Erbrecht. Frederike Schwenke
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ISBN: 978-3-482-00391-2 |
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
dieses Einführungswerk in das Erbrecht habe ich als Lern- und Arbeitsbuch für Studierende der Wirtschaftswissenschaften an Universitäten, an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und an Berufsakademien geschrieben, die im Laufe ihres Studiums über den Lehrstoff des Wirtschaftsprivatrechts (d. h. Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht) sowie des Arbeitsrechts hinaus Veranstaltungen zum Erbrecht besuchen, sei es etwa als angehende Steuerberater, Privatkundenberater in Banken oder Testamentsvollstrecker. Das Buch eignet sich aber auch als Einstieg in das Erbrecht für Studierende der Rechtswissenschaften.
Das Erbrecht ist von erheblicher praktischer Bedeutung, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Zahl der Erbfälle in der Bundesrepublik Deutschland jährlich bei ca. 900.000 liegt und die Bundesländer im vergangenen Jahr mehr als 7 Milliarden Euro an Erbschaftsteuer vereinnahmt haben.
In knapper und verständlicher Form werden ausgesuchte, wesentliche Bereiche des Erbrechts vermittelt. Aufgrund der weitreichenden Bedeutung, welche die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 als sog. Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO), insbesondere für grenzüberschreitende Erbfälle ab dem 17. 8. 2015 hat, wird diese sowie das Europäische Nachlasszeugnis kurz vorgestellt. Zahlreiche Beispiele und einfache Graphiken dienen der Veranschaulichung. Die Besonderheit des Werks liegt darin, dass es jedem Kapitel Lernziele voranstellt, deren Erreichen mithilfe von Multiple-Choice-Fällen am Ende eines jeden Kapitels selbständig getestet werden kann. Von drei vorgegebenen Antwortvarianten ist jeweils nur eine zutreffend. Die richtigen Antworten finden sich im Schlusskapitel, in welchem sie ausführlich begründet werden. Mit der Lernzielkontrolle soll ein grundlegendes Verständnis für erbrechtliche Zusammenhänge einhergehen.
In das Buch habe ich meine Lehrerfahrung an zahlreichen Hochschulen (Fernuniversität Hagen, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Sciences Po in Frankreich) sowie meine langjährige Praxiserfahrung als Fachanwältin für Erbrecht einfließen lassen.
Mein aufrichtiger Dank gilt meinem Kanzleikollegen Wolfgang Häberle, der als Erbrechtsexperte in zahllosen Diskussionen seinen tiefen Erfahrungsschatz mit mir geteilt hat.
Über Anregungen und Kritik, die der Verbesserung des Buches dienen, natürlich auch über Zustimmung freue ich mich unter: [email protected].
Nun wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Freude mit diesem Einstiegswerk in das Erbrecht!
Friedrichshafen, im Februar 2017Frederike Schwenke
Für Andreas
A. Einführung
Das deutsche Erbrecht zeichnet sich dadurch aus, dass das gesamte Vermögen des Erblassers mit seinem Tod automatisch auf den oder die Erben übergeht (§ 1922 Abs. 1 BGB). Der Übergang des Vermögens als Ganzes, also des positiven und des negativen Vermögens, auf den oder die Erben wird als Universalsukzession oder als Gesamtrechtsnachfolge bezeichnet. Der Eintritt in die gesamten vermögensrechtlichen Positionen des Erblassers bedeutet, dass der oder die Erben etwa Eigentümer beweglicher und unbeweglicher Sachen, Inhaber schuldrechtlicher Forderungen etc. werden. Mehrere Erben bilden eine Gesamthandsgemeinschaft, sog. Erbengemeinschaft. Diese hat keine eigene Rechtspersönlichkeit1).
Eine Nachfolge in einzelne Vermögensrechte des Erblassers ist nicht möglich. Das Vermächtnis, durch das der Erblasser einen einzelnen Vermögensgegenstand einer bestimmten Person zuwenden kann, führt nicht zu einem automatischen Eintritt in die Rechtsposition des Erblassers, sondern begründet nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den oder die Erben (§ 2174 BGB).
