Reglose Jagd. Nora Bossong

Reglose Jagd - Nora Bossong


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      Nora Bossong

      Reglose Jagd

      Gedichte

      Kortex

      Es war nicht dieser Fuchs

      auf Nahrungssuche, den wir verfolgten

      vor einer Medizinerfakultät,

      entlang der Streifenspur auf dem Asphalt.

      Vor einer Kneipe blieb er stehen,

      als wäre er ein Hund und wollte

      sein Revier markieren, die Beine

      zitterten im Vierertakt und drinnen

      klapperte ein Flipper. Es war nicht

      diese Art von Kneipen, in der wir

      Aschenbecher stahlen, ein Taxi

      hielt zu dicht am Bordstein, besetzt,

      sonst hätten wir den Fuchs hineingelockt

      mit einem Lederhandschuh.

      Und doch, ein Haar blieb hängen

      und auf dem Rückweg sahen wir

      in jener Fakultät zwei Männer,

      Skalpelle waschend und im Gebüsch

      ein Katzenjunges schlafen

      mit Bissen an der Kehle.

      Ganymed

      Wir ziehen nur so vor uns hin und träumen noch

      von etwas andrem. Aus einem rosa Taxi steigt

      die schönste Frau, und niemand von uns

      traut sich, sie zu stehlen. Ihr Absatz glänzt

      im Flutlicht der Kapelle und neben ihren Zehen liegt

      ein Vögelchen mit aufgeplatztem Schädel.

      Sie wendet ihren Kopf, ein Lachen,

      das betrunken macht, wir nennen sie

      nach allen Seitenstraßen, die sie betritt

      hat keine Namen. Wir gehen ihr nicht nach,

      es ist bald nicht mehr Nacht.

      Wir ziehen nur so vor uns hin

      und mitten unter unsern Körpern sitzt,

      in dieser Stadt sitzt irgendwo

      die Zukunft, die mit Federn spielt.

      Rattenfänger

      Zwei Jungen traf ich

      unterm Brückenbogen nachts,

      die pinkelten den Pfosten an und

      sagten, dass sie sieben seien,

      sagten, dass sie Läuse hätten.

      Sie lachten über mich, als ich

      es glauben wollte. Nichts zu holen

      außer Läuse, verriet der Kleinere.

      Er zeigte aufs Gebüsch und trat

      mir auf den Spann. Ich hätt mich gern

      in ihn verliebt, so billig war

      in jener Nacht sonst nichts mehr

      zu erleben. Der Große fragte, ob es stimmt,

      dass auch das Tier allein

      nicht sterben kann. Es war

      zu spät für Jungen unter dieser Brücke.

      Hinterhof

      Am Fenster jene Frau, die seit drei Jahren

      mit gepackten Kisten lebt, späht in den Hof,

      ob dort nicht grad der Umzugswagen einfährt.

      Nur Plastiktonnen und die Vorkriegsbirken

      erster Mieter. Zwischen Unkraut kopulieren Katzen.

      Im kurzen Mittag, da bis ins Gras die Sonne reicht,

      streunen die Hauswartsschritte, verloren wie das Altpapier,

      das aus den Hauseingängen weht und mit der Spitze

      eines Taschentuchs wischt er die namenlosen Klingelschilder.

      Die Sonne wechselt über auf die andre Fensterfront.

      Kinderstimmen in der Häuserschneise, doch niemand

      ist zu sehen, als ob Septemberluft allein schon klänge.

      Eine Stufe knarrt, ein Katzenjunges hinkt hervor. Bald

      bleibt auch die Kellertreppe wieder still. Was

      ist es dann gewesen? Nur Sommer.

      Marzipanblätter

      Nackt gegen die Fensterfront gelehnt,

      weiß ich von den Damen unter mir,

      die Marzipanblätter von ihren Torten heben.

      Sie streichen von Zetteln die Namen

      berühmter Kaffeehaus-Städte, sie sind so alt

      wie die Legende von der Sachertorte.

      Klar und klebrig muss ihre Sicht

      durch Gelatine gleiten. Auf der Straße

      jaulen Hunde. Zu Pfingsten noch

      war auf meiner Scheibe der Abdruck

      eines Flügelpaars.

      Kelchüber

      Das Mädchen am Museumsausgang

      verteilt an Rentnergruppen Rosen in rosa

      und gelb. Ihre Finger umspannen Dornen

      Hecken, hundert Jahre. Die Alten tragen

      die Blüten kelchüber, holpern

      ihre Schritte über den Asphalt.

      Gegen einen Knöchel weht ein Blatt.

      Vom Ahorn schält sich Rinde.

      Mittag. Das Mädchen nagt ihr Brötchen

      so knisternd langsam. Es zerfällt ein Stern

      im Blick eines Greisen.

      Namen

      Da war Wasser vielleicht, Hänge, Hänge, da war

      der Moment eines Frühlings. Zierkirschen. Statuen.

      Waldwege, zusammengestürzt im Märzsturm,

      waren wieder begehbar, die Flächen steigend.

      Kein Gebirgskamm, kein Obelisk: Ein Stein

      mit Namen. Steigen, steigen, da war das Licht

      eines Lastkahns im Abend, da waren die letzten

      Passanten, auf Parkbänken hielten sie Flussschau.

      Der letzte Regen im Mai, dünne Frische, hing

      in den Kronen. Es verwuchs sich ein Frühling,

      nicht tief, im Hang und nannte nichts.

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