Die besten 12 Strand Krimis Juni 2021. A. F. Morland
überlegte er es sich anders. Mit weit ausholenden Schritten rannte er die Straße entlang, ohne sich noch einmal umzuschauen. Katharina setzte sich wieder in ihren Wagen und fuhr weiter.
Fünfundzwanzig Minuten später erreichte sie endlich den Parkplatz des Hotels. Als sie die Empfangshalle betrat, kam Eckard Joswig lächelnd auf sie zu.
„Alles in Ordnung?“, fragte er.
Katharina nickte. „Wie sind Sie eigentlich mit Simon Struck zufrieden?“
„Es geht besser, als ich dachte“, gab der Produzent zurück. „Er macht seine Sache ganz ordentlich. Wenn nichts dazwischen kommt, haben wir übermorgen die letzte Einstellung im Kasten. Und dann ist es Ihre Aufgabe, die Filme unbeschadet nach Berlin zu transportieren.“
„Um den Transport brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.“
„Soll das heißen …“
Katharina zuckte mit den Schultern und ging hinüber zum Fahrstuhl.
23
Am nächsten Morgen wurden in Halle vier die Szenen gedreht, die in einem aufgeschnittenen Wagen spielten, der auf einem Schüttelrost montiert war. Sophie saß am Steuer, neben ihr der angeschossene Bankräuber. Katharina beobachtete Simon Struck, und sie fand, dass der Mann seine Rolle nicht schlecht spielte. Abgesehen davon, dass sie sowieso keine mimischen Glanzleistungen erforderte. Wenig später rief der Regisseur: „Gestorben!“
Scheinwerfer verlöschten, und die Kulissen wurden für die nächste Einstellung umgebaut. Katharina nutzte die Drehpause und sah sich in der Halle um. Dann entdeckte sie Simon, der in einer Ecke saß und seinen Text lernte. Langsam ging sie auf ihn zu und baute sich vor ihm auf.
„Hallo! Ich habe Ihnen vorhin zugesehen. Ich finde, Sie machen Ihre Sache ganz gut.“
Simon fühlte sich geschmeichelt und lächelte. „Danke für das Kompliment“, sagte er.
„Sie werden sicher froh sein, wenn der Film fertig ist und wir wieder nach Hause fliegen können, nicht wahr? Schließlich haben Sie jetzt den Sprung nach oben geschafft.“
„Ja, schon“, gab Simon zu. „Nur dass Jannick sterben musste, um mir den Weg freizumachen, liegt wie ein Schatten über dem Ganzen.“
Du siehst nicht so aus, als würdest du dich von Schatten aus der Ruhe bringen lassen, dachte Katharina. Über Lautsprecher ertönte eine Stimme, die Simon, Sophie und einige Statisten an ihre Plätze rief. Simon legte das Drehbuch auf seinen Stuhl.
„Sie entschuldigen mich“, sagte er und ging mit raschen Schritten davon.
Katharina schlenderte hinter ihm her und blieb neben der Kamera stehen, um der folgenden Einstellung zuzusehen. Die Szene spielte im Versteck der Bande, kurz bevor die Polizei eintraf und sie unschädlich machte. Simon, Sophie und die anderen Gangster besprachen ihre weiteren Fluchtpläne. Als erste war die Frau an der Reihe. Sie äußerte den Verdacht, dass sich unter ihnen ein Verräter befände, der den geplanten Banküberfall an die Polizei verraten habe.
Katharina beobachtete die junge Frau scharf. Während Sophie ihren Text sprach, fiel ihr Blick plötzlich auf die Detektivin, die neben der Kamera stand. Sie verhaspelte sich und lief rot an.
„Kamera stopp!“, rief der Regisseur. „Das Gleiche noch einmal!“
„Entschuldigung“, sagte Sophie und riss ihren Blick von Katharina los.
Die Detektivin sah ihr an, dass sie sich gewaltsam auf ihre Rolle konzentrierte und auf das Einsatzeichen wartete.
„Kamera ab!“, rief der Regisseur.
„Kamera läuft!“, echote eine Stimme.
Weshalb war sie so erschrocken?, überlegte Katharina. Hatte sie vielleicht auch ihre Hände bei dieser Sache im Spiel?
