Seewölfe Paket 11. Roy Palmer
und sie sind gezwungen, unsere Leute freizulassen.“
„Richtig!“ schrien die anderen. „Eine bessere Gelegenheit kriegen wir nicht wieder!“
„Ruhe!“ befahl der Seewolf mit einer energischen Handbewegung. „Genau das werden wir nicht tun. Ed Carberry und den anderen ist nicht damit geholfen, wenn wir jetzt Druck ausüben. Auf der Insel haben sie immerhin sechs Gefangene, und wir hätten nur den einen als Gegengewicht.“
Dieses Argument zog. Betreten preßten die Männer die Lippen aufeinander.
„Wenn der Mann an Bord kommt“, fuhr Hasard fort, „werdet ihr euch alle sehr ruhig verhalten. Überlaßt das Verhandeln mir, und ihr könnt sicher sein, daß ich das Mögliche herausholen werde. Was wir später tun werden, entscheiden wir dann. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“
„Aye, aye, Sir“, murmelten sie bedrückt. Aber sie sahen ein, daß der Seewolf letzten Endes doch recht hatte.
Auch Old Donegal Daniel O’Flynn nickte zähneknirschend, als Hasard sich umdrehte und ihn mit einem fragenden Blick bedachte.
„Ben“, sagte der Seewolf, „ich möchte, daß du dabei bist, wenn ich mit dem Burschen rede. Vor allem soll es ruhig und sachlich zugehen. Es hat keinen Sinn, wenn wir jetzt anfangen, verrückt zu spielen.“
„In Ordnung“, entgegnete Ben Brighton knapp.
Gemeinsam stiegen sie den Niedergang hinunter. Das Auslegerboot war mittlerweile auf Steinwurfweite heran. Durch eine der Pforten im Schanzkleid ließen die Männer widerwillig die Jakobsleiter hinunter. Dann wichen sie zurück, wie Hasard es anordnete. Um den Großmast herum bildeten sie eine schweigende Front voller Ingrimm.
„Gentlemen!“ rief der Einäugige aus dem Boot herauf. „Ist es erlaubt, an Bord zu kommen?“
Hasard und Ben Brighton waren an das Schanzkleid getreten.
„Wir erwarten Sie“, antwortete der Seewolf beherrscht. „Es wird Ihnen nichts passieren.“
„Damit rechne ich auch nicht!“ rief Kapitän Einauge sarkastisch und lachte.
Dann erreichte sein Boot die Jakobsleiter. Er ließ die Stange mit der weißen Fahne zurück und kletterte zum Schanzkleid hinauf. Die Indonesier blieben im Boot. Ihre Mienen spiegelten deutliches Unbehagen. Das große fremde Schiff war ihnen nicht ganz geheuer.
Hasard und Ben Brighton begrüßten den falschen Schiffbrüchigen mit einem reservierten Nicken.
„Gestatten Sie, daß ich mich zunächst vorstelle“, sagte er salbungsvoll, „mein Name ist Laurindo de Carvalho. Ich bin Portugiese und war Kapitän jenes Schiffes, das Sie soeben versenkt haben.“
„Das geschah nicht aus einer Laune von uns“, entgegnete Hasard ruhig. Er nannte seinen Namen und stellte auch Ben Brighton vor.
De Carvalho antwortete mit einer beschwichtigenden Handbewegung.
„Gemach, gemach, Gentlemen. Regen Sie sich nicht auf. Ich spüre natürlich die Welle der Feindseligkeit, die mir an Bord dieses schönen Schiffes entgegenschlägt. Wieviel angenehmer wäre es, auf einem solchen stattlichen Schiff ein gern gesehener Gast zu sein! Aber man kann nun einmal nicht alles haben.“ Er seufzte. „Oder vielleicht doch?“
Hasard hatte von Anfang an keine Sympathie für den Portugiesen empfunden. Jetzt aber spürte er, wie sich Abscheu in ihm entwickelte. Der Kerl war ölig wie eine eingelegte Sardine!
„Ich nehme an, Sie wollen mit uns verhandeln“, sagte der Seewolf und bemühte sich, wenigstens äußerlich gelassen zu bleiben. „Dazu schlage ich vor, daß wir uns in meine Kammer begeben.“
„Verhandeln ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort“, erwiderte de Carvalho leutselig. „Aber natürlich bin ich mit ihrem Vorschlag einverstanden, Mister Killigrew.“
„Das ist nicht Mister Killigrew!“ schrie Old O’Flynn vom Achterkastell. „Das ist Sir Hasard! Die Königin von England hat ihn zum Ritter geschlagen!“
Der Seewolf drehte sich um. Ein Blick von ihm genügte, und der Alte zog sich schmollend von der Balustrade zurück.
