Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk. Tino Hemmann

Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 1 - Die Schlacht in Magnitogorsk - Tino Hemmann


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nicht betrachtet. Wahrscheinlich bedeute ich ihm nichts.«

      »Vielleicht ja doch. – Laura?«

      »Was?«

      »Wenn mit mir so etwas passieren würde, ich meine so etwas, wie es mit Igor passiert ist, was würdest du dann tun?«

      »Was soll die komische Frage?«

      »Bin ich dein Freund?«

      »Klar doch. Bist du.«

      »Igor war auch mein Freund.«

      »Wahrscheinlich würde ich kein Auge zumachen, bis ich wüsste, wer es getan hätte.«

      »Und dann? Wenn du es wüsstest?«

      »Fedor! Schluss jetzt damit! Sag mir was Schönes.«

      »Was Schönes? Weißt du, was mein Papa nebenan mit Katie macht?«

      »Wer ist Katie?«

      Fedor kicherte. »Sie ist von der Kripo. Sie lieben sich. Und ich kann es ganz gut hören. Sie denken immer, dass ich schon schlafe.«

      »Woher willst du wissen, dass sie ...«

      Ganz leise wurde Fedors Stimme, fast so, als würde er Laura eine Einschlafgeschichte erzählen. »Weißt du, zuerst reden sie nur. Dann schleichen sie in mein Zimmer und ich tu, als würde ich schlafen. Dann flüstern sie und ich höre das Sofa. Dann küssen sie sich und feixen ständig. Irgendwann stöhnen sie. Dann ist früher oder später Ruhe. Und immer, wenn ich denke, dass sie eingeschlafen sind, stehen sie auf und gehen auf den Balkon Zigaretten rauchen. Dann kommen sie wieder in mein Zimmer und kontrollieren, ob ich noch schlafe. Und dann gehen sie selbst schlafen.«

      »Du meinst, sie sind verliebt?«

      »Klar doch. Sie küssen sich auch, wenn ich dabei bin. Sie denken, weil ich es nicht sehen kann, merke ich nichts davon.«

      Laura lachte übertrieben auf. »Woher willst du wissen, dass sie’s tun?«

      »Glaub mir, ich kriege das mit.«

      »Wär’ doch schön, wenn du wieder eine Mutter bekommst. Oder?«

      Fedor schwieg sehr lange. »Ich kann mich an meine Mama nicht erinnern. Papa schaut sich manchmal Bilder an. Es gibt nur ganz wenige. Er sagt, dass sie auf allen Bildern lacht. Es wird keine andere geben, die so lacht wie meine Mutter.«

      »Ach Fedor ...« Jetzt klang Lauras Stimme wieder traurig. »Und wenn ich lache? Wie gefällt dir das.«

      »Ich weiß nicht, Laura, wenn du lachst, klingt es wie Schaf und Ziege gleichzeitig. Ich werde dich Schatzi nennen. Halb Schaf, halb Ziege.« Jetzt lachte der Junge.

      »Blödmann! Los, ich will jetzt schlafen. Viel Spaß noch mit dem Liebespaar.«

      »Gute Nacht, Laura.«

      »Gute Nacht, Fedor.« Ein Kussgeräusch war zu hören.

      Fedor ließ absichtlich einen Zungenklick in das Handymikrofon los, lachte, legte das Handy unter das Kopfkissen und lauschte kichernd den Ereignissen im Nachbarzimmer.

      Artjom biss erbarmungslos auf seine struppige Zahnbürste. Er stand mit freiem Oberkörper vor jenem Bett, in dem normalerweise er schlief, falls er eine Nacht in seiner Absteige nahe der Seslavinskaya Ulitsa – fast mittig zwischen den Metrostationen Bagrationowskaya und Filjowski Park der Filjowskaya-Linie Nummer 4 – im Moskauer Stadtteil Filjowski Park, nur 500 Meter vom großen Fili-Park entfernt, verbrachte. Hier war Artjom bereits unzählige Male in einer selbst auferlegten Trainingseinheit eine lange, steile Treppe, die zum Moskwa-Ufer führte, wie ein Besessener, von Ruhe suchenden Moskauern begafft, hinauf und hinunter gerannt, um – nach ausgiebigen Streckübungen am blauweißen Treppengeländer – inmitten der rasant wachsenden Metropole Moskau unter einhundertjährigen Laubbäumen im Wald entlang der mitunter steilen Ufer der Moskwa seine Ausdauerlaufrunden zu drehen. Dabei war er sich nie dessen bewusst, dass genau hier vor Jahren Peter der Große, Katharina die Große und etliche andere adlige Persönlichkeiten im gleichen Park ihrem Jagdvergnügen nachgegangen waren. Von seiner engen Wohnung im Dachgeschoss eines betagten Hauses bis zum Moskauer Internationalen Handelszentrum, der besagten »Moskwa City«, und dem dort befindlichen vierunddreißigstöckigen Bürogebäude Tower 2000 war es nur ein Katzensprung – für Moskauer Verhältnisse.