24
Überall Polizei, und die Männer waren schwer bewaffnet. Simon Struck stand auf der eisernen Treppe und lachte zu ihnen hinunter. Er schickte noch ein paar Feuerstöße aus seiner Maschinenpistole hinter, dann horchte er auf den Widerhall und lachte noch einmal. Es war ihm vollkommen bewusst, das diese Situation absolut lächerlich wirkte, aber schließlich verdiente er nun einmal auf diese Art seinen Lebensunterhalt.
Jetzt schossen die Polizisten zurück. Simon duckte sich hinter das schwere Geländer. Vom gegenüberliegenden Gebäude richteten sich Scheinwerfer auf ihn. Die Explosionen der Pistolen und Maschinengewehre wurden immer lauter. Vor ihm auf der Treppe explodierte eine Tränengasgranate. Simon leerte sein Magazin mit einem lauten Schrei, dann flüchtete er weiter nach oben. Im selben Augenblick erreichte einer der Polizisten die unterste Treppenstufe und feuerte auf Simon.
Durch den Stuntman ging ein Zittern. Er kam noch einmal hoch und stürzte dann über das Geländer in die Tiefe. Sofort wurde es still. Keine Schüsse waren mehr zu hören.
„Gestorben!“, rief der Regisseur.
Rings um das Aufnahmeteam begannen wieder Hunderte von individuellen Gesprächen. Maskenbildner bemühten sich um die verschwitzten Darsteller, Scriptgirls blätterten im Drehbuch, und der Regisseur kümmerte sich um Simon Struck, der nach seinem Sturz auf einem Luftkissen gelandet war. Er winkte dem Schauspieler zu und hielt den Daumen nach oben. Lächelnd marschierte Simon an den Rand des Luftkissens und sprang mit der Geschmeidigkeit eines Berufsathleten auf den Boden. Und genau das war er ja auch. Früher hatte er weitaus gefährlichere Stunts hinter sich gebracht.
„Dem Himmel sei Dank“, sagte Joswig, während er auf Katharina zukam. „Der Film ist im Kasten. Jetzt kommt es nur noch darauf an, dass wir ihn problemlos nach Hause bringen.“
„Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen mehr zu machen“, erwiderte Katharina. „Ich bin inzwischen zu einem Abschluss gekommen.“
„Soll das heißen, Sie wissen, wer hinter allem steckt?“, erkundigte er sich.
Katharina nickte. „Ja, ich weiß es. Mein Verdacht hat sich bestätigt.“
„Und wer war es?“, fragte Joswig gespannt.
„Das hat noch Zeit bis heute Abend“, sagte Katharina ausweichend. „Wir sehen uns dann im Hotel wieder.“
„Was soll die Geheimniskrämerei?“
„Ich habe meine Gründe. Sorgen Sie bitte dafür, dass dieser Commissario Cariddi ebenfalls heute Abend anwesend ist.“
„In Ordnung.“
25
Langsam füllte sich der Saal. Die Männer und Frauen nahmen ihre Plätze an den Tischen ein. Auf allen Gesichtern lag derselbe Ausdruck: Erwartung, mit Furcht gemischt. Commissario Stefano Cariddi und zwei Polizeibeamte saßen in der Nähe des Ausgangs. Joswig hatte die Rolle des Dolmetschers übernommen. Das Gemurmel erstarb, als Katharina sich von ihrem Stuhl erhob. Sie räusperte sich und begann.
„Meine Damen und Herren, es handelt sich um die Untersuchung der Ermordung von Jannick Wolfe. Sie alle kennen die Tatsachen des Falls. Herr Wolfe wurde während der Dreharbeiten zu Blutige Meute umgebracht. Einige glauben sicherlich, dass es sich um einen Unfall handelte, dass dem Waffenmeister ein Fehler unterlaufen sei, und dass er anstelle von Platzpatronen echte Munition in das Magazin einer der Waffen getan hat. Doch das ist ein Irrtum. Wolfes Tod geschah mit voller Absicht. Er war sozusagen der Höhepunkt einer Inszenierung, die schon in Berlin begann, als zwei Männer in das Kopierwerk einbrachen und einige Negative des Films stahlen, um ihn anschließend für eine Erpressung zu benutzen. Und obwohl die geforderte Summe bezahlt wurde, waren die Negative unbrauchbar.“
Sie machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr.
„Im ersten Moment sah es so aus, als sei den Erpressern ein Missgeschick unterlaufen, aber auch