Die Schlacht um Viedana: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 2). Jork Steffen Negelen
Jork Steffen Negelen
Zweiter Teil:
Die Schlacht um Viedana
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2015
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Zweite überarbeitete Auflage
Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig
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1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015
Der Meisterdieb des Alsacan
Von den Türmen ihrer Stadt Isagrahl sahen die Wachen dem Untergang der Sonne zu. Die Hitze des Tages nahm langsam ab und die Obinarer kamen aus ihren Häusern. Auf den schattigen Straßen und Plätzen waren am frühen Abend wieder die zahlreichen Händler zu sehen. Vor der drückenden Mittagshitze hatten sie sich in ihre Häuser zurückgezogen. Jetzt herrschte, bis zum endgültigen Einbruch der Nacht, ein reger Handel.
In der Stadtburg war von diesem Handel nur sehr wenig zu spüren. Der König der Obinarer liebte es nicht besonders, wenn ihn jemand bei seinem Abendmahl im Kabinett störte. Für ihn war es immer wieder ein Genuss, sich den Speisen und dem Wein in Ruhe und Gelassenheit hinzugeben. Doch als er von einem Boten des Priesterkönigs Tholoam erfuhr, dass dieser bald zum Angriff auf das Königreich Ansuni bereit war, ließ er von seinen Mahl ab. Natürlich schickte er den Boten mit der Nachricht zurück, er wäre ebenfalls schon längst bereit, für diesen ruhmreichen Krieg. Doch ihm war bei dem Gedanken an den Drachenjungen und diese Kobolde nicht besonders wohl.
Alsacan ahnte schon, dass es keinen leichten Sieg geben würde, wenn er nicht einen entscheidenden Vorteil in seinen Händen hätte. Dazu wäre es natürlich sehr nützlich, wenn er die Pläne von Core von Avanura und seinem Bruder Harold von Ansuni kennen würde. Dummerweise hatte er in einem Wutanfall den schwarzen Gnom Gabon, den einzigen fähigen Zauberer, der die Pläne der Menschenkönige ausspionieren konnte, vor kurzem erst erschlagen. Jetzt könnte er ihn gut gebrauchen. Während Alsacan in seinem Kabinett auf und ab ging, dachte er angestrengt nach. Doch bei aller Grübelei kam ihn zunächst keine brauchbare Idee. Er wollte schon verärgert das Kabinett verlassen, da erregte ein kleiner Ring auf seinem Tisch seine Aufmerksamkeit. Alsacan nahm ihn in die Hand und betrachtete ihn von allen Seiten. So sehr er sich auch bemühte, etwas Besonderes konnte er an ihm nicht feststellen. Es war ein einfacher Ring aus Silber, mit einem kleinen gelben Stein.
Und doch wirkte er irgendwie edel. Sein Besitzer war ein merkwürdiger dunkler Elf, der auf dem Marktplatz mit einem einheimischen Kaufmann einen Streit angefangen hatte. Es ging um diesen kleinen Ring. Der dunkle Elf behauptete, der Kaufmann wollte ihm Handschuhe verkaufen, er hätte also seinen Ring abgelegt um sie besser anprobieren zu können. Als er seinen Ring wieder auf seinen Finger stecken wollte, war dieser schon in die Tasche des Kaufmanns gewandert. Der Streit wurde ihm als obersten Gerichtsherr vorgetragen. Für gewöhnlich bekam bei ihm immer der Recht, der ihm von größerem Nutzen sein konnte. Dem König kam die merkwürdige Gestalt des dunklen Elfen wieder in den Sinn. Er war schlank, sein Mantel, seine Hose und die Stiefel waren schwarz. Ja, sogar der Gürtel und seine Knöpfe, alles war schwarz. Da passte der Ring beinah nicht zu ihm. Alsacan hatte dem dunklen Elfen gesagt, dass er bis zu seiner Entscheidung in einem Wirtshaus wohnen sollte. Das war bereits vor drei Tagen. Doch jetzt, da ihm dieser Fall wieder in den Sinn gekommen war, wollte er ihn zu einem Ende bringen. Er rief einen Diener herbei und befahl ihm, diesen dunklen Elfen kommen lassen.
Es verging keine halbe Stunde, da stand der Elf im Kabinett vor ihm und verbeugte sich. Alsacan winkte ihm zu, näher heranzutreten und bot ihm einen Becher Wein an. Doch der Elf lehnte höflich ab. »Wenn Ihr gestattet, mein Herr und König, so möchte ich jetzt noch keinen Wein trinken. Doch solltet Ihr den Streit mit diesem Kaufmann zu meinen Gunsten entscheiden, so trinke ich gern mit Euch einen Becher.« Alsacan belustigte die höfliche Art des dunklen Elfen.
