Meinetwegen kann er gehen. Katrin Unterreiner

Meinetwegen kann er gehen - Katrin Unterreiner


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      Hatte am Ende nicht mehr die Kraft zu kämpfen: Kaiser Karl.

      Katrin Unterreiner

      „Meinetwegen kann er gehen“

      Kaiser Karl und das Ende der Habsburgermonarchie

      Kaiser Franz Joseph interessierte sich nicht besonders für seinen Großneffen Karl.

Inhalt

      Die Eltern Kaiser Karls: Erzherzog Otto und Maria Josepha von Sachsen.

      Vorwort

      Das Ende der Habsburger – Mythos und Wahrheit

      Das Ende der Herrschaft der Habsburger ist bis heute von zahlreichen Mythen, Legenden und weitverbreiteten Irrtümern umrankt. Das Jahr 2018 mit dem 100. Geburtstag der Republik Österreich und damit auch dem Ende der 640-jährigen Herrschaft der Habsburger bietet die optimale Gelegenheit, um den wichtigsten Fragen dazu nachzugehen und anhand von historischen Fakten und bislang unpublizierten Quellen Legenden aufzudecken, Klischees zu widerlegen und die wichtigsten handelnden Personen von einer neuen Seite kennenzulernen. „Mythos und Wahrheit“ werden klar voneinander unterschieden und das Ende einer der mächtigsten Dynastien Europas neu beleuchtet.

      Dass ich wieder spannende neue Fakten präsentieren kann, verdanke ich auch der Hilfe der Mitarbeiter des Staatsarchivs, die mich wie immer bei meinen Recherchen unterstützten – allen voran möchte ich dem Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Mag. Thomas Just, für seine Hilfe und Kontake für spezielle Detailfragen danken, ebenso Stefan Mach vom Archiv der Republik für seine hilfreichen Quellentipps und nicht zuletzt Dr. Andreas Weigl, dem Leiter der wissenschaftlichen Kooperationen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, dem ich die Umrechnungsschlüssel von Kronen in Euro verdanke.

      Katrin Unterreiner

      Erzherzog Karl, der hoffnungsvolle Thronerbe?

      Der 1887 geborene Erzherzog Karl war als Sohn Erzherzog Ottos, eines jüngeren Bruders des Thronfolgers Franz Ferdinand, ein Großneffe Kaiser Franz Josephs. Da er somit von einer möglichen Thronfolge weit entfernt war, erhielt er zwar eine höfische Erziehung, aber nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt war Franz Ferdinand noch nicht verheiratet und man rechnete natürlich mit seinen künftigen Kindern als Thronfolgern. Erst mit Franz Ferdinands morganatischer Ehe mit Sophie Chotek und dem damit verbundenen Ausschluss ihrer Kinder von der Thronfolge rutschte Karl an die zweite Stelle nach seinem Onkel. Doch Franz Ferdinand war noch ein junger Mann, die Zukunft ungewiss, auch eine Wiederverheiratung mit einer standesgemäßen Braut und erbberechtigten Kindern war nicht ausgeschlossen. Sein Neffe rückte daher nach wie vor nicht in den Fokus der Aufmerksamkeit. Karl wuchs quasi ohne Vater auf, denn Erzherzog Otto lebte mit seinen jeweiligen Geliebten Marie Schleinzer und danach Louise Robinson sowie seinen unehelichen Kindern zusammen und verstarb zudem schon 1906, als Karl 19 Jahre alt war, an Syphilis. Damit hatte Karl nie einen starken Fürsprecher, der sich für eine gute Ausbildung eingesetzt hätte. Seine tiefgläubige Mutter Erzherzogin Maria Josepha war vor allem an einer religiösen Erziehung interessiert, die ihn auch prägen sollte.

