Perelandra. C. S. Lewis

Perelandra - C. S. Lewis


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Ton mehr sagte. Eine andere Andeutung machte er, als ein skeptischer Freund namens McPhee Einwände gegen die christliche Doktrin von der Auferstehung des Fleisches vorbrachte. Zuerst war ich das Opfer McPhees gewesen, und er bedrängte mich in seiner schottischen Art mit Fragen wie: »Sie glauben also, Sie wer-den für ewige Zeiten Gedärme und Gaumen in einer Welt haben, in der es nichts zu essen gibt, und Geschlechtsorgane in einer Welt, in der niemand sich paart? Na, viel Vergnügen!« Da platzte Ransom plötzlich in großer Erregung heraus: »Sehen Sie denn nicht, Sie Esel, dass es einen Unterschied zwischen einem übersinnlichen und einem nichtsinnlichen Leben gibt?« Damit lenkte er natürlich McPhees Pfeile auf sich selbst. Schließlich kam heraus, dass Ransom zufolge die gegenwärtigen Funktionen und Triebe des Körpers verschwinden würden, nicht etwa, weil sie verkümmerten, sondern weil sie, wie er es ausdrückte, »überflutet« würden. Ich erinnere mich, dass er das Wort »übergeschlechtlich« gebrauchte und nach einer entsprechenden Bezeichnung für das Essen suchte (nachdem er das Wort »transgastronomisch« verworfen hatte); und da er nicht der einzige Philologe im Kreise war, geriet das Gespräch in andere Bahnen. Aber ich bin ziemlich sicher, dass er an eine Erfahrung dachte, die er auf seiner Reise zur Venus gemacht hatte. Die geheimnisvollste Äußerung, die er vielleicht je zu diesem Thema gemacht hat, war Folgende. Ich hatte ihm Fragen dazu gestellt – was er nur selten zuließ – und unbedachterweise gesagt: »Natürlich sehe ich ein, dass das alles viel zu unbestimmt ist, als dass Sie es in Worte fassen könnten.« Ziemlich scharf für einen so geduldigen Mann unterbrach er mich: »Ganz im Gegenteil, die Worte sind unbestimmt. Es lässt sich nicht ausdrücken, weil es zu eindeutig für die Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache ist.« Und das ist auch schon alles, was ich über seine Reise berichten kann. Sicher ist jedenfalls, dass diese Reise ihn noch mehr verändert hat als die zum Mars. Aber das kann natürlich an dem liegen, was ihm nach seiner Landung dort widerfuhr.

      Von dieser Landung will ich nun, so wie Ransom sie mir geschildert hat, berichten. Aus seinem himmlischen Dämmerzustand geweckt (wenn das der richtige Ausdruck ist) wurde er offenbar durch das Gefühl des Fallens – mit anderen Worten, als er der Venus nahe genug war, um sie als unter ihm liegend zu empfinden. Als Nächstes merkte er, dass seine eine Seite sehr warm und die andere sehr kalt war, doch keine der beiden Empfindungen war so stark, dass sie schmerzhaft gewesen wäre. Beide gingen ohnedies bald in einer Flut von weißem Licht unter, das jetzt von unten durch die halb durchsichtigen Wände des Behälters drang. Das Licht wurde immer stärker und blendete Ransom, obwohl seine Augen geschützt waren. Offenbar handelte es sich um die Albedo, den äußeren, die Sonnenstrahlen stark reflektierenden Bereich der sehr dichten Venusatmosphäre. Aus irgendeinem Grund war er sich – anders als bei seiner Landung auf dem Mars – seines rasch zunehmenden Gewichtes nicht bewusst. Als das weiße Licht nahezu unerträglich geworden war, verschwand es plötzlich ganz, und bald danach ließen die Kälte an seiner linken Seite und die Hitze an seiner rechten nach und machten einer gleichmäßigen Wärme Platz. Vermutlich war er nun in die äußeren Schichten der perelandrischen Atmosphäre eingedrungen – zuerst in ein blasses, dann in ein farbiges Zwielicht. Soweit er durch die Wände seines Behälters erkennen konnte, herrschten goldene oder kupferfarbene Töne vor. Inzwischen musste er der Oberfläche des Planeten sehr nahe sein, wobei der Behälter sich offenbar im rechten Winkel zu dieser Oberfläche befand und er mit den Füßen voran herabsank, wie in einem Aufzug. Das Gefühl zu fallen – hilflos und unfähig, die Arme zu bewegen – wurde beängstigend. Dann tauchte er plötzlich in eine große grüne Dunkelheit ein, erfüllt von unbestimmbaren Geräuschen – der ersten Botschaft aus der neuen Welt –, und zugleich wurde es spürbar kühler. Er schien sich jetzt in einer horizontalen Lage zu befinden und sich zu seiner großen Überraschung nicht abwärts, sondern aufwärts zu bewegen. Doch zuerst hielt er dies für eine Sinnestäuschung. Die ganze Zeit über musste er unbewusst schwache Versuche gemacht haben, Arme und Beine zu bewegen, denn plötzlich merkte er, dass die Seitenwände seines Gefängnisses auf Druck nachgaben. Er konnte seine Glieder bewegen, jedoch behindert von einer zähflüssigen Substanz. Wo war der Sarg? Seine Eindrücke waren sehr verworren. Bald schien er zu fallen, bald emporzufliegen, dann sich wieder in der Waagerechten fortzubewegen. Die zähflüssige Substanz war weiß. Sie schien mit jedem Augenblick weniger zu werden – weißes, wolkiges Zeug, genau wie das Material des Sargs, nur nicht fest. In jähem Schrecken begriff er, dass es tatsächlich der Sarg war; er schmolz, löste sich auf, machte einem unbeschreiblichen Durcheinander von Farben Platz, einer üppigen, bunten Welt, in der einstweilen nichts greifbar erschien. Jetzt war von dem Behälter nichts mehr da. Ransom war frei – ausgesetzt – allein. Er war auf Perelandra.

