Im Bann der bitteren Blätter. Manfred Eisner

Im Bann der bitteren Blätter - Manfred Eisner


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ein. Die zwei Kühe und ein Kalb waren glücklicherweise auf der Weide, aber die beiden Bewohnerinnen waren wohl nicht anwesend, wenigstens dachten dies die sich im Einsatz befindlichen Feuerwehrkollegen. Man vermutete zwar Brandstiftung, aber Kripo und Spusi waren mit anderen wichtigen Einsätzen beschäftigt und kamen deswegen erst heute hinzu, gerade als wir dabei waren, die Ruinenreste mit Hilfe eines Baggers abzuräumen. Dabei wurden in den Trümmern des Kellers zwei völlig verkohlte Leichen gefunden. Da die ganze Bude durch das Feuer zusammengebrochen war, konnten wir nicht schon früher herankommen. Macht euch mal schön auf die Socken, liebe Kollegen. Die Kripo in Itzehoe habe ich auch schon informiert. Schönen Tag noch!“

      „Ich weiß, wo das ist!“ Willi Seifert greift nach seinem Motorradhelm und eilt hinaus, gefolgt von Hauke und Nili. Nach kurzer Fahrt erreichen sie den Tatort. Dort tummeln sich bereits die Itzehoer Kollegen und die Mannschaft der Spurensicherung. Einsatzleiter vor Ort ist Kriminaloberrat Heinrich Stöver, ein etwas korpulenter Endfünfziger, in Wintermantel, Schal und Pudelmütze eingehüllt. Der offensichtlich recht erkältete Kripochef treibt mit heiserer Stimme und äußerst missgelaunt seine Mannschaft an. „Macht hinne, Leute, ich muss mir hier in dieser feuchten Kälte doch nicht noch die Beine erfrieren und den Tod holen! Habt ihr wenigstens schon was Brauchbares?“

      Als sie sich dem Trümmerhaufen nähern, begrüßt sie Staatsanwalt Uwe Pepperkorn mit einem breiten Grinsen. „Hein Gröhl ist stark verschnupft und heute wieder in Hochform“, bemerkt er, während er ihnen freundlich die Hand schüttelt. „Wir können erst an den Fundort der Leichen heran, wenn die Spusi und der Doktor damit durch sind. Warten wir also lieber im Einsatzwagen, bis es so weit ist. Hier draußen ist es zu ungemütlich.“ Pepperkorn ist, anders als viele seiner Kollegen, ein jovialer und netter Jurist, der den Mitarbeitern der Polizei eher freundliche Achtung als Geringschätzung und harsche Kritik für ihre doch nicht allzu leichte Arbeit entgegenbringt, auch wenn diese nicht immer so erfolgreich verläuft, wie er es sich erhofft. Nachsichtig sieht er über so manchen Fehler hinweg, toleriert es jedoch keineswegs, sollte dessen Wiederholung aus Nachlässigkeit oder Schlampigkeit erfolgen. „Fehler erkannt, Wiederholung gebannt!“, ist seine Devise, gegen die man besser nicht verstoßen sollte, denn dann kommt ein ganz anderer Pepperkorn zum Vorschein.

      Laut keuchend öffnet Kriminaloberrat Stöver die Schiebetür des Einsatzwagens und steigt ein. „Gemütlich macht man es sich hier beim Tee, während wir uns draußen in der Kälte mit den Leichen herumschlagen müssen!“

      „Mensch, Stöver, hören Sie auf zu rüffeln! Wir hier können ja nichts für Ihren Schnupfen. Also, was gibt’s?“ Kriminaloberrat Stöver ist pikiert und muss erst einmal seine angelaufene Brille putzen, um sich wieder Durchblick zu verschaffen. Pepperkorn gießt ihm inzwischen versöhnlich aus seiner Thermoskanne Tee in einen Plastikbecher. „Hier, nehmen Sie erst einmal einen heißen Trunk.“

      Stöver nimmt einen Schluck. „Also, die Spusi ist durch, jetzt sind die Pathologen dran. Ihr könnt in den Keller, wenn ihr wollt. Viel ist da allerdings nicht zu sehen, meine ich. Natürlich außer den beiden vollkommen verkohlten Frauen. Wie bereits vermutet, handelt es sich wohl um die Bewohnerinnen des Hauses, die Mutter Karin Vogt, achtzig Jahre alt, und ihre dreiundfünfzigjährige Tochter Regina. Was von denen noch übrig ist, wird nach Kiel zur Obduktion gebracht, damit die Identifizierung auch amtlich ist. Wie wir von den ziemlich entfernt wohnenden Hofnachbarn erfahren konnten, sind die beiden Frauen vor etwa acht Jahren aus Wilster in diesen Resthof eingezogen, nachdem Bauer Andreas Kruse seine Landwirtschaft aufgab und die Ländereien an die angrenzenden Kollegen verpachtete. Viel mehr konnte man nicht erfahren. Nur ab und zu sah man die Jüngere mit ihrem Fahrrad ins Dorf fahren, wo sie im kleinen Supermarkt einkaufte. Ansonsten lebten die beiden Frauen vollkommen zurückgezogen.“ Er trinkt den Teebecher leer und schnäuzt sich geräuschvoll in ein Papiertaschentuch.