      Der Erzherzog genoss daher bis zu seinem 14. Lebensjahr zwar eine gutbürgerliche Erziehung im Wiener Schottengymnasium, danach erhielt er allerdings ein Umfeld, das ihn weder forderte noch förderte. Sein Erzieher Graf Wallis sollte ihm nur das Leben leicht und angenehm machen und ihn nicht mit unnötigen Studien aufhalten. Dahinter steckten aber nicht nur Desinteresse, sondern persönliche Interessen – nämlich die seines Onkels. Denn Franz Ferdinand sorgte ganz bewusst für Karls unbedeutende Stellung bei Hof – hatte er doch eigene Pläne, für die ein unbedarfter und ehrgeizloser Erzherzog Karl mitentscheidend war: „Die krassen Mißstände in der Erziehung des Neffen finden ihre Erklärung zumeist darin, daß Franz Ferdinand den Erzherzog Karl nicht mochte, nicht viel von ihm hielt, ihn aber auch systematisch unterdrückte, da er seine zwei Söhne, für deren tüchtige Heranbildung er weder Mühen noch Geld sparte und deren intensive vielseitige Ausbildung er sich mit vielem Eifer angelegen sein ließ, über des Erzherzogs Karl Person hinweg an die erste Stelle im Reiche zu rücken trachtete …“1 In Franz Ferdinand hatte Karl also keinen Förderer – im Gegenteil: Der Thronfolger verfolgte verständlicherweise den Plan, wenn er einst Kaiser sein sollte, seine eigenen Söhne als Thronfolger einzusetzen. Aber auch Kaiser Franz Joseph interessierte sich nicht besonders für seinen Großneffen. „Solange Franz Ferdinand noch lebte und daher Erzherzog Karl hinsichtlich der Thronfolge nicht direkt in Frage kam, bewies der Kaiser für ihn kaum ein lebhafteres Interesse. Franz Joseph behandelte ihn nicht anders als alle sonstigen Mitglieder seines Hauses, die nicht direkt zu seiner unmittelbaren Familie gehörten, das heißt, er nahm nur insoferne Anteil an seinen Schicksalen, als er sich gelegentlich Berichte über Erzherzog Karls Dienstleistung beim Regimente vorlegen ließ, welche natürlich voll des höchstklingenden Lobes waren und woran sich der alte Kaiser einen Augenblick lang erfreute, um hienach sofort, darüber hinweg, zur Tagesordnung überzugehen.“2 Auch Karls Hochzeit änderte an seiner Stellung nichts, denn Franz Joseph war von seiner Wahl nicht gerade begeistert. Zita war für ihn die Tochter eines abgesetzten und des Landes verwiesenen Fürsten, der im niederösterreichischen Schloss Schwarzau ein nichtssagendes Leben führte. Auch die Anzahl von 23 Geschwistern der Braut, einige davon mit psychischen Erkrankungen, war ihm nicht geheuer: „Die Familie seiner Frau wird ihm noch viel zu schaffen machen“,3 waren Franz Josephs knappe Worte anlässlich der Verlobung. Wenig verwunderlich war, dass Franz Ferdinand diese Hochzeit protegierte – die Braut und ihre ganze Familie waren dem Kaiser unsympathisch, stellten vor allem keine Prestigeerhöhung durch den Anschluss an ein mächtiges Herrscherhaus dar und störten demnach seine Pläne nicht im Geringsten.

      Als Karl nach der Ermordung Franz Ferdinands 1914 Thronfolger wurde, änderte sich die Situation kaum. Selbst jetzt kümmerte sich Franz Joseph nicht merklich um den neuen Thronfolger, der nun wesentlich früher als erwartet in diese Fußstapfen treten musste und in keiner Weise darauf vorbereitet war. Franz Joseph war alt, wohl schon verbittert und hatte augenscheinlich keine Lust, noch einen Thronfolger auf sein Amt vorzubereiten. Karl zog zwar mit seiner Familie nach Schönbrunn, aber auch da sah der Kaiser den Erzherzog und dessen Familie nur fallweise auf wenige Minuten. Somit kamen sich die beiden auch jetzt nicht näher. Selbst treue Zeitgenossen konnten bei aller Loyalität zu ihrem Kaiser Franz Joseph einen Vorwurf nicht ersparen: „Der zurückhaltende Kaiser Franz Joseph hatte es nicht verstanden, sich in seinem Sohne Rudolf einen tüchtigen Nachfolger zu erziehen, er hatte nichts dazu getan, dem Erzherzog Franz Ferdinand die Lehrjahre zu erleichtern, und um den letzten Thronfolger bekümmerte er sich auch gar nicht, trotzdem da sehr viel zu erziehen war. Dabei kann man dem Thronfolger, Erzherzog Karl Franz Josef, einen gewissen Eifer nicht absprechen: wenn er in Schönbrunn zum Kaiser gerufen wurde, lief er förmlich durch die Gänge, um nur schnell zur Stelle zu sein. Er war entschieden schon damals vom besten Willen beseelt, aber selbst anlehnungsbedürftig, mußte er später ohne Vorbildung und zielbewußte Anleitung eine leichte Beute seiner Umgebung werden.“4

      Der junge Erzherzog Karl wurde von den Staatsgeschäften ferngehalten. Fotopostkarte, um 1907.

      Es war natürlich nicht Franz Josephs Schuld allein, dass Karl so unvorbereitet blieb – in Wahrheit scheint er sich auch nicht rasend um ein Einbeziehung in die Staatsgeschäfte bemüht zu haben, denn Versuche, ihn einzubinden und „einzuschulen“ gab es sehr wohl: „Ein Anlauf in dieser Richtung, um den Erzherzog Karl in die Routine des Herrschens sozusagen praktisch einzuführen, wurde auch genommen; man ging aber dabei vielleicht einen falschen Weg; der Erzherzog hatte nämlich in der beabsichtigten Weise aktenmäßig Einblick in die Staatsgeschäfte gewinnen sollen. Dieser Versuch dauerte aber nicht lange, weil er einerseits den Kaiser in der an dringenden Arbeiten überreichen Zeit des Weltkrieges


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