Perelandra. C. S. Lewis

Perelandra - C. S. Lewis


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zu beiden Seiten von sanften, mit vielfarbigen Wäldern bestandenen Hängen gesäumt war. Aber noch während er dieses Bild in sich aufnahm, wurde das Tal zu einem langen, kupferfarbenen Höhenrücken, von dem die Wälder sich nach beiden Seiten abwärts senkten. Natürlich hätte er damit rechnen müssen, aber er sagte, ihm sei vor Schrecken beinahe übel geworden. Das Ganze hatte auf den ersten Blick wie eine wirkliche Landschaft ausgesehen, und er hatte vergessen, dass er sich auf einer schwimmenden Insel befand – einer Insel mit Hügeln und Tälern, wenn man so will, aber Hügeln und Tälern, die ständig ihre Plätze wechselten, sodass man eine Art Landkarte nur mithilfe eines Kinematographen hätte erstellen können. Und eben das ist die Eigenart der schwimmenden Inseln von Perelandra. Auf einer Schwarzweißphotographie, die die Farben und ständigen Formveränderungen nicht wiedergibt, sähen sie unseren irdischen Landschaften täuschend ähnlich, aber die Wirklichkeit ist ganz anders; denn sie sind zwar trocken und fruchtbar wie festes Land, aber sie haben die unbeständige Form des Wassers, auf dem sie treiben. Doch dem Anschein war schwer zu widerstehen. Mit seinem Verstand hatte Ransom zwar begriffen, was geschah, nicht aber mit seinen Muskeln und Nerven. Er stand auf, um ein paar Schritte landeinwärts zu gehen – bergab, wie es schien, als er aufstand –, und fiel sofort vornüber aufs Gesicht; das Kraut war so weich, dass er sich nicht verletzte. Er rappelte sich wieder auf, sah, dass er nun einen Steilhang hochsteigen musste – und fiel ein zweites Mal. Die Anspannung, die seit seiner Ankunft nicht von ihm gewichen war, löste sich wohltuend in einem leisen Lachen. Kichernd wie ein Schuljunge wälzte er sich auf der weichen, duftenden Oberfläche hin und her.

      Das ging vorüber. Und dann brachte er sich während der nächsten ein oder zwei Stunden erst einmal das Gehen bei. Es war viel schwieriger, als sich auf einem Schiff fortzubewegen, denn ob die See stürmisch ist oder ruhig, das Schiffsdeck bleibt eine ebene Fläche. Aber dies war, als lerne er auf Wasser zu gehen. Er brauchte mehrere Stunden, um vom Rand oder der Küste der schwimmenden Insel hundert Schritt landeinwärts zu gehen; und er war stolz, als er fünf Schritte gehen konnte, ohne zu fallen – mit ausgestreckten Armen und tief in den Knien, um die plötzlichen Veränderungen auszugleichen; sein ganzer Körper war angespannt und schwankte, so als würde er Seiltanzen lernen. Vielleicht hätte er schneller gelernt, wenn er nicht so weich gefallen wäre, wenn es nicht so angenehm gewesen wäre, nach einem Fall still liegen zu bleiben, zum goldenen Himmel aufzublicken, dem leisen, gleichmäßigen Rauschen des Meeres zu lauschen und den eigenartigen, köstlichen Duft der Kräuter zu atmen. Und es war höchst eigenartig, nachdem er Hals über Kopf in eine Mulde gepurzelt war, die Augen zu öffnen und sich unvermittelt auf der höchsten Erhebung der Insel wieder zu finden, von wo man wie Robinson Crusoe nach allen Seiten bis zur Küste blicken konnte. Man musste einfach ein wenig sitzen bleiben und den Ausblick genießen – und wieder innehalten, denn kaum schickte man sich an aufzustehen, waren Berg und Tal verschwunden, und die ganze Insel war eine ebene Fläche.

      Endlich erreichte er den bewaldeten Teil. Dort gab es eine Art Unterholz mit gefiederter Vegetation, die ungefähr die Höhe von Stachelbeerbüschen und die Farbe von Seeanemonen hatte. Darüber erhoben sich die höheren Gewächse; seltsame Bäume mit grauen und purpurnen Röhrenstämmen breiteten mächtige Baldachine über ihn, in denen orangene, silbrige und blaue Farbtöne vorherrschten. Mithilfe der Baumstämme konnte er sich jetzt leichter auf den Füßen halten. Die Düfte in diesem Wald hätte er sich nicht einmal im Traume vorstellen können. Es wäre irreführend zu sagen, sie hätten ihn hungrig oder durstig gemacht; sie weckten in ihm beinahe eine neue Art von Hunger und Durst, ein Verlangen, das vom Körper in die Seele zu fließen schien und das einfach himmlisch war. Immer wieder blieb er stehen, hielt sich an einem Ast fest, um nicht zu fallen, und atmete die Düfte ein, als ob das Atmen eine Art Ritus geworden wäre. Und zugleich bot die Waldlandschaft die wechselnden Kulissen von einem halben Dutzend Erdenlandschaften – bald ebenen Wald mit Bäumen so senkrecht wie Türme, bald einen tiefen Talgrund, in dem man einen Bach erwartet hätte, bald eine bewaldete Bergflanke und dann wieder eine Hügelkuppe, von der man durch schräg stehende Stämme die ferne See erblicken konnte. Bis auf die nicht organischen Geräusche der Wellen herrschte völlige Stille. Er empfand seine Einsamkeit jetzt sehr stark, aber keineswegs schmerzlich – es fügte den unirdischen Genüssen, die ihn umgaben, nur einen Hauch von Wildheit hinzu. Wenn er jetzt noch irgendeine Angst verspürte, dann die leise Befürchtung, sein Verstand könne in Gefahr sein. Perelandra hatte etwas, das vielleicht zu viel für ein menschliches Gehirn war.

