Work-Life-Balance. Uta Kirschten

Work-Life-Balance - Uta Kirschten


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      Uta Kirschten

      Work-Life-Balance

      Konzepte und Umsetzung im Studium und Berufsalltag

      UVK Verlag · München

      Umschlagmotiv: iStockphoto AscentXmedia

      2., vollständig überarbeitete Auflage 2021

      1. Auflage 2013

      © UVK Verlag 2021

      – ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

      Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

      Internet: www.narr.de eMail: [email protected]

      ISBN 978-3-7398-3048-3 (Print)

      ISBN 978-3-7398-0198-8 (ePub)

      1 Work-Life-Balance: Was ist das?

      Unser Leben hat sich in den letzten ca. zwanzig Jahren stark verändert. Die rasanten Entwicklungen der digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien vereinfachen ein zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten. Durch Laptop, Tablet, Smartphone und weiterer kleiner digitaler Geräte (engl. Wearables) können wir überall und zu jeder Tages- oder Nachtzeit erreichbar sein, digital kommunizieren sowie Daten und Informationen austauschen. Wir sind mobil und überwinden örtliche Entfernungen dank Internet und stark ausgebauter Verkehrsstrukturen oft mühelos und schnell. Wir sind flexibel und passen uns schnell an neue berufliche und private Anforderungen oder Aufgaben an.

      Dennoch fällt es vielen Menschen zunehmend schwerer, ihre verschiedenen Lebensbereiche zeitlich und inhaltlich so wahrzunehmen und aufeinander abzustimmen, dass sie zufrieden sind. Stattdessen steigt beispielsweise die Anzahl an Erschöpfungszuständen und psychischen Erkrankungen in der Bevölkerung, die Anzahl der Familien und Kinder sinkt deutlich und viele fühlen sich dauerhaft überlastet.

      Geschuldet ist diese Entwicklung dem Wandel der Arbeitswelt mit seinen neuen Herausforderungen und Anforderungen, aber auch der Veränderung von gesellschaftlichen Rollenbildern von Mann und Frau, der steigenden Berufstätigkeit von Frauen, der Zunahme von unsicheren Beschäftigungsverhältnissen und gesellschaftlichen Risiken sowie der insgesamt steigenden Dynamik und Komplexität unseres Lebens.

      Unter dem Begriff Work-Life-Balance hat sich in den letzten ca. dreißig Jahren eine intensive wissenschaftliche und praxisorientierte Diskussion um die Vereinbarkeit zwischen dem Berufs- und dem Privatleben entwickelt mit dem Ziel, durch geeignete Konzepte und verschiedenen Maßnahmen eine höhere individuelle Vereinbarkeit zwischen den Lebensbereichen zu unterstützen und zu fördern.

      1.1 Work-Life-Balance als interdisziplinäres Thema

      Das Thema Work-Life-BalanceWork-Life-Balance erfährt seit den 1990er Jahren eine steigende Aufmerksamkeit in Theorie, Forschung und Praxis unterschiedlicher Disziplinen (vgl. Collatz/Gudat 2011, S. 3). Insbesondere beschäftigen sich die SoziologieSoziologie und die PsychologiePsychologie mit dem Thema und untersuchen u.a. die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen der Erwerbsarbeit und dem Privatleben. Hierbei interessieren auch die verschiedenen Rollen, die Menschen innerhalb des Erwerbs- und Privatlebens einnehmen sowie mögliche Rollenkonflikte von Personen innerhalb und zwischen den beiden Lebenswelten. (vgl. z.B. Barnett 1998, S. 125; Frone 2003, S. 143; Resch/Bamberg 2005, S. 172). Die Arbeits- und OrganisationspsychologieArbeits- und Organisationspsychologie beschäftigt sich mit den Herausforderungen der Arbeitswelt und ihren Auswirkungen auf die Erwerbstätigen, wobei auch die Vereinbarkeit der Erwerbstätigkeit mit dem Privatleben untersucht wird (vgl. Weinert 2004, S. 37). Die Gender-ForschungGender-Forschung interessiert insbesondere die Chancengleichheit bzw. bestehende Ungleichheiten zwischen verschiedenen Beschäftigtengruppen und den Belastungen, die sich daraus für die Arbeitswelt aber auch für andere Lebensbereiche ergeben (vgl. z.B. Kortendiek/Riegraf;/Sabisch 2019; Becker/Kortendiek 2010). Für die BetriebswirtschaftBetriebswirtschaft und insbesondere das Personalmanagement ist das Thema Work-Life-Balance besonders interessant, da die Unternehmen und Organisationen für eine erfolgreiche Unternehmenstätigkeit gut qualifizierte, leistungsfähige und engagierte Mitarbeiter benötigen, die zukünftig aufgrund des demografischen Wandels weniger werden, gleichzeitig jedoch neue Anforderungen an die Beschäftigungsverhältnisse und den Ausgleich zwischen verschiedenen Lebenswelten stellen. (vgl. Badura 2004; Kaiser/Ringlstetter 2010; Rost 2004; Schobert 2007, S. 19; Vedder 2008).

