Leiten - Von der Kunst des Dienens. Thomas Dienberg
THOMAS DIENBERG
Leiten –
Von der Kunst des Dienens
Franziskanische Akzente
Für ein gottverbundenes und engagiertes Leben Herausgegeben von Mirjam Schambeck sf und Helmut Schlegel ofm
Band 9
Die Suche der Menschen nach Sinn und Glück ernst nehmen und Impulse geben für ein geistliches, schöpfungsfreundliches und sozial engagiertes Leben – das ist das Anliegen der Reihe „Franziskanische Akzente“.
In ihr zeigen Autorinnen und Autoren, wie Leben heute gelingen kann. Auf der Basis des Evangeliums und mit Blick auf die Fragen der Gegenwart legen sie Wert auf die typisch franziskanischen Akzente:
Achtung der Menschenwürde,
Bewahrung der Schöpfung,
Reform der Kirche und
gerechte Strukturen in der Gesellschaft.
In lebensnaher und zeitgerechter Sprache geben sie auf Fragen von heute ehrliche Antworten und sprechen darin Gläubige wie Andersdenkende, Skeptiker wie Fragende an.
Thomas Dienberg
Leiten
Von der Kunst des Dienens
echter
Herzlicher Dank geht an Simone Müller für die sorgfältige und äußerst kundige Zuarbeit bei den Korrekturen sowie an die Franziskanerinnen von Reute für die finanzielle Unterstützung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
© 2016 Echter Verlag GmbH, Würzburg
Umschlag: wunderlichundweigand.de
(Foto: Kirill Trubitsyn / shutterstock.com)
Satz: Hain-Team (www.hain-team.de)
ISBN
978-3-429-03935-6 (Print)
978-3-429-04845-7 (PDF)
978-3-429-06264-4 (ePub)
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
Inhalt
1. Auf die haltung kommt es an
2. Biblische grundlagen:
Zum Dienen berufen
Das Alte Testament: Gott beruft und führt
Das Neue Testament: Leiten heißt Dienen
3. Franziskanisch leiten
Klara von Assisi
Bonaventura
4. Auf den Punkt gebracht – ausblick
Umkehr
Franziskanisch leiten bedeutet
Anmerkungen
Zum Weiterlesen
Abkürzungsverzeichnis
1. | Auf die Haltung kommt es an |
Ich möchte mit einer Erzählung aus dem Leben des hl. Franziskus beginnen, welche die Bandbreite der Aspekte von Leitungshandeln, franziskanisch verstanden, gut darzustellen vermag. Sie findet sich in der großen Lebensbeschreibung des hl. Bonaventura, eines der frühen Generalminister, d. h. Leiter des Ordens. „Im Vertrauen auf Gottes Gnade und des Papstes Gutheißung machte sich Franziskus voll Zuversicht auf den Weg zum Spoletotal, um Christi Evangelium zu leben und zu lehren. Während er aber auf dem Weg mit seinen Gefährten darüber sprach, wie sie die Regel, die sie empfangen hatten, getreu halten, in aller Heiligkeit und Gerechtigkeit vor Gott wandeln, selbst Fortschritte machen und andern zum Beispiel dienen könnten, zog sich die Unterhaltung länger hin, und die Zeit verging. Da sie schon von der Anstrengung ermüdet und hungrig waren, machten sie in einer einsamen Gegend Halt. Schon fehlte jede Möglichkeit, sich das zum Leben Notwendige zu besorgen, da kam ihnen alsbald Gottes Vorsehung zu Hilfe. Denn unerwartet erschien ein Mann mit einem Brot in der Hand, das er den Armen Christi schenkte, und verschwand plötzlich wieder, ohne dass jemand sagen konnte, woher er gekommen war und wohin er ging. Die armen Brüder erkannten aber daran, dass in der Nachfolge des Gottesmannes die Hilfe von oben mit ihnen sei, und wurden mehr durch das Geschenk der göttlichen Freigebigkeit als durch die Nahrung für ihren sterblichen Leib erquickt. Von göttlichem Trost erfüllt, fassten sie überdies den festen Entschluss und versprachen für alle Zeit, sich durch keine Not und Trübsal vom Vorsatz der heiligen Armut abbringen zu lassen“ (LM 4,1, FQ 708).
In dieser Erzählung finden sich verschiedene Elemente, die für eine Leitung im franziskanischen Sinne, aber auch für Leitungsverhalten generell wichtig sind. Auf diese Aspekte soll in den folgenden Kapiteln und in diesem Buch weiter eingegangen werden. In manchen Punkten unterscheidet sich die franziskanische Perspektive nicht wesentlich von anderen spirituellen Schulen und ihren Anforderungen an Leitungshandeln, ebenso wenig auch von manchen sehr verantwortlich geprägten Unternehmen und den Versuchen, in Business Schools heute mehr Ethik, Spiritualität und/oder soziale Verantwortung in die Studiengänge zu integrieren.
Als Überschrift lässt sich sehr einfach formulieren : „Auf die Haltung kommt es an.“ Es geht weniger um Techniken und Methoden, es geht nicht um ausgefeilte Strategien und Konzepte. Vielmehr geht es, und das zeigt Franziskus sehr deutlich, um eine Haltung, die nichts anderes will, als das Evangelium zu leben und zu lehren. In dem Gespräch, das in der Erzählung erwähnt wird, entfalten die Brüder und Franziskus diese Haltung noch, indem sie darüber diskutieren, wie sie selbst in aller Heiligkeit und Gerechtigkeit vor Gott wandeln und dabei anderen als Beispiel dienen können. Das genau ist die Mitte jeglichen Leitungshandelns : Authentizität und Profil zeigen, sein Handeln aus einer Quelle speisen, die sich dann im Handeln selbst zum Ausdruck bringt.
Zwei andere Aspekte, die eine große Rolle spielen, sind die spielerische Leichtigkeit, die sich in einem Glauben an die Vorsehung Gottes niederschlägt, sowie die Erkenntnis, dass die Armut den Kern der franziskanischen Nachfolge darstellt. Beide Aspekte sind für ein Leitungshandeln in Orden und Wirtschaft unerlässlich, denn mit heutigen Worten ausgedrückt geht es hierbei zum einen um Spiritualität als ein Grundelement von Leitung sowie zum anderen um eine Armut, die mehr als nur Verzicht auf Materielles bedeutet, sondern vielmehr zutiefst eine Frage der Haltung ist. Bei Franziskus gründet sie elementar auf der für ihn überwältigenden Realität der Inkarnation Gottes in Jesus Christus.
Diese Aspekte sind gerade heute in einer globalisierten Welt bedeutsam, in der sich der Kapitalismus bis in alle Winkel der Welt ausbreitet und Marktorientierung, Gewinnmaximierung sowie Mobilität, Flexibilität, Change und Innovation fordert. Sie helfen, eine andere und neue Perspektive auf das Thema Leitung zu gewinnen.
2. | Biblische Grundlagen: Zum Dienen berufen |
Das Alte Testament: Gott beruft