Das aureanische Zeitalter IV: Vorstoß nach Terra. Alexander Merow
„Wisst Ihr“, fügte Shivas hinzu, „wir Thracanai führen Krieg gegen Juan Sobos. Wir nennen Ihn einen Verräterarchon, weil er seinen rechtmäßig eingesetzten Vorgänger – den Xanthos der Erhabene persönlich bestimmt hatte – hat ermorden lassen. Dieser Mann hat sich den Thron durch List und Tücke erschlichen, er ist unser Feind.“
„Wir haben während des Anfluges gesehen, dass zahlreiche Gebäude in Remay zerstört worden sind. Hat es hier Krieg gegeben?“
„Ja, Botschafter, das hat es. Und der Krieg gegen den falschen Archon des Goldenen Reiches ist noch lange nicht zu Ende“, ergänzte Shivas grimmig.
Der dronische Gesandte kratzte sich an seinem bärtigen Kinn. Dann sagte er: „Ihr kämpft gegen Euren Archon, Statthalter? Was soll ich davon halten? Seid Ihr ein Renegat oder ist Euer Imperator ein Verbrecher?“
Shivas Blick verfinsterte sich, als er diese Worte hörte. Er kam einen großen Schritt auf den unerwarteten Besucher zu.
„Zunächst einmal heiße ich Euch auf Thracan willkommen, Dronos. Allerdings werde ich Euch erklären müssen, was in der langen Zeit, die Ihr in den Kälteschlafkammern verbracht habt, im Goldenen Reich geschehen ist“, sprach der Statthalter, wobei er den Fremden zu sich winkte.
Die Glasscheiben hatten sich inzwischen automatisch verdunkelt, denn draußen setzte die Abenddämmerung ein. Flavius und Eugenia hatten den Simulations-Transmitter vor einigen Minuten abgestellt und waren ins Schlafzimmer gegangen. Nun lag die dunkelhaarige Krankenschwester neben Flavius auf dem Bett; ihr schöner, schlanker Körper wurde nur zur Hälfte von der samtweichen Decke verhüllt. Princeps betrachtete sie voller Bewunderung, das beinahe schwarze Haar, die im Gegensatz dazu so helle Haut und die leuchtenden, himmelblauen Augen, mit denen sie ihn verlangend anblickte.
Flavius beugte sich zu Eugenia herab und küsste sanft ihre schmalen Lippen. Dann liebkoste er ihren langen Hals; sie stöhnte leise, wobei sie den Kopf ins Kissen drückte und die Augen schloss. Im nächsten Augenblick, während Flavius Küsse intensiver und fordernder wurden, öffnete Eugenia die Schenkel, so dass er behutsam in sie eindringen konnte. Unter den leidenschaftlichen Stößen des jungen Legionärs gab sie sich hin. Die beiden vergaßen die trostlose Welt für die Zeit ihrer Liebe, blendeten die dunklen Schatten einer ungewissen Zukunft einfach aus. Nichts Unschönes würde heute noch in diesen Raum eindringen können.
Bald schon hatten die zwei Liebenden alles andere vergessen. Eugenia schrie ihre Lust heraus, von Flavius starken Armen gehalten und sich ekstatisch darin windend. Vor ihrem Liebesspiel hatte sich Princeps noch eine heimliche Prise Neurostimulation verpasst, die ihn jetzt zur Höchstform auflaufen ließ. Er erhöhte die Wucht seiner Stöße und ließ Eugenia keine Sekunde Zeit, noch zur Besinnung zu kommen. Mit einem leisen Knurren erhob er sich schließlich, riss sie herum und nahm sie von hinten.
Umso länger das ungestüme Liebesspiel dauerte, umso nachhaltiger wirkte die Neurostimulation. Flavius keuchte, griff mit beiden Händen fest zu und schenkte Eugenia einen lauten, explosionsartigen Höhepunkt, der durch den halben Habitatskomplex schallte. Er küsste seine Geliebte erneut, während sie benommen in die Kissen zurücksank und ihn an sich zog.
„Puh!“, schnaufte Flavius. Er lächelte. Sie lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und man hörte sie angestrengt atmen.
Schließlich legte sie ihren Kopf auf seine Brust, während ihr Flavius mit den Fingern durch das lange, duftende Haar strich. Sie war so schön, so begehrenswert, dachte er in diesem Moment tiefster Entspannung. Wenn der Thracanfeldzug einen positiven Aspekt gehabt hatte, dann den, dass er Eugenia kennengelernt hatte. Sie war nunmehr seit Jahren der letzte Lichtblick in einer Welt des Grauens.
Plötzlich schossen Flavius die Bilder einer glücklichen Ehe, spielender Kinder und eines sorglosen Lebens in Frieden durch den Kopf. Unter normalen Umständen hätten Eugenia und er vielleicht schon geheiratet und er wäre bereits ein glücklicher Familienvater. Aber hier auf Thracan war nichts normal – und bald würde die heile Welt im Sol-System ebenfalls zusammenbrechen wie ein morsches Holzhaus, an dem seit Jahrhunderten die Termiten gefressen hatten.
