Schwarzes Gold. Dominique Manotti

Schwarzes Gold - Dominique  Manotti


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Leccia, ich bitte Sie, bei dieser Ermittlung jeden Schritt zu überwachen. Man kann nicht vorsichtig genug sein, sie darf nicht außer Kontrolle geraten, lassen wir uns nicht überrumpeln. Ich zähle auf Sie, wie immer.«

      Daquin wird am frühen Vormittag zum Direktor des SRPJ Marseille bestellt, der ihn sehr freundlich empfängt. Nicht unbedingt ein gutes Zeichen.

      »Ein Mord letzte Nacht in Nizza, das Opfer, Maxime Pieri, ist eine vielschichtige Persönlichkeit, ein bedeutender Marseiller Unternehmer mit einer bewegten Vergangenheit, was seine frühen Jahre betrifft. Grimbert wird Ihnen mehr dazu sagen. Der Staatsanwalt von Nizza hat uns im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens mit dem Fall betraut. Ich habe mich mit Richter Bonnefoy beraten, er denkt, die Sache in Belle de Mai ist eine klassische Abrechnung unter Gangstern, und hat nicht vor, eine ausufernde Ermittlung einzuleiten. Sie werden bei diesem Dossier nicht mit Arbeit überlastet sein. Ich habe daher entschieden, Ihnen auch den Fall Pieri zu übertragen, Ihnen und Ihrem Team. Für Sie ist das eine Gelegenheit, sich warmzulaufen. Hier ist das, was uns Nizza per Telex übermittelt hat.« Der Chef reicht Daquin eine dünne Mappe, nur wenige Zettel. »Sie finden darin die Polizeiberichte vom Tatort, die Zeugenaussagen, die an Ort und Stelle aufgenommen wurden, und die Kontaktdaten des Büros vom Staatsanwalt von Nizza. Inspecteur Bonino ist Ihr Ansprechpartner in der dortigen Dienststelle des SRPJ. Sie haben seine Kontaktdaten in der Akte, er ist informiert und erwartet Ihren Anruf. Viel Glück, Daquin.«

      Daquin nimmt die Akte, das Gesicht ausdruckslos, ohne Reaktion. »Danke, Herr Direktor.«

      Er steht auf und geht hinaus. Jagd auf Niçoiser Territorium, das Opfer eine vielschichtige Persönlichkeit. Ein Auftrag, der stinkt? Vielleicht, aber beschleunigtes Verfahren, eine Chance. Er muss versuchen, sie voll und ganz zu nutzen. Daquin kehrt zurück zu Grimbert und Delmas, die in ihrem Büro auf ihn warten.

      »Was wollte der Direktor?«

      »Er überträgt uns das Dossier zum Mord an Maxime Pieri vergangene Nacht.«

      Grimbert stößt einen überraschten Pfiff aus. »Ich habe die Nachricht von seiner Ermordung heute Morgen im Radio gehört, ich hätte nie gedacht, dass wir eine Chance haben, diesen Fall zu erben.« Daquin hört die Aufregung in seiner Stimme. »Klären Sie uns auf, Commissaire.«

      »Der Staatsanwalt von Nizza hat sich für ein beschleunigtes Verfahren entschieden, das unter seiner Aufsicht bleibt, und er hat den SRPJ von Marseille eingesetzt. Der Chef hat uns mit der Ermittlung betraut, mehr weiß ich nicht. Hier ist die Akte, dünn, klar, der Mann wurde vor sieben Stunden getötet. Wir lesen sie und sprechen dann darüber.«

      Ein paar Minuten später: »Was denken Sie, Grimbert? Motorrad, großes Kaliber, zehn Schüsse, ist es die x-te Abrechnung im Milieu?«

      Grimbert zögert. Brauen zusammengezogen, keine Spur mehr von seinem schiefen Lächeln. Dann legt er los. »Ich stelle gewaltige Ungereimtheiten fest. Erstens mal ist die Exekution zu sauber. Der Mörder schießt nicht aus nächster Nähe, trotzdem trifft er die Frau an Pieris Arm nicht, keine Sachschäden ringsum, die Killer aus dem Milieu arbeiten selten so präzise. Dann die Persönlichkeit von Pieri. Er war zwar einer der Kapitäne von Antoine Guérini, aber vor etwa zehn Jahren hat er auf Geschäftsmann umgesattelt. Heutzutage ist er im Wirtschaftsleben von Marseille ein bekannter Mann, er besitzt eine Firma, die Somar, die ein Dutzend Frachter im Einsatz hat. Ich sehe nicht, dass er sich an den aktuellen Machtkämpfen der Clans beteiligt.«

      »Dem Chef zufolge wissen Sie etwas mehr darüber, als Sie uns sagen.«

      Grimbert zögert, entschließt sich dann. »Pieri gehört zu der Generation Korsen, die bei Kriegsende und in der Nachkriegszeit enge Beziehungen zur Politik geknüpft haben. Er stand in dem Ruf, Geschäfte an der Grenze der Legalität zu machen …«

