Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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die besten Aussichten hat, nicht gleich gefressen zu werden, weil sie zuerst sein Holzbein für das Feuerchen brauchen. Außerdem dürfte der alte Knochen ziemlich zäh sein. Vielleicht kochen sie aus ihm nur ’ne labbrige Geisterbrühe mit Holzbeineinlage und so.“

      Der Kutscher gab es auf, die Kerle weiter belehren zu wollen. Die faselten doch immer nur dasselbe. Der Alte quatschte von den Arwenacks, und Carberry ließ sich über Menschenfresser aus. Leise vor sich hin fluchend, lehnte er sich an die stabile Wand der Hütte zurück. Sollen sie sich gegenseitig anpflaumen, bis sie müde werden, dachte er. Ihm ging das allmählich auf die Nerven.

      „An werdenden Vätern vergreifen sie sich nicht“, murmelte Old O’Flynn verdrossen. „Ich werde gleich morgen mit dem Häuptling der Arwenacks sprechen und ihm das verklaren. Wer soll denn sonst meine Drillinge aufziehen?“

      „Wer sagt denn, daß es Drillinge werden?“ fragte Carberry höhnisch. „Du bringst doch höchstens noch ’ne halbe Kakerlake zustande.“

      „Dafür bringst du gar nichts zuwege, nicht mal einen lausigen Bilgenfloh, und wenn, dann ist der bestenfalls noch quergeriggt und triefäugig! Ich habe jedenfalls schon acht Stapelläufe hinter mir!“

      „Du verschweigst bloß, wie oft du schon aufgebrummt bist“, spottete Carberry. „Du bist ja schon dafür berüchtigt, daß du jedesmal mit deinem oder einem anderen Kahn auf die Korallen oder Sandbänke aufsegelst.“

      Jetzt lassen sie ihren Ärger aufeinander dahin gehend ab, daß sie sich menschliche Schwächen vorwerfen, dachte der Kutscher. Die Motzerei würde in dieser Nacht wohl so schnell kein Ende nehmen. Aber verdammt ärgerlich war das schon, was sich Old Donegal wieder mal geleistet hatte. Da verstand er schon den Profos, wenn der vor Hohn nur so triefte.

      „Sollten wir nicht lieber unsere augenblickliche Situation besprechen?“ fragte Martin Correa leise. „Wir wissen nicht einmal genau, wie es um uns herum aussieht, wie groß dieses Pfahldorf ist, wie viele Indianer es gibt und was der Dinge mehr sind.“

      „Klar! Ich denke dauernd darüber nach“, sagte Old O’Flynn, „aber dieser Mister Carberry muß ja ständig rumstänkern.“

      „Kein Wunder“, sagte der Profos, „dir haben wir ja diesen ganzen Affenzirkus zu verdanken. Da wird wohl mal ein leiser und freundlicher Vorwurf angebracht sein.“

      „Ha! Leise – freundlich! Du beleidigst mich am laufenden Band. Und das nennst du freundliche Vorwürfe, was? Verklar deine blöden Sprüche doch dem heiligen Inselgeist, der ist dafür zuständig! Davon sind selbst meine Enkelchen überzeugt. Oder was meint ihr?“

      Old O’Flynn suchte wieder mal nach hilfreichem Beistand.

      Aber wovon seine „Enkelchen“ überzeugt waren, das verklarte ihm Hasard junior auf reichlich trockene Art, denn den beiden ging es jetzt langsam auch auf die Nerven. Hier mußte etwas geschehen, hier mußte gehandelt und durften keine Sprüche geklopft werden.

      „Ich sehe das noch ganz anders“, sagte er trocken. „Die Indianer haben uns sämtliche Waffen abgenommen und uns nichts mehr gelassen. Ist das richtig?“

      „Natürlich ist das richtig“, sagte Old O’Flynn, „oder hast du vielleicht noch eine verstecken können?“

      „Ich nicht, aber du, Granddad. Dein Stilett in der Hohlkammer vom Holzbein haben sie nicht gefunden, obwohl du das Holzbein so großzügig herumgezeigt hast. Die Kerle haben es auch noch neugierig beklopft und bestaunt. Ich schätze, das Messer dürfte sich noch darin befinden, also sind wir nicht ganz waffenlos.“

      „Natürlich“, sagte Old Donegal verblüfft. Ferris Tucker hatte ja schon vorsorglich ein zweites Holzbein gezimmert, das stets griffbereit auf der „Empress“ lag. Da war, wie im anderen, wieder eine Hohlkammer hineingebohrt worden, in der sich das Stilett befand. Sein anderes Holzbein war ja in der „Geisterhöhle“ restlos in Trümmer gegangen, in die er so übergangslos hineingefallen oder gerutscht war.

