideten Männer, die offenkundig dieses Schiff befehligten.
Der Seewolf schwenkte das Spektiv zur Insel. Was er dort am Strand erblickte, ließ das Blut in seinen Adern gefrieren. Und hatte