Erbengemeinschaften sind nichts für Weicheier. Anne Schröder

Erbengemeinschaften sind nichts für Weicheier - Anne Schröder


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Erbkandidaten erkundigten sich ebenfalls beim Grundbuchamt und bei der Bank, wie es um die Liquidität der Landwirtschaft stehe und hatten sich diverse Unterlagen zukommen lassen. Behörde und Bank gaben nur sehr oberflächliche Auskünfte – nur so weit, dass wir Gewissheit hatten, dass keinerlei Verschuldung oder Hypotheken auf der Erblassung lagen.

      Um eine eventuelle Ausschlagung nicht zu verpassen, hingen wir dieses Anschreiben gut sichtbar an die Pinnwand.

      Wochen vergingen, Diskussionen, Überlegungen und diverse Telefonate brachten unseren Alltag etwas aus dem Konzept.

       Kapitel 1

       Cousins- und Cousinen-Treffen

      Die Namen der bisher ermittelten Erbkandidaten waren mir zwar – was unsere Seite betraf – natürlich bekannt, jedoch hatte ich die meisten seit über 50 Jahren nicht gesehen, geschweige denn gesprochen. Nur meine Mutter, Gott hab‘ sie selig, hatte mich durch Erzählungen über Verwandte auf dem Laufenden gehalten.

      Rückblende 2004

      Wie jedes Jahr an Allerheiligen fuhren meine Mutter und ich zum Grab meiner Großeltern väterlicherseits. Da ich in Erlangen wohnte und erst zu meiner Mutter nach Bayreuth fahren musste, um zu dem weitere 20 Kilometer entfernten Friedhof zu fahren, war der Tag ausgefüllt. Diese Zeremonie wurde nach der Kirche und dem Friedhofsgang mit einer Einladung eines Verwandten zu Kaffee und Kuchen abgeschlossen. Das tat uns natürlich sehr gut, denn es war zumeist sehr kalt und wir waren dankbar für äußere und innere Wärmequellen.

      Von Jahr zu Jahr wurde die Anzahl der lebenden Verwandten am Friedhof immer kleiner – entweder verstorben oder weggezogen. Die Begegnung mit meiner Tante Trudel hat mich immer besonders berührt. Sie war die älteste Schwester meines Vaters und die Mutter des später verstorbenen Erblassers.

      Ihre streng nach hinten gekämmten Haaren, rückwärtig zu einem Knoten gebunden, ihre traurige Mimik und ihre abgearbeiteten Hände lösten bei mir Mitleid und ein schlechtes Gewissen aus.

      Ihren Kopf hielt sie etwas schief, wie ihr Vater, mein Großvater. Die Ähnlichkeit mit ihm drückte sich nicht nur in der Kopfhaltung aus. Nachdem der Pfarrer seine Predigt beendet hatte, kam meine Tante auf mich zu, drückte mir fünf D-Mark in die Hand und sagte im oberpfälzer Dialekt: „Ach Anne, scheei, dos i di mol wieda siach.“

      Natürlich wollte ich das Geld nicht annehmen, doch dann wurde sie noch trauriger. Also steckte ich es mit einem „Dankeschön“ ein. Ihre armselige Kleidung verstärkte mein Mitleidsgefühl noch. Ich vermisste aber ihren Sohn, meinen Cousin Alois, traute mich aber nicht, zu fragen. Einer der übrigen Brüder fuhr sie nach Hause.

      Beim anschließenden Kaffee bei Langsteiners mit Langsteiners großen Familie hatte ich die Idee, ein Treffen mit Cousins und Cousinen zu organisieren. Ich fand es sehr schade, dass man sich nur zu Beerdigungen traf und fand Zustimmung für meine Idee.

      Mit Hilfe meines Cousins Hans-Jürgen und meiner Cousine Charlotte, kam ich zu Adressen und Telefonnummern.

      Bei einem Glas Rotwein setzte ich mich eines Abends hin und verfasste eine Einladung. Ich begründete darin meine Idee, schlug mehrere Termine, Zeiten und Lokale vor.

      Nach einigen Tagen kamen schon die ersten Zusagen: Vier Geschwister, also vier Cousins und Cousinen aus Stuttgart und Umgebung, zwei aus dem hessischen Raum und weitere vier aus Bayreuth und Umgebung.

      Alle waren begeistert und schon bald konnten wir den Termin dingfest machen: Mai 2005. Es war ein schöner warmer Maitag. Ich holte meinen Cousin ab, der das Treffen mit organisierte. Hans-Jürgen war Junggeselle. Er lebte weiterhin in der mir wohlbekannten Wohnung seiner Eltern. Beim Gang ins Wohnzimmer musste ich schmunzeln: „Mensch, Hans-Jürgen, Du bist ja sauberer und ordentlicher als manche Hausfrau.“ Er grinste mit stolzer Verlegenheit.

