Katzmann und das schweigende Dorf. Jan Eik
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Jan Eik
Katzmann und das
schweigende Dorf
Der dritte Fall
Kriminalroman
Jaron Verlag
Jan Eik, geboren 1940 in Berlin als Helmut Eikermann, verlebte einen Teil seiner Kindheit wie seiner Studentenzeit in Thüringen und Sachsen. Seit 1987 ist er freiberuflicher Autor und Publizist in Berlin. Er schrieb zahlreiche Kriminalromane und -erzählungen sowie Hör- und Fernsehspiele. Zu seinen Veröffentlichungen gehören u. a. «Der siebente Winter» (1989), «Der Geist des Hauses» (Ein Friedrichstadtpalastkrimi, 1998) und «Trügerische Feste» (2006). Im Jaron Verlag erschienen «Schaurige Geschichten aus Berlin» (2007), «Der Berliner Jargon» (2009) und «DDR-Deutsch» (2010) sowie die Krimis «Der Ehrenmord» (2007), «Nach Verdun» (2008, mit Horst Bosetzky), «Goldmacher» (2009), «Am Tag, als Walter Ulbricht starb» (2010, mit Horst Bosetzky) und «In der Falle» (2011).
Originalausgabe
1. Auflage 2011
© 2011 Jaron Verlag GmbH, Berlin
1. digitale Auflage 2013 Zeilenwert GmbH
Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.
Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin
ISBN 9783955520526
Inhaltsverzeichnis
Für all die Lieben in W., deren eindrucksvolles altes Gehöft als Schauplatz für eine erfundene Handlung
mit erfundenen Personen herhalten musste. Real sind der Dollarkurs vom März 1922 und
die Leichenpredigt von 1825, für deren Überlassung sich der Autor herzlich bedankt.
EINS
ER FÜHLTE nach dem Päckchen an seiner Brust. Alles in Ordnung. Beruhigt und ohne auf den Zustand des schlammigen Weges zu achten, schritt er dem verhängnisvollen Ort entgegen. In seiner Kindheit hatte er sich dem schütteren Wäldchen nie anders als mit Beklommenheit genähert, die oft wiederholte Erzählung des Großvaters vom grässlichen Mord im Rauber im Ohr. Dessen eigener Großvater war nämlich, wie der Alte anschaulich zu berichten wusste, als sei er dabei gewesen, eines schrecklichen Tages in jenem Raubwald erschlagen und beraubt worden, von drei miteinander verschworenen Knechten, die man bald ergriff. Der Mörder hatte sich vor dem Prozess umgebracht.
An die hundert Jahre mochte das her sein. Der Rauber hieß seit alten Zeiten so, weil es der Sage nach hier einst eine Raubritterburg gegeben hatte. Wälle und eingestürzte Gänge ließen sich in der nahen Flur und zwischen den Bäumen als schwache Bodenwellen mutmaßen.
Der Gutsbesitzer Ferdinand Geisler war nicht abergläubisch, ihn schreckten weder die Geister des gemeuchelten Urahns noch die der Mörder. Vergessen konnte er die Geschichte aber nie. Der ertragreichste Schlag seiner 120 Morgen Land grenzte an das Gehölz, Rest einer ausgedehnten Waldfläche, die sich einst bis ins Sächsische hinüber erstreckt hatte. Jedes Mal, wenn er beim Pflügen wendete und hinter der Hügelkuppe die Baumwipfel auftauchten, kam ihm unweigerlich der Mord in den Sinn.
So sprang ihn die Erinnerung auch an diesem diesigen Märzmorgen nicht unerwartet an, als sich der dunkle Waldsaum vor ihm schemenhaft gegen die aufsteigende Dämmerung abhob. Feuchte Schwaden wehten über das Land. Der lehmige Fahrweg, die einzige Verbindung zur nächsten Stadt, bestand aus eisgläsern überzogenen Pfützen, tief ausgefahrenen Fuhrwerksrinnen und nassen Schneeresten, in denen sich gelegentlich ein Stiefelabdruck abzeichnete. Hatte es einer noch eiliger gehabt als er, in die Stadt zu gelangen?
Dass er sich nach dem Ausmisten und Füttern heimlich davongemacht hatte, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, beunruhigte ihn nicht. Die Familie war seine Eigenmächtigkeiten gewöhnt. Der Gedanke an das Geld allerdings, das er gut verwahrt in der Brusttasche spürte, bewirkte ein unbehagliches Gefühl in seinem Magen, wie er es kannte, wenn er es aus gewissen Gründen seiner Anni gegenüber an Aufrichtigkeit fehlen ließ oder bei anderer Gelegenheit gezwungen war, etwas