      1.2 Auseinandersetzung mit dem Begriff “Work-Life-Balance”Begriff \“Work-Life-Balance\”

      Wörtlich übersetzt bedeutet „Work-Life-Balance“ Arbeit – Leben – Gleichgewicht bzw. Ausgeglichenheit (vgl. Michalk/Nieder 2007, S. 21). Gemeint ist damit ein individuell ausgeglichenes Verhältnis zwischen der heutigen Erwerbsarbeit und dem Privatleben. Das Privatleben umfasst alle nichterwerbsorientierten Lebensbereiche, wie z.B. das Familienleben, die Partnerschaft und das Freizeitleben. So definiert auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „Work-Life-Balance“ als eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt.“ (BMFSFJ 2005, S. 4). In einem ersten Verständnis scheint der Begriff „Work-Life-Balance“ sehr treffend eine aktuell weit verbreitete Problematik vieler Menschen zu beschreiben, nämlich die häufig fehlende zeitliche und inhaltliche Ausgeglichenheit zwischen den Anforderungen der Erwerbstätigkeit und den Anforderungen und Wünschen an das Privatleben. Bei einer differenzierteren Auseinandersetzung mit dem Begriff „Work-Life-Balance“ wird jedoch die Widersprüchlichkeit dieses Begriffes deutlich, der erklärungsbedürftig ist. So suggeriert die Gegenüberstellung von „Work“ (Erwerbsarbeit) und „Life“ (Privatleben) eine deutliche Abgrenzung beider Lebensbereiche voneinander, die in der heutigen facettenreichen (Arbeits-)Welt häufig gar nicht mehr gegeben ist und der Vielfältigkeit der Wechselwirkungen zwischen Arbeits- und Privatleben sowie auch der Vielfalt des Privatlebens nicht gerecht wird. Wichtig ist daher eine differenziertere Betrachtung der drei Bestandteile des Begriffs „Work-Life-Balance“, um anschließend auf die wesentlichen Kritikpunkte einzugehen und eine Definition des Begriffs „Work-Life-Balance“ für den weiteren Fortgang der Arbeit zu entwickeln.

      1.2.1 Life – Lebenswelt – Privatleben

      Der Begriff „Life“ kann als „LebensweltLebenswelt“ übersetzt werden und umfasst in einem weiten Sinn alles, was im Alltag erlebt, erfahren und erlitten wird und bildet damit die subjektive Realität bzw. den Wirklichkeitsbereich einer Person ab (vgl. Michalk/Nieder 2007, S. 20). In dieser weiten Fassung kann die Lebenswelt unterschieden werden in die Teilsysteme des Arbeitslebens und des PrivatlebensPrivatleben. Das Privatleben lässt sich wiederum unterteilen in die Subsysteme Familienleben, Partnerschaft, Freizeitleben und private (nicht erwerbstätigkeitsorientierte) Arbeitsbereiche (vgl. Abbildung 1). Zum FamilienlebenFamilienleben gehören alle Aktivitäten und Aufgaben zur Versorgung und Betreuung von Familienmitgliedern (Kinder, Eltern, Angehörige) und das Leben in der Familie bzw. die Zeit, die in und mit der Familie verbracht wird. PartnerschaftPartnerschaft umfasst die Zeit und alle Aktivitäten, die privaten partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Individuen dienen. Die FreizeitFreizeit steht zur eigenen Verfügung und kann nach individuellen Bedürfnissen gestaltet werden. Hierzu zählen z.B. alle sportlichen, kulturellen oder sozialen Tätigkeiten und Aktivitäten, die der individuellen Bedürfnisbefriedigung, Regeneration und dem privaten Leben (ohne Haushaltsaufgaben und ohne Erwerbsarbeit) dienen. Private nicht erwerbstätigkeitsorientierte ArbeitsbereichePrivate nicht erwerbstätigkeitsorientierte Arbeitsbereiche umfassen alle Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung des eigenen Haushalts notwendig sind (wie z.B. Einkaufen, Saubermachen, Reparaturen etc.) sowie weitere soziale, kulturelle oder individuell motivierte Arbeitsbereiche, die eine Person freiwillig übernimmt und als sinnstiftend erlebt (z.B. Übernahme von ehrenamtlichen Tätigkeiten in Vereinen oder


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