      Wir beide waren sehr gespannt. Die Freude war groß, als nach und nach alle eintrafen – bis auf zwei, die es nicht einmal für nötig gehalten hatten, mir zu- oder abzusagen. Natürlich hatten wir uns viel zu erzählen. Zuerst erzählten wir uns gegenseitig etwas über das gegenwärtige Leben. Später wurden die schönen Kindheitserinnerungen hervorgeholt: Episoden wurden erzählt, an die sich der Eine oder die Andere nicht mehr erinnern konnte, bis zu „Ach ja, stimmt“ oder “Das habe ich gemacht?“ Wir sprachen von unseren Eltern und Großeltern und beklagten, dass wir uns eine lange Zeit nicht gesehen hatten.

      Wir verlebten einen wunderschönen Tag, machten viele Fotos und konnten sogar beobachten, wie ein Maibaum von starken Jungs aufgestellt wurde.

      Am Ende waren wir uns einig, dass wir so ein Treffen wiederholen würden. Zum Dank für´s Organisieren, bekam ich eine schöne Hortensie mit einer sehr netten Dankeskarte geschenkt. Vier Jahre später wiederholten wir das Treffen. Allerdings luden wir dazu noch die wenigen Tanten und einen Bruder meines Vaters ein. Dies war 2015, ein paar Monate nach dem Tod meiner Mutter. Sie verstarb mit schwerer Demenz im Alter von 89 Jahren. Wer sie kannte und wusste, wie sie früher gewesen war, nämlich sehr aktiv und in drei verschiedenen Bereichen ehrenamtlich tätig, konnte diese Krankheit bei ihr kaum verstehen.

      Jeder hatte die Idee, Fotoalben mitzubringen, was sich als sehr bereichernd herausstellte. Es war ein emotionsgeladener Tag. Durch Geschichten und Anekdoten wurden Tränen und Lacher ausgelöst.

      Nur am Rande wurde das Thema „Erbe des Alois“ angesprochen. Viele der Anwesenden hatten das Erbe ohne Testament gleich ausgeschlagen, auch Hans-Jürgen. Sie ließen sich vom Zustand des Anwesens und den Begebenheiten leiten, auszuschlagen. Leider war Alois in den letzten Jahren menschenfeindlich geworden und hatte niemanden mehr in seine Nähe gelassen, nicht einmal einen Arzt, der meine Tante Trudel versorgen wollte. Auch unseren Onkel wurde der Zugang verwehrt.

      Diejenigen, die angenommen hatten, auch ich, wurden bedauert und mit spekulativen Problemen konfrontiert, was in mir Unbehagen auslöste. Wie recht sie behalten sollten…

      Wir wurden gefragt, wie wir vorgehen würden und ob wir wüssten, ob Schulden oder Hypotheken das Erbgut belasteten. Meine Cousine Charlotte, die noch überlegte, das Erbe anzunehmen oder auszuschlagen, antwortete, dass wir uns erkundigen müssten. Bisher hatten wir allerdings nur begrenzt Auskunft bekommen.

       Kapitel 2

       Besichtigung des Anwesens

      Nach diesem Treffen war ich mit verschiedenen Telefonaten beschäftigt. Das Grundbuchamt gab uns über die Gemarkungen Auskunft und schickte mir und anderen Auszüge davon. Daraus ging unter anderem auch hervor, dass Alois ein Stück Wald verkauft hatte.

      Die Erkenntnisse aus dem zweiten Telefonat mit dem Amtsgericht erwiesen sich als sehr dürftig. „Tja, wissen Sie“, bekam ich auf meine Frage, wie lange es dauern werde, bis alle Erben ermittelt sein würden, zur Antwort, „das kann sehr lange dauern. Es sind schließlich nicht nur die Erben mütterlicherseits, sondern auch die väterlicherseits.“

      Der Rechtspfleger schloss seine kargen Antworten mit dem Satz: „Wir hatten schon Erbfälle, die acht Jahre dauerten. Selbst bei den ermittelten Erben, die zwar ausgeschlagen haben, werden auch die Kinder mit einbezogen. Die Überlegungsphase dauert ab Erhalt des Bescheids immer sechs Wochen.“

      Ich hatte mir vorgenommen, in regelmäßigen Abständen im Amtsgericht Bayreuth anzurufen.

      Während eines Telefonats mit Charlotte kamen immer wieder Fragen und Zweifel hoch. Wir kamen zu der Erkenntnis, dass wir keinen blassen Schimmer hatten, wie wir vorgehen sollten. Ein Haus verkaufen – okay, aber eine Landwirtschaft mit Acker, Wald und Weiher?

      Wir fragten uns gegenseitig, wann wir das letzte Mal in Teppach gewesen waren. „Äh, ich bin zwar mit Gerd schon des Öfteren vorbeigefahren und wir haben den verwilderten Zustand gesehen, aber sonst sah es aus wie vor 50 Jahren, als ich zuletzt im Haus war.“ Charlotte konnte sich nur vage erinnern, war noch seltener dort gewesen und konnte sich auch kaum an Alois erinnern.

      So


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