Ausnahmsweise kommt es aber nicht zur Gesamtrechtsnachfolge, wenn es um Anteile an einer Personengesellschaft geht. Hier kommt es zu einer Sondererbfolge. Auch bei Erbhöfen nach der Höfeordnung wird der Hof unabhängig vom sonstigen Vermögen an einen Hoferben vererbt.
Der Übergang des Vermögens des Erblassers erfolgt automatisch sofort mit dem Erbfall, ohne Zutun des Erben von selbst (sog. Vonselbsterwerb)2). Ob der Erbe Kenntnis von dem Erbfall hat oder sogar gegen seinen Willen3) Erbe wird, ist unerheblich. So bedarf es für die Universalsukzession keiner Annahmehandlung des Erben oder eines behördlichen oder gerichtlichen Aktes. Dem Erbe obliegt die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten (§ 2046 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ihm bleibt es aber unbenommen, sich durch Ausschlagung der angefallenen Erbschaft wieder zu entledigen.
B. Gesetzliche Erbfolge
Lernziele
Nachdem Sie dieses Kapitel bearbeitet haben,
können Sie im Rahmen des Verwandtenerbrechts den/die gesetzlichen Erben mit der/den entsprechenden Erbquote/n angeben; |
haben Sie die Grundzüge des Ehegattenerbrechts verstanden; |
können Sie die Erbquote des Ehegatten und des/der Verwandten bestimmen. |
I. Einführung
Hat der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen errichtet und bestimmt, wer ihn beerben soll, spricht man von gewillkürter Erbfolge. Die gewillkürte Erbfolge hat Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge.
Die gesetzliche Erbfolge greift dann ein, wenn der Erblasser nicht bestimmt hat, wer Erbe sein soll. Dies kann daran liegen, dass der Erblasser keine oder keine wirksame letztwillige Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) errichtet hat.
Die gesetzliche Erbfolge führt zu einem Familienerbrecht. Zu den gesetzlichen Erben zählen die Verwandten des Erblassers sowie sein Ehegatte oder sein eingetragener Lebenspartner. Mit dem Familienerbrecht wird der besonderen Bedeutung der Familie Rechnung getragen. Die Eltern und andere Verwandte einerseits sowie der Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner des Erblassers andererseits haben in der Regel zum Erwerb des Vermögens des Erblassers beigetragen. Sie sollen daher am Nachlass beteiligt werden, ebenso wie die Kinder und andere Abkömmlinge des Erblassers. Hintergrund der Berücksichtigung der Abkömmlinge ist vor allem der Versorgungsgedanke. Der Gedanke der Versorgung der Abkömmlinge und des Ehegatten liegt auch dem Pflichtteilsrecht zugrunde.
Durch Heirat entsteht keine Verwandtschaft zum Erblasser, so dass es ein gesondertes Ehegattenerbrecht gibt. Es ist mithin zwischen dem Verwandten- und dem Ehegattenerbrecht zu unterscheiden.
Hat der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes keine Verwandten, keinen Ehegatten und auch keinen eingetragenen Lebenspartner, oder haben alle vom Nachlassgericht ermittelten Erben die Erbschaft ausgeschlagen, so ist das Bundesland gesetzlicher Erbe, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte (§ 1936 BGB, sog. gesetzliches Noterbrecht des Staates).
Beispiel: Die verwitwete Erblasserin hat zwei Kinder und eine Schwester. In einem wirksamen Testament hat die Erblasserin bestimmt, dass sowohl ihre Schwester als auch ihre Freundin als Vermächtnis je ein Grundstück erhalten. Der Nachlass setzt sich im Wesentlichen aus diesen beiden Grundstücken zusammen. Alle vom Nachlassgericht ermittelten Abkömmlinge der Erblasserin haben – wie die Schwester der Erblasserin auch – die Erbschaft ausgeschlagen, so dass