Die Dschihad Generation. Petra Ramsauer
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Petra Ramsauer
DIE DSCHIHAD GENERATION
WIE DER APOKALYPTISCHE KULT DES ISLAMISCHEN STAATS EUROPA BEDROHT
Anmerkung: Bei Namen und Begriffen aus dem Arabischen wurde die in den Medien geläufigste Transkription gewählt, auch wenn diese nicht immer als „richtig“ im Sinne sprachwissenschaftlicher Vorgaben gilt. Bei den Namen von Betroffenen wird bei Minderjährigen immer nur der Vorname genannt. Bei Volljährigen wird der Familienname abgekürzt, der volle Name wird bei jenen genannt, die ob ihrer Taten als Personen des öffentlichen Interesses gelten.
ISBN 78-3-990-40384-6
Wien – Graz – Klagenfurt
© 2015 by Styria premium in der
Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG
Alle Rechte vorbehalten.
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Lektorat: Elisabeth Wagner
Covergestaltung: Bruno Wegscheider
Layout: Alfred Hoffmann
Coverfoto: IMAGO/Xinhua
1. digitale Auflage:
Zeilenwert GmbH 2015
Inhalt
Warum Tausende europäische Jugendliche von der Terrormiliz des „Islamischen Staates“ fasziniert sind
Die Psychotricks des IS-Kults, seine Ideologie und wie die Rekrutierung der Fangemeinde läuft
Wie der Krieg in Syrien den IS zu dem machte, was er ist: Dschihadisten-Großmacht mit Endzeitfantasie
Realverfassung des Kalifats: Die Bürokratie des Terrors und der Krieg der Kämpfer
Die IS-Dschihadistinnen: Welche Rolle sie im Kalifat spielen und warum Europäerinnen so fasziniert sind
Das Internet als Terror-PR-Hochburg: Ein Österreicher und ein Deutscher erfinden den Pop-Dschihad
Wie der IS-Terror in Österreich, Deutschland und dem übrigen Europa Fuß fassen konnte und Einzeltäter zur größten Bedrohung werden
Gefängnisse sind Risikozonen weiterer Radikalisierung: Ein dänisches Modell zeigt Alternativen im Umgang mit Syrien-Rückkehrern auf
Vorwort
Kurz bevor ich begonnen habe, diesen Text zu schreiben, hörte ich im Radio, dass die Miliz des Islamischen Staates in der syrischen Stadt Palmyra den hiesigen 82-jährigen Chefarchäologen exekutiert hat. Er wollte sie davon überzeugen, dass es ein Verbrechen wäre, die Kunstschätze dieser antiken Stadt zu zerstören. Der alte Mann wurde enthauptet und sein Torso ist jetzt an einen Pfahl im Zentrum der Stadt gebunden. Oft hatte ich in den vergangenen Monaten, während ich an diesem Buch gearbeitet habe und über den unfassbaren Horror las, ein Gefühl wie jetzt: Mein Herz rast und mein Atem stockt, weil ich es nicht fassen kann, wozu diese jungen Menschen fähig sind. Ich hoffe, ich kann Ihnen trotz meiner Fassungslosigkeit kompetente Antworten darauf liefern: warum diese Terrorgruppe nicht bloß massiven Zulauf von Jugendlichen aus Europa erhält, warum sie schon über ein Jahr ein Gebiet in der Größe von Großbritannien halten kann, welche Rolle apokalyptische Visionen spielen und vor allem, wie man das neu entstandene Terrorrisiko in den Griff bekommt. Vor allem geht es um Jugendliche, die sich von der abstrusen Welt des „Pop-Dschihadismus“ angezogen fühlen und nicht abgeschreckt werden von den unfassbaren Gräueltaten.
Heute ist auch der Todestag von Jim Foley, der ebenfalls brutal ermordet wurde. Schon deshalb, weil wir Journalisten auch direkt bedroht sind, ist dies ein sehr persönliches Buch. Es ist vor allem von meiner Wahrnehmung dieser Terrorgruppen von meinen Reisen nach Syrien, in den Irak, nach Libyen und zu den Hochburgen von Europas Dschihadisten geprägt. Um zu betonen, dass ich nicht ansatzweise den Anspruch stelle, die Wahrheit beschreiben zu können, sondern eben meine Wahrheit zu Papier gebracht habe, werden Sie häufig das Wort „ich“ lesen. Ich bin in erster Linie Reporterin und der zentrale Teil meines Berufes ist es, mitunter sehr komplizierte Zusammenhänge in lesbare Geschichten zu übersetzen. Der Konflikt in und um Syrien, eigentlich im gesamten Nahen Osten, und seine Folgen für den globalen Terror sind so unübersichtlich und bedrohlich geworden, dass viele davor zurückschrecken, sich noch mit dem Thema zu befassen. Deshalb habe ich dieses Buch behutsam geschrieben und wann immer ich es für möglich hielt, vereinfachte ich die Darstellung von Entwicklungen im Sinne dieser Lesbarkeit und Verständlichkeit. Es gibt zahlreiche Quellenangaben, die die Möglichkeit bieten, vertiefende Texte zu finden. Fast alle sind online abrufbar, die Aktualität der Links wurde vor Drucklegung überprüft (Stand August 2015).
Unser Umgang mit dem Phänomen des „Islamischen Staates“ samt seiner internationalen Terrormiliz ist noch so neu, dass heute nicht einmal ein Rohentwurf einer späteren Geschichtsschreibung vorliegt. Mit jedem Tag kommt eine Flut neuer Informationen dazu, und immer wieder gilt es, den Wissensstand anzupassen. Seit 1999 arbeite ich als Reporterin im Ausland, seit 2011 fast ausschließlich im arabischen Raum. Vor fast einem Vierteljahrhundert, 1992, habe ich meine Diplomarbeit im Fach Politikwissenschaft „Osama bin Ladens Terrorkrieg“ gewidmet. Damals gab es noch keine al-Kaida, „nur“ eine erste Generation von Gotteskriegern, die in Afghanistan kämpfte.
Seither arbeite ich vor allem als Journalistin immer wieder zu dem Thema. 2001 habe ich vom Krieg aus Afghanistan gegen die al-Kaida-Stellungen und die Taliban berichtet und recherchiere immer wieder in diesem Land. 2003 war ich im Süden des Irak, als die Invasion der USA und ihrer Verbündeten begann und Saddam Hussein gestürzt