Rotz am Backen, Scheiß am Been - ach wie ist das Läähm scheen. Klaus Eulenberger
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Gewidmet meinen lieben Eltern, Tante Friedel und Lothar
KLAUS EULENBERGER
Rotz am Backen, Scheiß am Been – ach wie ist das Läähm scheen
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2013
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.
Fast alle Namen wurden geändert.
Copyright (2013) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
ISBN 978-3-95-488954-9
1. digitale Auflage 2013: Zeilenwert GmbH
Inhaltsverzeichnis
Laien – unsere Großfamilie auf dem Bauerngut
Zwangsweiser Einsatz von Erfahrenen in der Landwirtschaft (Laienvorstellung beendet)
… saßen mit Angst im Luftschutzkeller
Heimlichkeiten, Angst und Ungewissheit
Sie gaben nur ein Widerwort, was, noch dazu, äußerst vernünftig war
Hurra, unsere Spiele werden endlich richtig spannend und explosiv
Die Pflicht ruft – so ein Rotz
Kriegsgefangene
„Aber Oma, du weißt doch genau, dass Kriegsgefangene nicht mit am Tisch ihrer Herrschaft sitzen dürfen. Dies hat auch der Ortsgruppenleiter der NSDAP immer wieder betont“, sagte mit angstvoller, zarter Stimme meine Mama. Als BDM-Mitglied (Bund Deutscher Mädchen) war sie immer furchtsam darauf bedacht, alles exakt so zu tun, wie ihre nazistische Vereinigung dies vorschrieb.
„Das gäb’s noch! Leute, die für uns arbeiten, dürfen auch mit uns am Tisch sitzen, bekommen zu essen und zu trinken. Kommt alle herein – wir machen Abendbrot!“, antwortete befehlsgewohnt, wie immer, unser Generalfeldmarschall, meine Oma Martha.
„Nun seid doch mal nicht so schüchtern, kommt einfach her und stellt euch vor. Gretel, wo treibst du dich denn wieder herum? Du hast sie doch alle hergeholt, nun mache doch endlich einmal alle miteinander bekannt!“
„Ich komme ja schon, Oma, kann mich ja auch nicht zerteilen. Bitte alle eintreten, seid nicht so zurückhaltend, Johann und Marcel.
Also, dies sind meine Mutter Martha, mein Vater Alfred, Schwester Friedel … geht doch bitte einfach weiter in die Stube – ohne Scheu! In der Stube essen wir immer alle. Weiter geht’s – das ist die Helga, die Tochter von Friedel. Hier ist die Erika, die Frau von meinem Bruder Heinel. Na ja, ich sehe ein, das wird alles viel zu viel für euch auf einmal. Also, das ist Marcel, er kommt von einem Bauerngehöft aus Belgien und das ist Johann, Bauer aus Frankreich. Ach, euch habe ich doch ganz vergessen – das sind mein Sohn Klaus und Lothar, der Sohn von Friedel. Na ja, ich weiß, das ist alles extrem aufregend für euch. Kommt her ihr beiden.“
Johann hatte mit Marcel schon ein Weilchen geheimnisvoll geflüstert – beide hatten sehr bedrückte und ernste Gesichter, aber sie sprachen offensichtlich beide die gleiche Sprache. Langsam und auch ein wenig widerstrebend kamen sie zur Eingangstür der Stube. Johann schlurfte widerstrebend als erster, Marcel blieb weit zurück. Auffällig war, dass die schönen, dunklen Augen von Johann aggressiv blitzten. Mama und Oma schienen dies zu spüren – sie gingen spontan beide zu den jungen Männern hin und gaben ihnen äußerst freundlich und warmherzig die Hand. „Guten Tag ihr zwei, keine Sorge, wir kriegen das schon gemeinsam gut hin.“
Johann reagierte als erster, indem er aufschaute. „Bonjour!“ Seine Gesichtszüge waren jetzt entspannter und freundlich. Ich kleiner Knirps ging zu ihm hin und gab ihm auch meine kleine Hand. Seine war für mich riesengroß, sehr rau, brüchig und schwielig. Darüber erschrak ich und wollte meine sofort zurückziehen. Johann nahm aber seine zweite Hand, drückte meine kleine Hand warm und fest mit seinen beiden großen Händen, aber nicht zu fest. Gott sei Dank. Dann hob er mich ganz einfach hoch, so weit, dass ich waagerecht in der Luft hing. Ich war zunächst sehr erschrocken, strampelte mit Armen und Beinen, aber da alle schallend lachten, gefiel mir plötzlich dieser Heidenspaß und auch ich lachte mit meiner dünnen Kinderstimme. Als er mich wieder zu Boden ließ, flitzte ich auf ihn zu und umklammerte seine Oberschenkel. Alle freuten sich und hatten plötzlich gute Laune – ich war überglücklich. Johann lachte auch befreit auf, nur Marcel schaute immer noch etwas kummervoll zu Boden. Johann sprach irgendwelches unverständliches Zeug zu ihm. Aus heutiger Sicht weiß ich, dass es in französischer Sprache war. Schon schaute er etwas gelöster in die Welt und zu uns hin.
Ganz hinten, dort wo es von der Küche wieder in den Kuhstall geht, standen mit gesenktem Blick zwei ganz junge Menschen. Sie schauten so intensiv zu Boden, als ob dort eine Reichsmark zu finden wäre. Sie waren vollkommen verängstigt, das Mädchen war kräftig gebaut – entschieden im Gegensatz dazu stand ihr angstvolles Zittern. Der junge Mann neben ihr war sehr schlank, aber es war zu sehen, dass er muskulös und sportlich war. Schlimm war nur, wie die beiden aussahen. Dies hing allerdings mehr mit ihrer Kleidung, sofern man diese Bezeichnung überhaupt anwenden konnte, zusammen. Beide hingen nur in Lumpen. Sie waren schmutzig, heruntergekommen und hatten Holzschuhe an. Die Haare waren fast kahl heruntergeschoren. Es war schon ein recht deprimierender Anblick. Für mich hatte der junge Russe, aus heutiger Sicht, einen hellbraunen Kasack an, welcher in der Hüfte von einem sehr einfachen Gürtel zusammengehalten wurde. Unter den Pluderhosen waren dicke, lange Socken zu sehen. Auf dem Kopf trug er eine braune Mütze mit einem kleinen Schild. Das Mädchen hatte ein durchgängig vorn geknöpftes Strickkleid an und unten an den Füßen ebenfalls solche Socken wie der junge Mann. Tatsache war aber eines – das konnte ich als Kind damals noch nicht erkennen – die