Schwarzer Kokon. Matthias Kluger

Schwarzer Kokon - Matthias Kluger


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States Senate gewählt und vertritt seither, neben Senator Frank Brown, den Bundesstaat Columbia.

      Fredrik verließ nach seinem Telefonat mit Chief Willson das Arbeitszimmer des dreihundert Quadratmeter großen Apartments. Seine Frau und er hatten es vor drei Jahren gekauft, zogen vom nahe gelegenen Alexandria, Virginia, direkt in die Nähe des Capitols, als abzusehen war, dass Haskins chancenreichster Kandidat auf den Senatorenposten des Bundesstaates Columbia war.

      Mit hochgekrempelten Ärmeln stand Olivia in der Küche, knetete Teig und weißes Mehl staubte ihre Unterarme herauf.

      »Sie haben Marc verhaftet«, sagte Fredrik kurz und knapp.

      Olivia beendete die Massage des Teigs und sah Fredrik erstaunt an. »Wieso verhaftet? Im College?«

      »Ganz sicher nicht im College! Dieser Idiot hat sich heute Morgen in einer Bar geprügelt und sich festnehmen lassen. Den anderen hat er so zusammengeschlagen, dass dieser ins Hospital eingeliefert werden musste.«

      Besorgt nahm Olivia ein Handtuch und wischte sich grob das Mehl sowie restlichen Teig von ihren Händen. »War das der Anruf von eben?«

      »Ja, ein Chief Willson von der USCP hat Marc in Gewahrsam und mir versichert, dass er die Presse raushalten will. Ich kann nur nicht sagen, ob er wirklich hält, was er verspricht. Ist ein arrogantes Arschloch am Telefon. Ich habe gleich Michael angerufen, aber der ist bei Gericht und erst wieder um 14 Uhr im Büro.«

      »Und wo ist Marc jetzt?«

      »Hinter Gittern, bei der USCP. Ich kann unmöglich zu ihm fahren. Da kann ich gleich die Washington Post anrufen. Könnte nicht vielleicht Stephen …«

      »Stephen ist im College – denke ich.« Olivia überlegte, ob Stephen eventuell auch, statt im Hörsaal der Uni, gerade in einer Bar seinen Vormittag verbrachte. »Er wollte später kurz vorbeikommen, um nachmittags zu Susan zu fahren, sie hat heute Geburtstag. Ich backe gerade einen Kuchen für sie. Meinst du, es ist ratsam, Stephen zu Marc zu schicken?«

      »Sicher hast du recht, das macht alles keinen Sinn. So ein Mist. Wie ein dahergelaufener Halbstarker, der sich mit asozialem Pack prügelt. Er ist verdammt noch mal der Sohn eines Senators der Vereinigten Staaten – Herrgott noch mal!« Fredrik redete sich in Rage.

      »Wo ist Senator Brown?«, versuchte Olivia abzulenken.

      »Eben gegangen, als der Anruf vom Police Department kam. Ich treffe ihn gleich nachher im Club.«

      »Dann fahr du mal in den Club und versuche von unterwegs Michael zu erreichen. Ich bleibe hier, falls nochmals jemand wegen Marc anruft. Außerdem muss der Kuchen fertig werden und so weit ich es verstehe, können wir momentan sowieso nichts weiter unternehmen. Gib mir Bescheid, was Michael sagt. Soll ich vielleicht später zu Marc fahren?«

      »Lieber nicht. Warten wir ab, was Michael vorschlägt. Besser, wenn er als Anwalt sich der Sache annimmt. Dann bleibt es hoffentlich unter dem Teppich. Ich reiße Marc den Kopf ab, wenn ich ihn in die Finger kriege!«

      »Ja, ja.« Olivia schob Fredrik aus der Küche. »Fahr du jetzt in den Club, ich halte hier die Stellung.«

      Fredrik gab Olivia einen Kuss und machte sich auf den Weg zum Club. Wie immer behielt Olivia auch in brenzligen Situationen die Nerven. Fredrik bewunderte sie insgeheim dafür.

      Er hatte seine Frau am College kennengelernt. Auch heute noch war sie eine gut aussehende Frau Mitte vierzig und seit zwanzig Jahren mit ihm verheiratet. Als sie damals schwanger wurde, machte ihr Fredrik umgehend einen Heiratsantrag. Gemeinsam verbrachten sie zwei Jahre in Europa und ihre beiden Zwillinge, Marc und Stephen, kamen in Hamburg zur Welt. Die beiden waren keine eineiigen Zwillinge, sicher einer der Gründe ihrer völlig unterschiedlichen Charaktere.

      Olivia buk weiter ihren Kuchen, indes sie über Marc und Stephen nachsann. Während Stephen ein Musterschüler war, hatte Marc stets Probleme mit seinen Noten. Stephen gab sich arrogant und trug stolz den Namen Haskins. Er ließ keine Situation aus, damit anzugeben, und Luxus war für ihn Lebenselixier. Auf viele wirkte er dadurch versnobt, doch es kümmerte ihn nicht.

