Das Auge des Panthers. Katrin Ulbrich

Das Auge des Panthers - Katrin Ulbrich


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zu müssen? Hast du mich satt?»

      «Aber nein, natürlich nicht!»

      «Und warum kommst du dann nicht mehr bei mir vorbei? Ich erwarte wirklich keine teuren Geschenke, nur ab und zu einen Anruf, ein Telegramm – oder meinetwegen auch ein Rauchzeichen. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?» Frieda sprach leise, und ihr Blick verriet, wie verletzt sie war.

      «Es tut mir wirklich leid», erwiderte Katzmann. «Hier geht es gerade wieder drunter und drüber. Ich komme selten vor Mitternacht aus der Redaktion. Und jetzt brauche ich wirklich ein paar Tage Erholung. Außerdem habe ich das verlängerte Wochenende schon fest mit Max ausgemacht.»

      «Sag mal, ist das nicht der Hehler, der seine Geschäfte hinter einer Bar versteckt?»

      «Er ist kein Hehler. Das behaupten nur böse Zungen.»

      «Ich habe da so meine Zweifel. Schließlich heißt es nicht umsonst: Wo Rauch ist, ist auch Feuer.»

      «Max ist schon in Ordnung. Und ich verspreche dir, nächstes Wochenende nehme ich mir viel Zeit für dich.»

      «Wirklich?» Friedas Augen leuchteten.

      «Versprochen!», erwiderte er.

      «Na gut.» Lächelnd reckte sie ihr Gesicht in seine Richtung und bot ihm ihre roten Lippen zum Kuss an.

      Da ließ sich Katzmann nicht zweimal bitten.

      «Kannst du nicht noch bleiben und erst morgen früh fahren?», fragte sie schließlich atemlos. «Du wirst es sicher nicht bereuen, wenn du mich zum Polterabend begleitest.»

      «Es geht wirklich nicht, Frieda. Max erwartet mich. Es tut mir leid, dass ich vergessen habe, es dir zu sagen.»

      «Ist schon gut», gab Frieda etwas beleidigt zurück. «Ich frage mich nur, ob es immer so sein wird. Wenn wir einmal verheiratet sind, werde ich dich dann auch kaum sehen?»

      «Ich weiß es nicht», gab Katzmann ehrlich zurück. «Noch sind wir ja nicht verheiratet.»

      Im Hintergrund schlug sein Kollege die Hände über dem Kopf zusammen. Das war ein Fehler, besagte sein Augenrollen.

      «Willst du mich überhaupt heiraten?», fragte Frieda mit einem Kratzen in der Stimme. «Oder wäre es dir lieber, es bliebe alles so, wie es ist?»

      «Was ist denn daran verkehrt?»

      «Einfach alles ist daran verkehrt! Wir müssen doch vorwärtskommen. Ich bin inzwischen 28 und hätte gern Kinder und eine eigene Familie. Aber das ist dir anscheinend völlig egal.»

      «Nein, das ist mir nicht egal, aber ich kann diesen Schritt auch nicht überstürzen. Ich bin einfach noch nicht so weit, mich fürs ganze Leben zu binden.»

      «Und warum nicht?»

      «Ich weiß es nicht», erwiderte er. «Ich habe nur das Gefühl, wir würden beide etwas verpassen, wenn wir jetzt schon heiraten.»

      «So.» Friedas Lippen waren plötzlich nur noch ein schmaler Strich. «Ich bin dir nicht genug. Das ist es, nicht wahr?» Frieda reckte das Kinn, aber ihre Unterlippe zitterte dabei.

      Katzmann seufzte leise. Offenbar konnte er an diesem Tag nichts tun oder sagen, was sie nicht falsch auffasste. «Ich habe gerade eine Menge um die Ohren und keine Zeit, an so etwas wie das Heiraten zu denken. Versteh das doch bitte!»

      «Natürlich verstehe ich das», erwiderte Frieda. Und zur Bekräftigung knallte sie im nächsten Moment die Tür hinter sich zu, dass die Wände nur so wackelten.

      SEIT DER INDUSTRIELLEN REVOLUTION galt Chemnitz als bedeutende Industriestadt. Die Wanderer-Werke, der Maschinenbau und der hier gegründete Patentschutzverein hatten der Stadt zu Reichtum und Ansehen verholfen. Doch nach dem Weltkrieg waren zahlreiche Unternehmen zusammengebrochen, und viele Bürger hatten ihre Arbeit verloren. Not und Armut beherrschten das Stadtbild. Und so war aus der blühenden Arbeiterstadt ein verfallendes Ruß-Chamtz geworden.

