Gegen das Licht. Kenneth Grant L.
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Es gibt für jeden Menschen eine Mythe, die – würden wir sie nur kennen – uns alles verstehen lässt, was dieser Mensch getan und gedacht hat.
W. B. Yeats
Im Gedenken an
PHINEAS MARSH BLACK
KENNETH GRANT
GEGEN
DAS LICHT
Eine nächtliche Erzählung
Edition Roter Drache
Die Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel „Against the Light“ bei Starfire Publishing.
© Kenneth Grant 1997, S. V. Grant 2016.
1. Auflage Oktober 2016
Copyright © 2016 by Edition Roter Drache
Edition Roter Drache, Holger Kliemannel, Haufeld 1, 07407
Remda-Teichel
[email protected]; www.roterdrache.org
Buch- und Umschlaggestaltung: Edition Roter Drache
Titelbildgestaltung: Holger Much, www.holgermuch.de
Lektorart: Anne-Cathrin Rost
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2018
Alle Rechte vorbehalten.
Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (auch auszugsweise) ohne die schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.
ISBN 978-3-964260-12-3
INHALTSVERZEICHNIS
3. Teil: Das Schicksal der Unausgeschlafenen
PROLOG
Wenn man – wie mein Großonkel Phineas Black – sehr, sehr alt wird, dann werden die letzten Jahre oft von angenehmen Erinnerungen an die früheren begleitet. Aber bei Dr. Black lagen die Dinge anders.
Eine seiner kontroverseren Errungenschaften war eine Reihe von Artikeln, mit denen er in jungen Jahren zu einer wissenschaftlichen Zeitschrift beigetragen hatte. Ursprünglich waren diese Beiträge im Jahr 1881 veröffentlicht worden und erschienen später in Buchform – unter dem Titel Klinische Studien zur Vergreisung und zu Krankheiten des Gedächtnisses (Edinburgh, 1886); eine französische Ausgabe wurde vier Jahre später in Perpignan veröffentlicht.
Da Phineas Black zwar Doktor der Medizin war, sich jedoch mehr für die Erkrankungen des Geistes interessierte als für die des Körpers, gab er seine florierende Arztpraxis schon in vergleichsweise jungen Jahren auf. 1957 starb er im Alter von 103 Jahren.
Die „Studien“ verursachten in den Expertenkreisen der 1880er Jahre einigen Wirbel und ich bin der Ansicht, dass dies der Grund war, warum mein Onkel seine Arztpraxis aufgab. Er war zum Zentrum unerwünschter Aufmerksamkeit geworden und ein Kollege, der vielleicht auf seinen Bekanntheitsgrad eifersüchtig war, hatte damit begonnen, in seiner Privatsphäre herumzuschnüffeln. Offenbar war er dabei tatsächlich auf etwas Zwielichtiges gestoßen, denn es folgte ein Skandal. Zum Glück für die Familie schaffte dieser es nie in die Presse. Doch ich erinnere mich an die Stille, die jedes Mal wie eine Wand aufzuragen begann, sobald Onkel Phins Name fiel. Aber das ist schon lange her und die Frage, ob die späteren Ereignisse, über die ich berichten will, damit in irgendeinem Zusammenhang stehen, gehört in den Bereich der Mutmaßungen.
Meine Geschichte umfasst einen ausgedehnten Zeitraum. Sie ist auch ausgesprochen komplex und die Fakten sind höchst ungewöhnlich. Ich möchte damit anfangen, dass ich ein paar Worte über mich und einen meiner Groß-Vettern namens Gregor Grant verliere, der in der Erzählung eine wichtige Rolle spielt. Gregor war nicht nur Onkel Phins Vetter, sondern zudem auch mit dem Okkultisten Aleister Crowley verwandt. Und obwohl Gregor und ich dem gleichen Zweig des Grant-Clans entstammten, wusste ich von dieser Beziehung nichts – bis mich Crowley auf die Verbindung hinwies. Auf der mütterlichen Seite stamme ich von einer französischen Familie namens Wyard ab, die sich in Brundish – nahe Woodbridge – im Suffolk des 16. Jahrhunderts niedergelassen hatte. In der St. Laurence-Kirche und der nahegelegenen Brundish Hall gibt es beigesetzte Wyards, deren Grabsteine bis ins Jahr 1669 zurückgehen.
Über den Grant-Clan gibt es eine okkulte Überlieferung, die behauptet, dass seit unendlich langer Zeit eine Sammlung magischer Zauberformeln unter den aufeinanderfolgenden Generationen meiner Vorfahren kursieren würde. Man sagte, dass nacheinander jeder seine (oder ihre) Berichte über den Verkehr mit gewissen Wesen beigefügt hätte, die nicht von dieser Welt stammen. Diese Sammlung war bekannt als das Grant-Grimoire. Die Gerüchte besagten auch, es würde noch heute existieren, und zwar in der Bibliothek einer Florentiner Familie. Diese italienische Version trage den Titel Il Grimoire Grantiano. Die Gerüchte besagten auch, dass sich seine englische Version einst im Besitz von Sir Francis Grant, dem Porträtmaler, befunden habe; dass sie aber nach seinem Tod im Jahre 1878 verschwunden sei. Während der letzten Jahrhunderte wurden die Legenden, die das Grimoire betreffen, dann spärlicher. Von den gegenwärtigen Familienmitgliedern – von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen – wurde das Grimoire als kindisches Geistermärchen belächelt.
Als Resultat eines bemerkenswerten Zwischenfalls, den ich in Kürze beschreiben werde, erhielt ich an einem schwülen Sommernachmittag die notwendige Führung, um eine Kopie des Grimoires in einer walisischen Ruine auszugraben. Bis zu diesem Ereignis war das Grimoire – zumindest für mich – eine nebulöse Legende, die gelegentlich etwas Würze in die alten Familiengeschichten bringen soll.
Aber nicht alle meine Zeitgenossen waren skeptisch. Einer davon war Aleister Crowley, der an die Existenz eines berüchtigten Buches glaubte, das geheime Schlüssel zu anderen Welten enthalten sollte. Nachdem ich das Manuskript entdeckt hatte, wurde mit schon bald klar, dass Crowley nicht die einzige Person war, die danach gierte, es in die Hände zu bekommen. Ich erinnere mich, wie Onkel Phin, der für Gregor Sympathien hegte, nicht jedoch für Crowley, mich mit gruseligen Geschichten über die dunkeln Zauberkräfte