      Inzwischen war er zu einem Teil des Waldes gekommen, in dem große, kugelförmige gelbe Früchte von den Bäumen hingen – in Trauben, wie Luftballons eines Jahrmarkthändlers und ungefähr von der gleichen Größe. Er pflückte eine von ihnen und drehte sie hin und her. Die Schale war glatt und fest und schien sich nicht aufbrechen zu lassen. Dann stieß er zufällig mit einem Finger hinein und spürte etwas Kühles. Nach kurzem Zögern setzte er die kleine Öffnung an die Lippen. Er hatte nur einen winzigen Schluck probieren wollen, aber der Geschmack ließ ihn alle Vorsicht vergessen. Es war natürlich ein Geschmack, genauso wie sein Durst Durst und sein Hunger Hunger gewesen waren. Aber er unterschied sich so sehr von jedem anderen Geschmack, dass es beinahe Pedanterie gewesen wäre, überhaupt von Geschmack zu sprechen. Es war wie die Entdeckung einer völlig neuen Art von Genüssen, etwas Unerhörtes, Unvorstellbares, beinahe Unschickliches. Für eine einzige dieser Früchte wären auf Erden Kriege entfesselt und Völker verraten worden. Der Geschmack war nicht einzuordnen. Nach seiner Rückkehr auf die Welt der Menschen konnte Ransom uns nie sagen, ob er scharf oder mild, würzig oder süß, weich oder herb gewesen war. »Nein, so nicht«, war alles, was er auf solche Fragen antworten konnte. Er ließ die leere Schale fallen und wollte gerade eine zweite Frucht pflücken, als ihm bewusst wurde, dass er weder Hunger noch Durst hatte. Dennoch erschien es ihm das Nächstliegende, einen so herrlichen und beinahe geistigen Genuss erneut zu kosten. Sein Verstand, oder was wir in unserer Welt gewöhnlich für Verstand halten, war ganz dafür, dieses Wunder noch einmal zu erleben: der kindlich unschuldige Genuss einer Frucht, die Anstrengungen, die er hinter sich hatte, die Ungewissheit der Zukunft, alles schien dafür zu sprechen. Aber irgendetwas in ihm widersetzte sich dieser Vernunft. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass dieses Widerstreben dem Verlangen entsprang, denn welches Verlangen würde schon von solch einer Köstlichkeit ablassen? Aber wie auch immer, es schien ihm besser, nicht noch einmal zu kosten. Vielleicht war die Erfahrung so vollkommen gewesen, dass eine Wiederholung sie entweiht hätte – so als wollte man an einem Tag zweimal dieselbe Symphonie hören.

      Während er darüber nachdachte und überlegte, wie oft er sich – nicht auf Grund eines Verlangens, sondern gegen sein Verlangen und einem falschen Rationalismus gehorchend – auf der Erde immer wieder dieselben Genüsse verschafft hatte, merkte er, wie sich das Licht allmählich veränderte. Hinter ihm war es dunkler als zuvor, und vor ihm schimmerten Himmel und Meer mit einer neuen Intensität durch den Wald. Auf der Erde hätte er nicht mehr als eine Minute gebraucht, um den Wald zu verlassen; auf dieser schwankenden Insel brauchte er viel länger, und als er schließlich heraustrat, bot sich ihm ein außerordentliches Schauspiel. Den ganzen Tag hatte es an keinem Punkt des goldenen Himmels irgendeine Verände-rung gegeben, die auf den Sonnenstand hätte schließen lassen; jetzt aber zeigte der halbe Himmel ihn an. Die Sonnenscheibe selbst blieb unsichtbar, doch auf dem Seehorizont ruhte ein Bogen von so strahlendem Grün, dass er nicht hinsehen konnte; darüber breitete sich fast bis zum Zenit wie das Rad eines Pfaus ein gewaltiger Farbenfächer aus. Als Ransom sich umblickte, sah er, dass die ganze Insel in leuchtendes Blau getaucht war und dass sich über sie und fast bis ans Ende jener Welt sein eigener riesengroßer Schatten erstreckte. Die See, die jetzt viel ruhiger war, als er sie bisher gesehen hatte, dampfte in mächtigen blauen und purpurnen Schwaden zum Himmel empor, und eine milde, angenehme Brise spielte mit seinem Stirnhaar. Der Tag verglühte. Von Minute zu Minute wurde das Wasser ruhiger; Ransom spürte, wie die Stille immer tiefer wurde. Er setzte sich mit übereinander geschlagenen Beinen am Ufer der Insel nieder, der einsame Herrscher, wie es schien, über all diese Feierlichkeit. Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, er könnte auf eine unbewohnte Welt geschickt worden sein, und der Schrecken darüber verlieh den verschwenderischen Genüssen einen bitteren Beigeschmack.

      Wieder überraschte ihn ein Phänomen, das er hätte voraussehen können. Nackt zu sein und dennoch nicht zu frieren, zwischen köstlichen Fruchtbäumen zu wandeln und in duftendem Heidekraut zu liegen – dies alles hatte in ihm die Vorstellung vom


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