Im März färbte sich der Frühling braun. Manfred Eisner

Im März färbte sich der Frühling braun - Manfred Eisner


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entgangen, dass Sie sich doch in der letzten Zeit einige Mühe geben, sich besser im Zaum zu halten.«

      Kriminaloberrat Stöver lächelt. »Es freut mich sehr, dass Sie und der Herr Doktor so liebenswürdig über mich denken. Mit Uwe Pepperkorn konnte ich ganz gut, was ich leider von seiner jetzigen Nachfolgerin, Frau Doktor Bachmann, nicht gerade behaupten kann. Mit ihrem Assessor Doktor Kramer schon.«

      »Na, bedenken Sie doch, dass Frauen naturgemäß eher schockiert und rascher eingeschnappt sind, wenn Männer laut werden, lieber Herr Kriminaloberrat.«

      »Das trifft Gott sei Dank nicht auf Sie zu, Frau Masal. Ich habe mit Erstaunen festgestellt, dass meine gelegentlichen Ausbrüche Sie unbeeindruckt ließen und Sie diese ohne ein Wimpernzucken einfach ignorierten und sehr nüchtern reagierten. Mir hat übrigens Ihr durchaus professionelles Verhalten sehr gut gefallen und ich freue mich wirklich auf diese erneute Zusammenarbeit. Ich mache kein Hehl daraus, dass mich früher jegliche äußerliche Einmischung in unsere Arbeit und Kompetenzen ebenso ungehalten gemacht hat. Aber ich muss bekennen, dass mich die persönliche Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihren Kieler Kollegen vom LKA in der letzten Zeit eines Besseren belehrt hat. Sie haben in erheblichem Maße zur Lösung unserer gerade behandelten Fälle beigetragen, und dafür sind wir Ihnen hier besonders verbunden! Im Übrigen darf ich Sie auch noch zu Ihrer Berufung als Teamleiterin Sonderermittlungen beglückwünschen, da haben Ihre Vorgesetzten wahrhaftig eine sehr gute Initiative ergriffen.«

      Nili bedankt sich mit einem Lächeln und trinkt einen Schluck Wasser.

      »Und Sie haben sich gleich diesen ungelösten Fall aus unserer Gegend herausgepickt?«, fragt der Kriminaloberrat. »War das Zufall?«

      Nili schüttelt verneinend den Kopf. »Nennen Sie es Zufall, womöglich liegen Sie damit richtig. Erst einmal Folgendes: Wie wir annehmen, sind es mit großer Wahrscheinlichkeit sogar zwei zu etwa der gleichen Zeit vermisste Personen, deren Fälle in welcher Form auch immer zusammenhängen: Die eine Person ist von hier, die andere aus Oldenmoor. Tatsächlich zog unsere neue Kollegin Förster die Akte der Heide Mertens aus einem der riesigen Stapel, die auf unseren Schreibtischen liegen, und fand ihn besonders interessant. Im Laufe der ersten Ermittlungen stießen wir auf einen weiteren Vermisstenfall, der ebenfalls kurz vor Ostern letzten Jahres geschah und mit dem wir eine wahrscheinliche Verquickung mutmaßen.« Nili teilt Kriminaloberrat Stöver ausführlich die diesbezüglichen Fakten und ihre Vermutungen mit. Dann blickt sie auf ihre Uhr. »Ich glaube, wir sollten uns langsam auf den Weg machen, Herr Kriminaloberrat, um Heide Mertens’ Klubkameradinnen zu befragen. Vielleicht gibt es bald eine Gelegenheit, diese interessante Konversation fortzusetzen. Im Übrigen darf auch ich Ihnen versichern, dass wir beide uns doch jetzt ganz gut verstehen und mir die Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihrem Team großen Spaß macht!«

      »Sie haben recht, Frau Masal«, sagt der Kriminaloberrat mit einem Lächeln und beide erheben sich. »Jedenfalls vielen Dank für Ihre netten Worte, dass Sie mich in Ihre Ermittlungen mit einschließen und auch dafür, dass Sie mir so geduldig zugehört haben. Eine Bitte hätte ich aber noch: Darf ich mit Ihnen fahren? Sie müssen wissen, ich bin ein ausgesprochen schlechter Autofahrer. Ich habe zwar einen Dienstwagen auf dem Parkplatz stehen, nutze ihn aber nur äußerst ungern und auch nur dann, wenn es sich absolut nicht vermeiden lässt. Mit Ihnen fahre ich dagegen sehr gern und wir können uns ja dabei weiter unterhalten.«

       *

      »Vielen Dank, Frau Schindler, dass Sie uns die Mitgliederliste und die anderen Daten umgehend gefaxt haben. Sie haben uns damit sehr geholfen! Darf ich Ihnen Herrn Kriminaloberrat Heinrich Stöver, Leiter der hiesigen Bezirkskriminalinspektion, vorstellen?« Nili wartet, bis die beiden einander zugenickt haben, und spricht dann weiter: »Wie ich Ihnen gestern schon gesagt habe, ist er damals kurzfristig für den plötzlich erkrankten Kollegen Thumann eingesprungen.«

      »Auch einen Dank von mir, sehr geehrte Frau Schindler«, sagt der Kriminaloberrat, »dass Sie uns freundlicherweise diesen Besuch gestatten, um die Fechtkameradinnen der vermissten jungen Frau Mertens kennenzulernen.«