      »Aufstehen, Sergei, los, du Faulpelz!« Artjom rüttelte Sergei Michailowitsch Smirnow, mit dem er bis weit nach Mitternacht etliche Sto-Gramm-Gläser geleert hatte, derb an der Schulter. »Los, Sergei, aufstehen! Wie geht’s dir?«

      Smirnow antwortete mit einem Stöhnen auf die Floskel und griff sich an den Kopf. »Dämliche Frage. Großer Gott, was haben wir nur getrunken?«

      »Russen heilen damit ihre seelischen Wunden. Wenigstens hast du schlafen können. – Geh in mein Bad, mach dich frisch und dann iss etwas.« Der Hüne spuckte in ein mit Wasser gefülltes Wodkaglas, nahm einen Schluck, gurgelte ziemlich lange, lief zur Spüle in der offenen Küche, spuckte hinein, leerte anschließend das Glas, trocknete erst den Mund und dann das Glas mit einem Lappen ab und stellte es in einen Hängeschrank.

      »In einer Stunde müssen wir los. Ich bestelle ein Taxi, Parkplätze gibt es dort so oder so nicht.« Plötzlich stampfte Artjom auf Smirnow zu, der schwankend im Zimmer stand, umarmte und herzte ihn. »Es tut mir so leid, Sergei, ich weiß, wie sehr du deinen Igor liebst. Es tut mir so leid. Ich wollte, ich hätte es verhindern können.«

      Als würde ihm erst jetzt die Tragweite der Tragödie bewusst werden, schaute Smirnow auf, direkt in die Augen von Artjom. Er hielt dessen Kopf zwischen seinen Händen, während Tränen aus Smirnows Augen schossen. »Diese Schweine sollen das gleiche Schicksal erleiden. Versprichst du mir das, Artjom? Versprich es mir! Du bist jetzt alles, was ich noch habe.«

      »Versprochen, alter Mann. Keine Gnade. Versprochen.« Noch einmal drückte Artjom den Geschäftsmann so fest, dass er ihn fast zerquetschte. »Nun geh und mach dich frisch!«

      *

      Kurze Zeit später saßen beide im Taxi. Smirnow – hinten sitzend – hielt die Aktentasche mit der linken Hand fest, während er mit der rechten telefonierte.

      »Anatolij, mein Freund, tut mir leid, dass ich dich geweckt habe, wir sind ein paar Stunden voraus. Hast du mit diesem Kommissar gesprochen?«

      »Habe ich. Ich weiß nun, dass beiden aus nächster Nähe mit einer Beretta von hinten in den Kopf geschossen wurde zuerst dem Mädchen, dann dem Jungen – sie standen vor dem Kamin mit dem Rücken zum Mörder. Sie sagen, der Schütze war zwischen ein Meter siebzig und ein Meter neunzig groß. Mehr wissen oder sagen sie nicht. Ich bleibe dran. Pass auf dich auf, Sergei. Pass gut auf dich auf.«

      »Ich habe einen förderlichen Schutz. Artjom, du weißt schon. Er ist bei mir.«

      »Okay, Sergei. Ich melde mich, wenn ...«

      »Artjom? Sag, hast du ihn gesehen? Hast du meinen kleinen Igor noch mal gesehen, als er ...«

      »Ja. Ich habe deinen Jungen gesehen. Wenigstens musste er keine Schmerzen leiden. Wenigstens das.«

      »Ich habe die Eintrittskarten«, Smirnow schluckte, »ich hatte sie schon gekauft. Wir wollten nächste Woche einen ganzen Tag ... Ich hatte viel zu selten Zeit für ihn. Und auch jetzt war ich nicht da für Igor, vielleicht hätte ich ...«

      »Sergei, Moskau glaubt den Tränen nicht. Die Deutschen sagen: Jammern hilft nichts. Alle hier tun ihr Bestes. Das solltest auch du tun.«

      Das Taxi hatte längst die Moskwa überquert und bog über einen großen Kreisverkehr in die Testovskaya Ulitsa ein, die im südwestlichen Bogen wieder an der Wolga entlang zum Tower 2000 führte, der unmittelbar an der daran angeschlossenen überdachten und zweigeschossigen Bagrationbrücke stand, in der sich mehrere Dutzend Geschäfte und eine Aussichtsplattform befanden.

      »Gut, Anatolij, du kennst diese Wunden. Dir muss ich es nicht erklären. Wir sind jetzt


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