Er lächelte und stellte den Wein zurück auf den Tisch. »Wie du willst, Fremder. Dir geht es um diesen Ring hier. Nimm ihn zurück.« Er legte ihn in die linke Hand des Elfen und sah ihn an. Die eng zusammen stehenden Augen des dunklen Elfen leuchteten fast vor Freude, seine spitzen Ohren wackelten sogar, und selbst die wenigen Haare auf seinem fast blanken Kopf richteten sich auf. Jetzt roch er auch noch mit seiner langen Nase an seinem Ring. Mit einem teuflischen Grinsen sah er Alsacan an. »Ihr habt richtig entschieden, mein hoher Herr, dafür bin ich Euch zu höchstem Dank verpflichtet. Ich stehe in Eurer Schuld. Sagt mir, was ich für Euch tun kann.«
Alsacan schüttelte belustigt den Kopf. Er lachte fast, als er ihm entgegnete: »Was kannst du kleiner Elf schon für mich tun? Ich glaube nicht, dass du mir von Nutzen bist. Nimm also deinen Ring und verlasse meine Stadt in Frieden.«
Da machte der dunkle Elf ein beleidigtes Gesicht. Er tat einen Schritt auf den König zu und hielt ihm den Ring unter die Nase. Dann klärte er ihn auf. »Ich gebe es gern zu, dass ich in Euren Augen klein und schmächtig wirke. Das muss aber kein Nachteil sein. Ich bin kein einfacher dunkler Elf. Oh nein, ich bin weit mehr als das, ich bin ein Schattenalp. Mein Name ist Vagho, und damit Ihr es nur wisst, ich bin selbst ein Meisterdieb und kein plumper Anfänger wie dieser Kaufmann von Eurem Markt. Gelegentlich allerdings betätige ich mich auch als Giftmörder. Dieser Ring ist in Euren Augen nichts Besonderes. Doch er ist absolut tödlich, denn es ist der Ring der sieben Gifte. Ich habe so manchen meiner Feinde damit zu Tode gebracht. Ich verrate Euch natürlich nicht, wie ich es anstelle. Doch lasst Euch versichern, wenn ich meine Kunst an diesem dummen Kaufmann ausprobiere, erlebt er den nächsten Morgen nicht mehr. Und das werde ich, wenn Ihr ihn nicht eher bestraft.«
Alsacan konnte nur schlecht sein Erstaunen verbergen. Dass es die geheimnisvollen Schattenalps geben sollte, das hatte er schon gehört. Doch er wusste nicht, wie sie aussahen und was sie waren, oder wie sie zu den Menschen standen. Deshalb fragte er ihn gleich: »Verstehst du dich mit den Menschen gut, oder haben sie dir schon einmal Ärger bereitet?«
Vagho machte ein finsteres Gesicht. Er nahm jetzt doch einen Schluck vom Wein und fauchte dann los: »Menschen sind für mich ein grauenhaftes Pack. An denen erprobe ich meine Kunst mit Vorliebe. Am liebsten habe ich ihr Gold und ihre Edelsteine. Doch ich sehe es auch gern, wenn sie sich an meinem Gift laben und dann elendig zu Grunde gehen. Und ich sage Euch auch, warum das so ist. Sie haben mein Volk vor Jahrhunderten beschuldigt, ihre Brunnen vergiftet zu haben. Dann haben sie uns von unserer Insel Villbass verjagt und uns verboten, sie jemals wieder zu betreten. Bis heute hat kein dunkler Elf seinen Fuß wieder auf den Boden unserer alten Heimat gesetzt.«
Alsacan rieb sich sein Kinn und bot Vagho einen Stuhl an. »Mein Vater hat mir eine Geschichte erzählt, als ich noch ein kleiner Junge war. Demnach wollten die dunklen Elfen von Villbass mit List und Tücke die weitaus größere Nachbarinsel Avanura von den Menschen befreien. Ich kann das gut verstehen. Dein Volk hatte damals bestimmt keine andere Wahl. Doch glaube mir, die Zeiten ändern sich, bald schon wird ein Krieg heraufziehen, der alles verändern wird. Die Menschen denken, dass sie immer noch so stark und mächtig sind wie zur Zeit der großen Schlacht. Tag für Tag rüsten sie zum Kampf gegen jeden, den sie für ihren Feind halten. Und sie haben Pläne, geheime Pläne. Diese richten sich gegen die Dragolianer und gegen uns, die Obinarer. Was würde ich dafür geben, wenn ich nur einmal einen Blick in ihre geheimen Karten werfen könnte. Zu wissen, was die Menschen vorhaben, das wäre für mich der Schlüssel zum Sieg.«
Alsacan