      »Ist doch selbstverständlich! Wir sind ebenfalls sehr daran interessiert zu erfahren, was mit unserer erfolgversprechenden Sportskameradin geschehen sein mag. Gehen wir also zum Fechtboden, den Mädels habe ich Ihr Kommen bereits angekündigt.«

      Die anschließende Befragung der beiden Teenager, die laut Meinung von Frau Schindler der Heide Mertens etwas nähergestanden haben, ergibt allerdings nicht viel Neues. Saskia Niehus, eine brünette, leicht gedrungene Gestalt, die wegen ihrer überlangen Arme auffällt, und auch Bente Freese, blond, blauäugig, schlank und großgewachsen, berichten gleichlautend, dass Heide eine sehr nette und besonders herzliche Kameradin gewesen sei. Immer gut gelaunt und fröhlich, stets fleißig beim Training und sehr konzentriert beim Fechten. Sie hätten sie zuletzt beim letzten Übungsabend vor Ostern gesehen. Heide hat Bente anvertraut, dass sie in den Osterferien ein paar Tage mit ihrem neuen Freund verreisen würde. Wer das gewesen sei, weiß Bente jedoch nicht. Auf die Frage, ob sie etwas über den DJ Mario aussagen können, erklären Frau Schindler und die Mädels, dass dieser ihre vorletzte Weihnachtsfeier musikalisch gestaltet hat und alle ihn in seinem Wirken besonders gut fanden. Frau Schindler bedauert, dass sie danach vergeblich versucht hat, erneut Kontakt zu ihm aufzunehmen, um den Entertainer auch für das nächste Vereinsvergnügen zu engagieren. Nein, ihnen sei nicht aufgefallen, berichten sie auf Nilis Befragen, dass der Diskjockey und Heide sich irgendwie nähergestanden haben könnten.

       *

      »Fahren Sie zufällig heute Abend noch nach Oldenmoor, Frau Kriminalhauptkommissarin?«, fragt KOR Stöver, nachdem sie wieder in Nilis Cross Polo Platz genommen haben.

      Nili lächelt ihn an. »Ja, ich setze Sie gern auf dem Weg dorthin in Honigfleth bei Ihrer Schwester ab, wenn Sie das meinten, Herr Kriminaloberrat.«

      »Danke, das wäre sehr nett von Ihnen, dann kann mich ja mein Schwager danach wieder nach Hause bringen.« Während sie aus Itzehoe herausfahren, meint Nili: »Also da haben wir jetzt wenigstens die Bestätigung der einen Sportsfreundin erhalten, dass sich die vermeintlich tugendhafte Heide mit einem ›neuen Freund‹ – wer auch immer das gewesen sein mag – eine kleine Auszeit genehmigen wollte.«

      »Ja, da haben Sie wohl ganz recht, dass eher besagter DJ Mario anstatt eine nicht existente Marianne als Reisebegleitung infrage kommt. Übrigens, nach Ihrem gestrigen Telefonanruf habe ich unsere diesbezüglichen Unterlagen im Archiv durchsuchen lassen, doch leider wurde Werner Thumanns schwarzes Notizbüchlein nicht aufgefunden.«

      »Könnten wir ihn vielleicht danach befragen – wissen Sie überhaupt, was aus Ihrem Vorgänger geworden ist?«

      KOR Stöver schüttelt den Kopf. »Leider nicht, ich werde mich aber gleich am Montag darum kümmern. Was ich übrigens zufälligerweise von unserer Kriminaloberkommissarin Dörte Westermann erfahren habe, weil wir nach Ihrem Telefonat über den Fall sprachen, ist, dass ihre jüngste Schwester Doro eine Klassenkameradin von Heide Mertens gewesen ist. Frau Westermann will sie fragen, ob sie uns etwas Nützliches über die Mertens erzählen kann, und dann meldet sie sich bei Ihnen.«

      »Danke, Herr Stöver, sehr gut! Je mehr wir erfahren, desto besser! Ich denke auch, dass wir Heides Mutter noch einmal befragen sollten. Die arme Frau tut mir zwar sehr leid, aber wir können ihr das dennoch nicht ersparen. Es ist kaum anzunehmen, dass ihr als Heides Mutter die Liebelei ihrer Tochter ganz verborgen geblieben sein kann. Ich gebe Ihnen jedenfalls rechtzeitig Bescheid für den Fall, dass Sie oder einer Ihrer Kommissare dabei sein möchten. So, wir sind schon da.« Nili hält am schönen, reetgedeckten Haus nahe der historischen Honigflether Schöpfmühle an, um den Kriminaloberrat hinauszulassen. »Schönes Wochenende und wir bleiben im Kontakt«, wünscht sie ihm, hupt noch einmal kurz zum Abschied und fährt dann weiter auf der alten B 5 in Richtung Oldenmoor.

       *

      »Hola, querida Abuelita«, ruft Nili von der Diele aus, während sie sich an der Garderobe ihres Mantels und der pelzgefütterten Stiefeletten entledigt und in ihre Sandaletten steigt. Hocherfreut, auch wieder ihre Mutter zu sehen, die zusammen mit Oma Clarissa aus der Küche auf sie zukommt, um sie zu begrüßen, setzt


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