      »Auf welcher Seite der Grenze? Diesseits oder jenseits?«

      »Jenseits natürlich, das ist doch der Sinn der Redewendung, und zwar mit etlichen Mitgliedern der feinen Marseiller Gesellschaft. Aber das sind bloß Gerüchte, ich habe keinerlei konkreten Beweis.«

      »Das könnte ein guter Grund dafür sein, erschossen zu werden.«

      »Ja, sicher.«

      »Ist es denkbar, dass eine Abrechnung im Milieu inszeniert wurde, um eine gründliche Ermittlung zu verhindern?«

      »Das wäre amüsant. Und schlau, mitten im Krieg von Zampa gegen Le Belge. Man könnte glatt auf die Idee kommen, die zehn Kugeln, die man auf Pieri abgegeben hat, wären eine Art Anspielung auf die zehn Kugeln, mit denen Antoine Guérini erschossen wurde. Einfach um sicherzugehen, dass wir die Parallele ziehen.«

      »Wie sind unsere Beziehungen zu den Kollegen in Nizza?«

      »Kompliziert. Nizza und Marseille sind zwei unterschiedliche Städte. Nicht die gleiche Bevölkerung, nicht die gleichen Politiker. Nicht die gleichen Banditen und nicht die gleichen Bullen. Da wir nicht sehr regelmäßig zusammenarbeiten, sind die Beziehungen ansonsten nicht katastrophal. Ich würde sagen, auf der Mitte zwischen nicht berühmt und passabel. Eher besser als zwischen den verschiedenen Diensten hier im Évêché.«

      »Ich rekapituliere. Ein Mord, vielleicht eine Abrechnung im Milieu, vielleicht nicht. Wir werden im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens eingesetzt. Ein beschleunigtes Verfahren dauert fünfzehn Tage. Während dieser Zeit haben wir echte Ermittlungsbefugnisse, wir entziehen uns dem Einfluss von Richter Bonnefoy, der aus dem Spiel ist, und unterstehen allein der Aufsicht des fernen Staatsanwalts Coulon, der in Nizza sitzt. Wir können den Fall auf Sparflamme kochen, niemand wird uns das verübeln, oder die Gelegenheit beim Schopf packen und fünfzehn Tage wie die Verrückten arbeiten. Spielen wir das Spiel oder spielen wir es nicht? Grimbert?«

      »Wir spielen es.«

      »Delmas?«

      »Ebenso.«

      Adrenalinstoß, Hitzewallung. Gefühl, die Geburt eines Teams zu erleben, wie manchmal beim Rugby inmitten von Gefahr und Zusammenstößen.

      »An die Arbeit, keine Zeit zu verlieren. Ich fahre rüber nach Nizza und besuche Bonino in der Dienststelle des SRPJ und Staatsanwalt Coulon. Soll ich einen Durchsuchungsbeschluss für Pieris Firma beantragen?«

      »Versuchen können Sie es, aber es würde mich wundern …«

      »Wir werden sehen. Sie hier besorgen uns die Polizeiakten über Pieri, Sie treiben Bullen auf, die ihn gekannt haben und uns etwas über ihn erzählen können, Sie machen seine Familie ausfindig und Sie sammeln das Maximum an Informationen über seine Firma. Sie dürfen Ihrer Phantasie freien Lauf lassen, aber achten Sie darauf, dass Sie im abgesteckten Rahmen bleiben, solange die Maschinerie nicht angelaufen ist. Wir werden denen, die uns den Fall gern entziehen wollen, wer immer das sein mag, keinen Vorwand liefern. Morgen früh sehen wir uns hier wieder.«

      Delmas und Grimbert treffen sich im Bar-Tabac auf dem großen Platz vor dem Eingang des Évêché. Für die Beamten der Kriminalpolizei ist es wie eine Nebenstelle. Ein gewöhnliches Bistro, aber mit einer großen Terrasse, die freien Blick auf das Zentralkommissariat bietet. So fühlt man sich nicht fremd. Bullen an allen Tischen.

      Grimbert zieht Delmas zu einem sonnigen Tisch auf der Terrasse. »Hier muss man sich vorsehen, überall lungern Journalisten rum in der Hoffnung auf irgendwelche Tipps. Einen habe ich an der Bar gesehen, bestimmt ist er hier, um nach Informationen über Pieri zu fischen, ich bin nicht scharf darauf, mit ihm zu reden.«

      Grimbert schlägt Delmas vor, die Arbeit aufzuteilen.

      »Du übernimmst das Archiv im Évêché, du suchst alle Akten raus, die Pieri betreffen, wenn möglich, machst du seine Familie ausfindig und erstellst zu morgen eine Zusammenfassung. Ich für meinen Teil gehe zur Handelskammer und zum Finanzamt, mal sehen, was ich zusammenklauben kann. Morgen früh ziehen wir mit dem Commissaire Bilanz.«

      Die Handelskammer hat ihren Sitz in einem


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