      Jetzt begann Old O’Flynn leise zu kichern.

      „Ja, das Stilett! Das habe ich. Damit könnte man den Häuptling Arwenack ein bißchen am Hals kitzeln. Eine feine Idee ist das.“

      Old O’Flynn kicherte erneut und rieb sich in der Dunkelheit die Hände, daß es sich anhörte, als würden Termiten durch den Pfahlbau geistern!

      „Der Häuptling heißt nicht Arwenack, verdammt!“ zischte Carberry erbost. „Merk dir das endlich, du mißratene Seegurke!“

      „Wie heißt er denn?“

      Der Profos fuhr fast aus der Haut wegen der dämlichen Fragerei.

      „Weiß ich doch nicht. Vielleicht ist das Häuptling Graue Salbe oder Geisterwolke. Frag ihn doch selbst!“

      „Ich habe eigentlich nicht daran gedacht, den Häuptling mit dem Stilett zu kitzeln“, bemerkte Jung Hasard bescheiden. „Davon werden wir nicht viel haben.“

      „Aber er hat was davon“, sagte Old Donegal voller Eifer.

      Hasard junior schüttelte in der Dunkelheit den Kopf.

      „Ich meine etwas anderes. Wir haben doch die Möglichkeit, mit dem Stilett das Dach der Hütte zu bearbeiten und ein Loch hineinzuschneiden. Durch dieses Loch könnten wir dann hinausklettern. Das Dach ist nicht so stabil wie die Wände. Es ist mit Längs- und Querstreben versehen, so einer Art Gitterwerk, und gedeckt ist es mit schweren Palmwedeln. Sehr schwer kann das Ausbrechen nicht sein.“

      Der Profos klatschte sich die Hand vor die Stirn.

      „Himmel, sind wir Idioten“, sagte er verhalten. „Da öden wir uns gegenseitig an, und inzwischen denkt dieses Rübenschweinchen prächtig nach, wie man von hier flüchten kann. Der hat im Handumdrehen eine Lösung zur Flucht gefunden. Fein ausgedacht, mein Junge“, lobte er.

      „Bleibt noch die Frage offen, wie wir die ungastliche Stätte hier verlassen können“, meinte Nils Larsen. „Das Pfahlhaus scheint mitten im See zu stehen. Vielleicht gibt es hier Krokodile, Schlangen oder andere feine Viecher.“

      „Das können wir leider nicht ändern“, sagte Carberry. „Ich glaube aber, ich habe im Mondschein etliche Kanus an einer anderen Hütte gesehen. Außerdem hat man uns ja auch im Kanu hergebracht, also müssen hier welche in der Nähe sein. Vielleicht liegt auch unter unserer Hütte so ein Ding. Mir ist es lieber, auf Krokodile zu stoßen, als in den Fleischtöpfen dieser Kerle zu landen und gesotten zu werden.“

      Der Profos war nicht davon abzubringen, bei den Kannibalen gelandet zu sein. Mittlerweile war das bei ihm zur fixen Idee geworden.

      „Das sind keine Menschenfresser“, betonte der Kutscher noch einmal ausdrücklich.

      Carberry schüttelte nur grimmig den Kopf.

      „Darauf kann man sich nicht verlassen. Wenn wir erst in einem solchen Kessel schmoren, ist es zu spät. Dann werfen die etwas Kraut und Sellerie mit Mohrrüben hinein, und der Oberfresser schmeckt die Suppe ab. Dann kann ich mit deiner Ansicht überhaupt nichts mehr anfangen.“

      Der schmalbrüstige Kutscher rang die Hände.

      „Hier gibt es keinen Oberfresser, der die Suppe abschmeckt, und hier wachsen weder Sellerie noch Mohrrüben“, sagte er erbittert.

      „Wenn du keine gesehen hast, heißt das noch lange nicht, daß hier auch keine wachsen. Ich verlasse mich auf meinen gesunden Menschenverstand.“

      „Dann bist du ja sehr verlassen“, knurrte der Kutscher, „der einsamste Mann der Welt sozusagen.“

      Der „einsamste Mann der Welt“ fluchte verhalten.

      „Fangen wir nun endlich an“, fragte er, „oder halten wir erst weitere Palaver ab?“

      Der Kutscher gab keine Antwort. Er schien von der bevorstehenden Flucht nicht sonderlich begeistert zu sein. Aber dafür waren die anderen alle Feuer und Flamme.

      


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