      Zuerst hatte er nur den undeutlichen Eindruck einer Schräge – so als betrachte er eine Aufnahme, bei der der Fotograf die Kamera nicht gerade gehalten hatte. Doch das dauerte nur einen Augenblick. Die Schräge wich einer anderen Schräge; dann rasten zwei Schrägen aufeinander zu und bildeten eine Spitze, die Spitze flachte plötzlich zu einer horizontalen Linie ab, und die horizontale Linie kippte und wurde zum Rand eines unermesslichen, glänzenden Abhangs, der wild auf ihn zustürmte. Im gleichen Moment fühlte er, wie er emporgehoben wurde, immer höher und höher, bis er meinte, nach der flammenden goldenen Kuppel greifen zu können, die an Stelle eines Himmels über ihm hing. Dann war er auf einem Gipfel; aber noch ehe sein Blick das riesige Tal erfasst hatte,

      das – leuchtend grün wie Glas und mit schaumig weißen Streifen marmoriert – unter ihm gähnte, sauste er mit vielleicht dreißig Meilen pro Stunde in dieses Tal hinab. Und nun merkte er, dass köstliche Kühle seinen Körper bis zum Hals umgab, dass er keinen Boden unter den Füßen spürte und dass er seit einiger Zeit unbewusst Schwimmbewegungen gemacht hatte. Er trieb auf den Wellen eines Ozeans, frisch und kühl nach den heißen Temperaturen des Himmels, aber für irdische Begriffe warm – warm wie das seichte Wasser einer sandigen Bucht in einer subtropischen Gegend. Als er sanft den breiten, gewölbten Abhang der nächsten Welle hinaufglitt, schluckte er einen Mund voll Wasser. Es schmeckte kaum salzig. Man konnte es trinken – wie Süßwasser, nur eine winzige Spur weniger schal. Obgleich er bisher keinen Durst verspürt hatte, verschaffte der Trunk ihm einen überraschenden Genuss. Es war beinahe, als begegne er zum ersten Mal dem Genuss selbst. Er tauchte sein gerötetes Gesicht in die grüne Durchsichtigkeit, und als er aufblickte, fand er sich wieder auf dem Kamm einer Woge.

      Land war nicht in Sicht. Der Himmel war flach und golden wie der Hintergrund eines mittelalterlichen Gemäldes. Er wirkte sehr fern – so fern wie feine Schäfchenwolken vom Erdboden aus. Auch der Ozean war hier auf offener See golden und mit unzähligen Schatten übersät. Die Wellen in Ransoms Nähe waren golden, wo ihre Kämme das Licht auffingen, und an den Flanken grün: oben smaragdgrün und weiter unten von einem leuchtenden Flaschengrün, das sich im Schatten anderer Wellen zu Blau vertiefte.

      All dies schoss wie ein Blitz an Ransoms Augen vorbei; dann sauste er abermals in ein Wellental hinab. Irgendwie hatte er sich auf den Rücken gedreht und sah nun das goldene Dach dieser Welt, auf dem hellere Lichter hin und her huschten, so wie Lichtreflexe an einer Badezimmerdecke, wenn man an einem Sommermorgen in die Wanne steigt. Das war wohl die Spiegelung der Wellen, in denen er schwamm. Diese Erscheinung ist auf dem Planeten der Liebe an drei von fünf Tagen zu sehen. Die Königin dieser Meere sieht sich ständig in einem himmlischen Spiegel.

      Wieder hinauf auf den Kamm, und noch immer kein Land in Sicht. Weit zu seiner Linken etwas, das wie Wolken aussah – oder konnten es Schiffe sein? Und wieder hinunter, weiter und weiter … Es schien kein Ende nehmen zu wollen. Jetzt fiel ihm auf, wie gedämpft das Licht war. Zu diesem Schwelgen im lauen Wasser – diesem für irdische Begriffe köstlichen Baden – schien eigentlich eine brennende Sonne zu gehören. Aber hier gab es nichts dergleichen. Das Wasser glänzte, der Himmel loderte in Goldtönen, alles war prächtig, aber gedämpft, und seine Augen weideten sich daran, ohne geblendet zu werden oder zu schmerzen. Schon die Farben Grün und Gold, mit denen er notgedrungen den Schauplatz beschrieb, waren zu grell für diese zarte, leicht schillernde, diese warme, mütterliche, wohlige, herrliche Welt. Sie war sanft wie der Abend, warm wie ein Sommertag, freundlich und gewinnend wie die frühe Morgendämmerung, eine einzige Wohltat. Er seufzte.

      Vor ihm erhob sich jetzt eine Woge so hoch, dass er erschrak. Auf unserer Welt sprechen wir oft leichthin von Wellenbergen, wenn sie in Wirklichkeit nicht viel höher als ein Schiffsmast sind. Aber hier traf der Ausdruck zu. Wäre das mächtige Gebilde nicht


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