Liebe in Zeiten des Kapitalismus. Robert Misik

Liebe in Zeiten des Kapitalismus - Robert Misik


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      ROBERT MISIK

       LIEBE IN ZEITEN DES KAPITALISMUS

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      ROBERT MISIK arbeitet regelmäßig für die in Deutschland erscheinende taz sowie für die in Österreich erscheinenden Zeitschriften profil und Falter, des Weiteren betreibt er auf der Website der Tageszeitung Der Standard einen Videoblog. Er ist Sachbuchautor, etwa des Theoriebestsellers Genial dagegen, publizierte bisher bei Aufbau und Picus. Jüngste Publikation: Christian Kern. Ein Porträt. Residenz Verlag 2017.

       EINLEITUNG – STAY STRONG, STAY BRAVE, STAY REBEL

       #ANGST #UNSICHERHEIT

       #VERDRUSS

       #GLEICHHEIT #UNGLEICHHEIT

       #GEGEN INTEGRATION

       #FREIHEIT

       #WERTE #IDEALE

       #PATRIOTISMUS

       #WAREN #ÄSTHETIK

       #LIEBE #KAPITALISMUS #TINDERISIERUNG

       #UTOPIE

       #CELEBRITY #POP

       #SCHULDEN

       #EXPERTE

       #MORAL #MARKTWIRTSCHAFT

       #KOLLAPS

       #TEMPO #ENTSCHLEUNIGUNG

       #ERFOLG #KRITIK DES ERFOLGS

       #OPTIMISMUS #PESSIMISMUS

       #SPIESSIGKEIT

       #IRONIE

       #TOLERANZ

       #GEGEN IDENTITÄT

       #GLÜCK

       EINLEITUNG – STAY STRONG, STAY BRAVE, STAY REBEL

      BEGRIFFE

      Wir brauchen Begriffe, um unsere Welt zu begreifen – oder auch um nur uns selbst zu verstehen. Es gibt das bekannte antiintellektuelle Vorurteil, dass Begriffe doch nur Worte seien, das tiefe Verstehen aber eine Sache der Gefühle ist, die präzise Arbeit am Begriff aber nur etwas für leidenschaftslose Bücherwürmer. Das ist natürlich Unsinn aus der Esoterikabteilung der Ratgeberliteratur. Ohne klar durchdachte Begriffe können wir gar nichts verstehen. In Wirklichkeit nicht einmal fühlen. Wer beispielsweise Liebe und existenzielles Zusammengehörigkeitsgefühl nicht vom temporären Rausch von Begehren und Verliebtheit unterscheiden kann, weiß nicht, wie er oder sie fühlt. Wer es unterscheiden kann, der hat dafür Begriffe, auch wenn er sich einredet, dass er sie nicht benötigt. Denn: Wir denken in Worten, wir reflektieren unsere Empfindungen, wir fühlen und horchen in uns hinein, aber wir tun das, auch wenn wir nicht sprechen, mit den Begriffen, die uns zur Verfügung stehen. Erlebnisse werden zur Erfahrung, indem wir sie verarbeiten, und das geschieht andauernd über die Sprache – auch über Selbstgespräche.

      „Die Behauptung, dass ich eine absolut persönliche Erfahrung mache, ist unsinnig: ich kann überhaupt keine Erfahrung außerhalb einer Sprache machen, mittels derer ich sie erfassen kann“, sagt der britische Theorieguru Terry Eagleton, und fügt hinzu: „Das Charakteristikum der ‚lingusitischen Revolution‘ … ist die Erkenntnis, dass Bedeutung nicht einfach etwas von Sprache ‚Ausgedrücktes‘ oder ‚Widergespiegeltes‘ ist: sie wird durch sie überhaupt erst hergestellt.“

      ZEITDIAGNOSEN

      „Stichworte zur geistigen Situation der Zeit“ hieß ein legendärer Suhrkamp-Band, den Jürgen Habermas vor beinahe vierzig Jahren herausgebracht hat. Eine Zeit beschreiben, ihre Umbrüche und Veränderungen, auch den Zeitgeist, wohin er führt, was er aus den Menschen macht, die Umstände, die wir produzieren, aber deren Produkte wir auch sind – all das kann man nicht abschließen, während man noch in einer Zeit drinnen steckt. Es sind eher Versuchsanordnungen, Andeutungen, die sich für essayistische Skizzen eignen, nicht für geschlossene resümierende Habilitationen. Die Zeitdiagnosen, die in diesem Buch versucht werden, sind auch um Begriffe gruppiert. 33 Begriffe, 33 Thematiken: von Liebe bis Kollaps, von Angst bis Freiheit, von Erfolg über Ironie bis Identität, Warenkonsum oder Integration – und Glück. Die Texte haben sich in den vergangenen siebzehn Jahren angesammelt. Manche wurden eigens für diesen Band geschrieben, andere beruhen auf Vorträgen oder Universitätsvorlesungen, wieder andere auf Texten, die in verschiedenen Zeitschriften erschienen sind, etwa im „Falter“, in der deutschen „tageszeitung“, dem Berliner „Freitag“, der „Neuen Zürcher Zeitung“ oder dem „profil“. Die Absicht war, sie so zu montieren, dass sie ein Panorama der Jetztzeit ergeben.

      Für die Titel wurden bewusst Signalwörter, Catchphrases, benutzt, die mit einem #Hashtag versehen sind. Der Hashtag selbst ist schon Symbol für die Aufmerksamkeitsökonomie der Gegenwart, in der nur wahrgenommen wird, was ausreichend schnell ins Auge springt und zugleich verknüpfbar und verschlagwortet ist und im Internet gefunden werden kann: dem großen Archiv des Wissens, das den Vorteil hat, dass man alles darin findet, aber auch den Nachteil, dass man nichts mehr darin findet.

      INTENSITÄT

      „Nur der Einverstandene hat Chancen, die Welt zu ändern“, formulierte Walter Benjamin. Einverständnis heißt nicht, den Umständen zuzustimmen, sich Kritik zu versagen. Einverstanden heißt, mit seiner Zeit einverstanden zu sein, sich ihr auszusetzen,


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