      Konrad Katzmann wärmte sich seine Hände am Kachelofen in der Wohnung seines Freundes. Dabei warf er einen Blick aus dem Fenster. Es regnete in Strömen.

      Sein Weg hatte ihn zu Max Wachtler geführt. Seinem früheren Schulkameraden gehörte eine Bar in Chemnitz. Es hieß, dass es im Roten Fuchs ein Hinterzimmer gab, in dem sich die Chemnitzer Unterwelt traf. Für Katzmann war das jedoch nur ein Gerücht. Er wusste nur eines: dass er sich jederzeit auf Max verlassen konnte, wenn er in Chemnitz Unterstützung brauchte.

      Als sie beide noch Kinder waren, hatte er seinen Freund einmal aus dem Wasser gezogen, als dieser sich zu weit aufs Eis gewagt hatte und eingebrochen war. Das hatte Max ihm nie vergessen.

      Der Barbesitzer wohnte in einem Siedlungshaus an der Schloßteichstraße – nur einen Steinwurf von der Haubold’schen Maschinenfabrik entfernt. Seine Stube war ein Sammelsurium aus Emaille- und Steingutgeschirr, einem Kohleofen und einer Anrichte mit zwei Abwaschbecken. Der grob gescheuerte Holztisch bot ausreichend Platz für die beiden Männer.

      Der Herbst machte seinem Namen an diesem Tag wirklich alle Ehre. Ein wolkenverhangener Himmel wölbte sich über der Stadt. Es regnete so heftig, dass die Straßenabläufe der Wassermassen kaum noch Herr wurden. Einige Straßen waren bereits überschwemmt, und es war nur noch eine Frage von Stunden, bis die Chemnitz über ihre Ufer treten würde. Ein bitterkalter Wind pfiff um die Hausecken und rüttelte an den Fenstern.

      Der Wasserkessel auf der Herdplatte gab ein schrilles Pfeifen von sich. Max angelte ein Geschirrtuch vom Halter und goss das Wasser in zwei Becher mit Kräutertee. Einen davon stellte er seinem Besucher hin.

      Katzmann drehte den Becher zwischen den Händen hin und her und genoss die angenehme Wärme. «Erzähl mal, was gibt es Neues bei dir?», forderte er seinen Freund auf.

      «Ach, nicht viel. Ich arbeite, schlafe, und dann arbeite ich wieder. Du kennst das ja. Außerdem suche ich gerade nach einem Kraftwagen. Es wird höchste Zeit, dass ich mobil werde.»

      «In der Tat. Ich könnte mir ein Leben ohne meine NSU gar nicht mehr vorstellen.»

      «Du und dein Motorrad – zwei echte Frauenfänger!» Der Freund zwinkerte ihm zu.

      Katzmann winkte ab. «Und in der Stadt? Irgendwelche bemerkenswerten neuen Geschichten?»

      «O ja, die gibt es tatsächlich! Die Polizei hat zwei Kleinkriminelle verhaftet. Sie wurden auf frischer Tat ertappt, wie sie in die Villa vom alten Steinert eingebrochen sind. Böser Fehler, wenn du mich fragst. Sie haben ihn ausgeraubt und umgebracht. Drüben am Zeisigwald. Kurios ist nur, dass ihre Beute spurlos verschwunden ist. Als die Polizei ankam, waren die beiden Ganoven noch da, aber die Wertsachen nicht.»

      «Das gibt es doch nicht!»

      «Das hat die Polizei auch gedacht.»

      «Vielleicht haben sie die Beute irgendwo versteckt?», mutmaßte Katzmann.

      «Keine Ahnung. Sie behaupten, jemand sei ihnen zuvorgekommen und habe den Steinert umgebracht. Aber mal ehrlich: Wie wahrscheinlich ist es, dass in eine Villa am selben Abend gleich zweimal eingebrochen wird?»

      «Das wäre wirklich ein großer Zufall.»

      «Eben! Die Polizei hält die beiden für Serientäter.»

      Katzmann horchte auf. «Soll das heißen, sie haben noch mehr Einbrüche auf dem Gewissen?»

      «Möglich wäre es. Natürlich streiten sie es ab. Sicher ist aber, dass in den vergangenen Monaten öfter als sonst eingebrochen wurde. Dabei sind die Kerle nicht nur in Mietswohnungen für ein paar lumpige Scheine eingestiegen, sondern haben richtig fette Beute gemacht.»

      «Davon habe ich gehört. Die Einbrüche ziehen sich durch ganz Sachsen und tragen immer dieselbe Handschrift, nicht wahr?»

      «Ganz genau. Die Einbrecher haben alles ziemlich raffiniert ausgeklügelt. Bisher waren sie der Polizei immer zwei Schritte voraus.»


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