„Geht es dir gut, Schatz?“, fragte sie. „Du bist auf einmal so schweigsam.“
„Ich denke nur darüber nach, was aus uns im Frieden geworden wäre. Mann und Frau und Kinder …“, gab Flavius zurück.
„Dafür müsste ich dich Chaoten aber erst einmal heiraten“, scherzte Eugenia.
„Obwohl ich eine ganze Subkaste über Ihnen stehe, Fräulein Gotlandt, ist eine Paarung nicht nur im rechtlichen Sinne unproblematisch, sondern auch nach den Geboten Malogors wünschenswert. Wir hätten längst unserer Pflicht zur Vermehrung und Höherzüchtung der aureanischen Menschheit nachkommen sollen. Was ich damit sagen will: Von mir aus kann’s losgehen!“
Eugenia lachte schallend. Dann schlug sie Flavius mit der flachen Hand auf den Bauch, dass es klatschte. „Spinner!“
Princeps richtete sich auf. Jetzt grinste er breit. Mit dem Rücken an sein großes Kopfkissen gelehnt, sah er in Eugenias wundervolle Augen.
„Wenn wir das hier überleben und Sie sich halbwegs benehmen, dann werde ich über eine dauerhafte Liaison nachdenken, Kohortenführer Princeps. Aber warten wir es ab“, sagte Eugenia, wobei sie Flavius verschmitzt zuzwinkerte.
Auf der Kommandobrücke der Malleus herrschte emsiges Treiben. Raumobservatoren, Flottenoffiziere aller Art und mehrere Legaten umschwirrten Antisthenes von Chausan wie ein Schwarm lästiger Fliegen. So jedenfalls empfand es der neue Oberstrategos.
Inzwischen war die terranische Raumflotte schon seit geraumer Zeit auf dem Weg ins Proxima Centauri System und Antisthenes verspürte mit jedem weiteren Tag größeren Unmut. Er sah zu Legatus Bnan herüber, einem Legionsführer, der genau wie er durch Juan Sobos großzügige Protektion seine Stellung erhalten hatte. Bnan war ein Anaureaner von der Venus; das erkannte jeder sofort, der ihm ins Gesicht sah. Obwohl es die Kastenordnung offiziell nicht mehr gab, konnte man die Spuren seiner Herkunft nicht verwischen.
„Die Gene lügen nicht“, flüsterte Antisthenes kaum hörbar in sich hinein und biss sich dabei auf die Unterlippe.
Dieses Zitat stammte noch aus der alten Zeit, wobei es nicht nur auf Bnan, sondern auch auf ihn selbst zutraf, wie der Oberstrategos zugeben musste.
Die aureanischen Offiziere der terranischen Streitkräfte gewöhnten sich nur langsam an die Tatsache, dass dank Sobos nun auch Ungoldene in ihren Reihen standen. Sie verachteten die Abkömmlinge der unteren Kaste, das war nicht zu übersehen.
„Die aktuellen Daten der Tiefentaster, Herr“, sagte ein Raumobservator zu Antisthenes und überreichte ihm eine Datenverarbeitungsscheibe. Dann verneigte er sich kurz.
Der General brummte etwas Unverständliches, nahm den Datenträger und ließ ihn in der Tasche verschwinden. Er würde sich später alles in Ruhe ansehen.
Misstrauisch beobachtete Antisthenes die Männer um sich herum. Flottenangehörige saßen vor Monitoren oder riesenhaften Holoschirmen, manche tuschelten und murmelten, wobei ihre leisen Stimmen im Meer der ungezählten Geräusche auf der Kommandobrücke verschwanden.
Manchmal glaubte der Oberstrategos, dass sie hinter seinem Rücken über ihn lästerten. Vermutlich verspotteten sie ihn sogar, wenn er nicht anwesend war. Daran hatte Antisthenes allmählich kaum noch Zweifel. Er litt darunter, mit Leuten in einem Raumschiff eingesperrt zu sein, die ihn im Grunde verachteten.
Auch Sobos Gunst – wenn sie denn überhaupt eine war – konnte ihn hier draußen nicht vor den trotzigen Blicken und dem falschen Lächeln seiner Untergebenen retten.
„Herr!“, hörte Antisthenes hinter sich. Er drehte sich um und sah in das blasse Gesicht eines Flottenbediensteten.
„Der Admiral meint, dass wir unsere Geschwindigkeit um 9% drosseln sollten. In diesem Gebiet gibt es kleinere Asteroidenansammlungen“, erklärte der Mann.
„Ja, soll er machen“, gab Antisthenes uninteressiert zurück.
„Möchtet