      „Danke, Herr Kriminaloberrat Stöver“, meint Nili mit einem freundlichen Blick zu dem gestressten Beamten. Sie nickt Pepperkorn zu. „Wir gehen jetzt wohl erst einmal selbst in den Keller, um uns umzusehen, wenn Sie nichts dagegen haben.“

      „Ist schon okay, gehen Sie nur.“

      Nili, Willi und Hauke trotten hinüber zur Bauernhofruine, von der nur noch zwei halbhohe Ziegelmauerreste stehen. Willi bemerkt trocken: „Den Anblick der beiden verbrutzelten Damen muss ich mir doch nicht antun, oder? Ich sehe gerade, eine Spusigestalt geht just in Richtung der dort hinten gelegenen Scheune. Wenn ihr nichts dagegen habt, schaue ich mich mal lieber dort um, okay?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, spurtet Willi in die angekündigte Richtung.

      Hauke schüttelt lachend den Kopf: „Dieser Willi is ’n richtiger Dithmarscher Sturkopp!“

      „Lass man, geschätzter Kollege, unser Polizeimeister ist schon in Ordnung. Nehmen wir erst einmal die beiden ‚Verbrutzelten‘ in Augenschein und befragen dabei den Onkel Prof, ob ihm vielleicht etwas Besonderes aufgefallen ist.“

      Sehr eng ist es im Kellerverlies, es wurde nur ein Teil von dessen Decke freigelegt. Nili und Hauke können deshalb nur von oben einen Blick auf die makabre Szenerie werfen. Die quirlige Blondine Hannelore Siemsen, die ebenso wie ihr Chef in einen weißen Schutzanzug gehüllt ist, assistiert gerade Prof. Dr. Klamm im starken Lichtschein der beiden batteriebetriebenen Halogenscheinwerfer bei der ersten Untersuchung der beiden Opferreste.

      „Hallo, Herr Professor!“, grüßt Nili den Pathologen.

      „Nett, Sie wiederzusehen, Frau Masal, Herr Steffens“, sagt dieser, nachdem er und Hannelore Siemsen über eine Leiter aus dem Keller emporgestiegen sind. „Na ja, viel ist natürlich von den beiden Damen nach dem gehörigen Brand nicht übrig geblieben. Die fast vollständige Verkohlung lässt vermuten, dass man die beiden bereits getöteten Frauen mit mehreren Litern Benzin übergossen haben muss, bevor man sie und danach ebenso diese Hütte angezündet hat. Trotz deren starker Verkohlung sind an beiden Schädeln Einschüsse deutlich zu erkennen, sehr wahrscheinlich von ein und derselben Waffe. Die Frauen müssten aber bereits einige Stunden vorher oder vielleicht sogar schon am Tag vor der Brandstiftung regelrecht hingerichtet worden sein; Genaueres kann ich vermutlich sagen, wenn ich sie auf dem Tisch habe.“ An die drei bereitstehenden Männer des Bestattungsunternehmens gerichtet fährt er fort: „Bitte in diesem heiklen Fall besondere Sorgfalt walten lassen, damit wir die beiden Damen möglichst vollständig in die Pathologie bekommen. Achten Sie auch auf eventuell abgefallene oder liegen gebliebene Körperteile, damit die auch mitgehen, ja?“ Er winkt den beiden Kommissaren zu. „Also dann, tschüss, auf bald!“

      „Guck mal, Nili, Willi winkt uns gerade hektisch zu, er hat wohl etwas entdeckt. Gehen wir rüber, hier gibt’s für uns eh nichts mehr zu erfahren.“

      Willi eilt ihnen entgegen. „Ratet mal, was wir soeben in der Scheune entdeckt haben!“

      Alle drei gehen zur Scheune. Diese ist vollgestopft mit Heu- und Strohballen sowie altem Gerümpel. „Vorsicht, bitte nur am Rand gehen, es gibt wichtige Spuren! Seht mal, hier!“ Willi deutet auf den matschigen Scheunenboden. Da das Dach nicht mehr ganz dicht und die Bodenfläche von dem heruntertropfenden Regenwasser aufgeweicht ist, zeichnen sich auf dieser deutliche Reifenabdrücke sowie zwei komplette Fußspuren ab. „’n Auto hatten die beiden doch nie, oder?“

      „Das Profil zeichnet sich perfekt und tief ab, müssen ganz neue Reifen gewesen sein“, meint Hauke.

      „Und dann auch dies noch!“ Stolz deutet Willi auf ein im Heu halb verstecktes Knäuel Plastikfolie. „Das da sind sicher die Reste einer Plastikhülle, mit der man ein neues Fahrzeug beim Transport zum Händler schützt.“

      „Du meinst …“ Nili lässt die Frage unvollendet.

      „Yes, my lady! Das waren ganz bestimmt unsere beiden Galgenvögel, wie Waldi sie nannte. Die zwei Russen haben wohl den Golf gestohlen und sich nach meiner Verfolgungsjagd hier ein paar Tage verkrochen, während wir sie überall in der Umgebung vergeblich suchten. Dann haben sie die beiden armen Frauen einfach erschossen, das Haus angezündet und sich aus dem Staub gemacht.“

      „Deine Vermutung könnte stimmen. Gute Arbeit, Willi, prima!“ Nili ist begeistert und auch Hauke geht freudig auf Willi zu: „Give me five, Kumpel! Lass mal die Spusi Abdrücke


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