      Ganz anders Marc. Als Erstgeborener erblickte er eine Stunde vor Stephen die Neonlampe des Kreißsaals. Schon immer war er ein Kämpfer gewesen. Verbote stellten für ihn schier Anreiz dar, diese zu brechen. Jedoch war er tief in seinem Inneren ein Herz von einem Menschen. Dies betonte Olivia stets, wenn es mal wieder Probleme mit Marc gab. Und die gab es zuhauf. Es ging schon in der Vorschule los und zog sich bis zum heutigen Tag wie ein roter Faden.

      Beide Brüder verband eine Art Hassliebe. Zwar war Marc schon als kleiner Junge stets zur Stelle, seinen jüngeren Bruder zu beschützen, selbst dann, wenn Vater laut schimpfend Strafen erteilte. Je älter die beiden allerdings wurden, desto mehr lebten sie sich auseinander. Stephens arrogante Art missfiel Marc mehr und mehr, Stephen wiederum tadelte Marcs, wie er es formulierte, ›Einstellung zum Leben‹. Um häufige Wortgefechte zu vermeiden, gingen beide in den letzten Jahren ihrer eigenen Wege.

      Fredrik bog direkt in die Auffahrt zum Haupteingang des Oval Clubs. Seine Wagenschlüssel des Bentley Brooklands, Baujahr 1998, übergab er einem jungen Farbigen, der diesen in die mit Kameras überwachte Tiefgarage fuhr. Ein Butler begrüßte ihn mit Namen und öffnete die Eingangstüre des alten, im Kolonialstil eingerichteten Gebäudes, ganz in der Nähe der Union Station. Die hohen Decken der mächtigen Räume wurden von schweren Säulen getragen. Helle Wände neben viel dunklem Holz verliehen der Architektur eine sakrale Atmosphäre.

      Um Mitglied des Oval Clubs zu werden (der Name wurde zu Ehren des Oval Office gewählt), waren vier Mitglieder des Clubs als Bürgen notwendig. Politiker, Unternehmer wie hochrangige Persönlichkeiten bildeten den Kern des Clubs und so manches Geschäft oder Gesetz wurde in diesen Räumlichkeiten zur Verabschiedung vorbereitet.

      Fredrik durchschritt die Eingangshalle, die von einem riesigen, herabhängenden Lüster gekrönt wurde, und steuerte zu einem der hinteren Räume. Er betrat durch die vertäfelte Türe einen etwa achtzig Quadratmeter großen Raum mit schweren, braunen Ledersesseln und dunklen, massiven Tischen. Das Mobiliar war so angeordnet, dass man die Gespräche der anderen Mitglieder nicht mitverfolgen konnte. Neben der Eingangstüre saßen bereits Senator Brown sowie sein Assistent in einer Nische.

      »Hallo, Fred, konntest du heute Vormittag alles klären?«, fragte Senator Brown gleich zur Begrüßung.

      »Danke, Frank, alles bestens.«

      Fredrik füllte ein Glas der kleinen Bar bis zum Rand mit Eiswürfeln und goss einen Schluck Bourbon ein. Sodann machte er es sich in einem alten Ledersessel bequem und schlug seine Knie übereinander.

      »Also, Fred, was gedenkst du zu tun?« Brown sah Fredrik fragend an.

      »Eine echt heikle Situation«, antwortete Fredrik, nippte kurz am Bourbon, dann führte er weiter aus. »Stehen wir im Fall Sanders hinter der Todesstrafe, haben wir sicherlich die USCP sowie einen Großteil der weißen Wählerschaft hinter uns. Wehren wir uns dagegen, versuchen wir gar Einfluss auf die Entscheidung des Bundesrichters zu nehmen, könnten wir uns eine Menge Ärger einhandeln.«

      »Aber das Video?«, gab Brown zu bedenken.

      »Bis jetzt hat es noch keiner zu Gesicht bekommen und was beweist es schon?«

      »Fred, es zeigt, dass der Polizist zuerst geschossen hat! Meines Erachtens war es Notwehr, als der Neger, nachdem er am Bein getroffen wurde, zugestochen hat. Noch dazu sieht man zu gut, wie der Cop nach dem ersten Schuss dem verletzten Neger die Waffe direkt an den Kopf gehalten hat. Das verstößt eindeutig gegen alle Regeln!«

      »Frank, die Cops setzen täglich ihr Leben aufs Spiel. Kannst du einen guten und einen schlechten Nigger unterscheiden? Die haben doch alle die gleichen Klamotten an. Also Frank, was haben wir? Einmal die Videobänder aus dem Store, die den Neger beim Überfall zeigen. Dass er keine Waffe bei sich hatte, kann man nicht erkennen. Zum Zweiten die Aufnahme der Straßenkamera. Wird diese


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