Laurindo de Carvalho deutete eine Verbeugung an.
„Ich bitte vielmals um Vergebung, Sir Hasard. Es ist mir eine große Ehre, einem Ritter ihrer Majestät, der Königin von England, zu begegnen. Noch mehr ehrt es Sie, Sir Hasard, daß Sie Ihren Rang zu erwähnen vergaßen.“
„Ich legte keinen Wert darauf“, sagte der Seewolf, obwohl er wußte, daß der andere nur spottete. Er brauchte zunehmend mehr Kraft, um sich angesichts dieses öligen Halunken zu beherrschen. Doch er beging auch nicht den Fehler, de Carvalho zu unterschätzen. Hinter seinem Salbadern verbarg sich vermutlich nur, wie gefährlich er tatsächlich war.
„Nach meinem ersten Eindruck“, sagte de Carvalho mit falschem Lächeln, „schätze ich Sie als einen Mann ein, der sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen braucht. Aber bevor wir uns in Ihre Kammer zurückziehen, möchte ich noch auf eines hinweisen: Etwaige tätliche Angriffe auf meine Person wären in höchstem Maße unbedacht. Ich darf in diesem Zusammenhang an unseren kleinen Aufmarsch erinnern, den Sie dort am Strand von Seribu sehen. Jeder hier an Bord wird sich vermutlich leicht vorstellen können, was mit einem oder mehreren der sechs tapferen Männer passieren würde, wenn man annehmen müßte, daß ich um Leib und Leben fürchten muß.“
Ferris Tucker spie demonstrativ über Bord. Voller Verachtung.
Sonst war kein Laut von der Crew zu hören.
Was blieb, war jene Welle der Feindseligkeit, von der der Portugiese so wohlklingend gesprochen hatte.
„Die Männer sind bereits darauf hingewiesen worden“, sagte Ben Brighton schneidend.
Laurindo de Carvalho zog die Braue über dem gesunden Auge hoch und musterte den ersten Offizier mit unverkennbarem Hohn.
Doch Ben Brighton war kein Mann, der sich durch so etwas herausfordern ließ.
„Gehen wir“, entschied der Seewolf knapp.
De Carvalho bedankte sich mit einer wiederum angedeuteten Verbeugung und folgte den beiden Männern in die Kapitänskammer. Drinnen atmete er hörbar auf.
„Ich muß gestehen, Gentlemen, mir war dort draußen nicht ganz wohl. Aber ich glaube, Sie können mir das nachfühlen. Ihnen würde es in meiner Lage sicherlich nicht anders ergehen.“
Der Seewolf baute sich vor ihm auf und stützte die Fäuste in die Hüften.
„Ich an Ihrer Stelle, Senhor de Carvalho, würde mich in Grund und Boden schämen.“
Der Portugiese lachte leise. Unaufgefordert setzte er sich an den Tisch.
Wohl oder übel folgten Hasard und Ben Brighton seinem Beispiel. Ihre Nerven vibrierten. Beide mußten sich zwingen, nicht an ihre Gefährten zu denken, die in Ketten gelegt worden waren. Und noch mehr mußten sie sich zwingen, diesen öltriefenden Hundesohn nicht unangespitzt zwischen die Schiffsplanken zu treiben.
„Gentlemen, ich muß Ihnen einiges erklären“, begann de Carvalho mit einer ausladenden Handbewegung.
„Dazu haben Sie allen Grund“, sagte Hasard.
Kapitän Einauge blieb ungerührt.
„Dabei wäre ich von einem guten Tropfen sehr angetan, Gentlemen. Wissen Sie, vom vielen Reden kriege ich immer leicht eine trockene Kehle.“
„Sie brauchen nicht viel zu reden“, knurrte Ben Brighton, „geben Sie die Gefangenen heraus, und der Fall ist erledigt.“
Hasard blieb ruhig. Er wußte mittlerweile, wie er diese portugiesische Ölsardine einzuschätzen hatte. Der Bursche leistete sich Unverschämtheiten am laufenden Band – weil er wußte, daß er sie sich leisten konnte.
Laurindo de Carvalho lachte abermals.
„Aber, aber,