Martin Fourcade. Martin Fourcade
Simon Bescheid wusste, blieb nur noch einer, mit dem ich sprechen musste, und davor graute es mir am meisten: Thierry Dusserre. Ich fühlte mich schlecht ihm gegenüber, da ich ihn sehr schätzte (und noch immer schätze): dafür, was er für ein Mensch ist, aber auch für das Vorbild, das er in Sachen Professionalität und grenzenlosem Einsatz für den Biathlonsport ist. Er gibt alles für diesen Sport und für seine Schützlinge. Wir übernachteten regelmäßig bei ihm, um bei den Trainingslagern Kosten zu sparen, er kochte für uns, kümmerte sich um alles für uns. Und ich? Ich hatte keine Lust mehr, den gleichen Einsatz für den Sport zu bringen wie er. Ich stellte mir vor, im Herbst weiterzumachen, ohne die nötige Anstrengung unternommen zu haben, die er von uns allen erwartete. Ich wollte wieder zur Gruppe stoßen, ohne auch nur das Mindeste dafür getan zu haben. Ich wusste sehr wohl, welche Folgen das haben musste. Schon mit dem ersten Training auf Rollski würden diese sichtbar werden: Das hohe Niveau kennt keine Gnade für jene, die mogeln, wenn es um den dafür erforderlichen Einsatz geht. Ich wollte ihn nicht anlügen, hatte aber das Gefühl, ihn irgendwie zu betrügen, wenn ich nur daran dachte, aufzuhören. Und doch wollte ich all das hinter mir lassen, die bisherigen guten Ergebnisse hin oder her. Ich fühlte mich schuldig dafür, keine Lust mehr zu haben. Aber in meinem Kopf war es bereits eine beschlossene Sache: Ich würde dem Biathlon den Rücken kehren …
Neustart wie im Flug
Immerhin hatte ich den Mut, es ihm zu sagen. Thierry versuchte kurz, mich zu überzeugen, aber mein Entschluss war gefasst und nicht mehr zu revidieren. Er wusste das, kannte meinen Dickkopf und meinte: »Ich hoffe, du wirst das nicht bereuen …«
Nein, ich habe es niemals bereut, auch wenn ich, sportlich gesehen, einige Jahre nach meiner Pause den Rückstand wieder aufholen musste. Für mich war das damals genau das Richtige – und vielleicht auch die Voraussetzung dafür, dass ich schließlich mit den gleichen Zielen, aber mit einer neuer Willensstärke, zurückkommen konnte. Denn ich nutzte diese Zeit auch, um zu erkennen, warum ich diesen Sport und den Wettkampf wirklich liebe … Das ist vielleicht auch der Grund, warum ich bis heute, nach so langer Zeit und obwohl ich inzwischen die meisten Ziele, die ich mir gesetzt hatte, erreicht habe, immer noch begeistert bei der Sache bin.
Es dauerte ein bisschen, bis ich mich dazu entschloss, ein Sieger zu werden, bis ich erneut meine Sachen packte. Denn jetzt war ich erst einmal wieder zu Hause. Mein Vater hatte mir ein Zimmer neben der Garage ausgebaut, damit ich dort für mich sein konnte, ich war wieder mit meinen Kumpels am See und habe das Leben genossen. Es war herrlich!
Manchmal begleitete ich meinen Vater beim Triathlon. Es machte mir Spaß, und ich stellte mich gar nicht so schlecht an. Ich bestritt sogar ein paar Wettkämpfe mit ihm, und als die Schule wieder losging, widmete ich dem Ganzen noch mehr Zeit. Schwimmen in der Schule, spezielles Training mittwochs und samstags, plus einige Touren auf dem Rad abends unter der Woche mit meinem Vater. Ich hatte nie das Temperament, um lange inaktiv zu bleiben …
Mithilfe des Triathlons konnte ich meine Disziplin und meine Fitness insgesamt aufrechterhalten. So blieb ich jederzeit – ohne einen Gedanken daran zu verschwenden – in der Lage, wieder auf die Ski zu steigen.
Während ich in Villard war, hatte im Nachwuchszentrum von Font-Romeu der Biathlontrainer gewechselt. Denis Boissière, der nun die Zügel in seinen Händen hielt, kannte meinen Werdegang und wusste, dass ich keine Lust mehr hatte, mich voll reinzuhängen. Im Herbst kam er auf mich zu und schlug mir vor, mich seiner Gruppe anzuschließen, ohne Druck. Einfach, um es mir anzuschauen. In der darauffolgenden Woche brachte er sein Team zur Vorbereitung nach Tignes und lud mich dazu ein. Sein Vorschlag klang verführerisch: »Du machst alles in deinem Rhythmus, du verpflichtest dich zu nichts. Wenn es dir gefällt, bleibst du so lange wie du willst, und wenn es dir nicht gefällt, dann fährst du eben wieder. So einfach ist das!«
Die Großzügigkeit seines Angebots machte es mir nicht leicht, ihm abzusagen. Außerdem ist Skifahren im Herbst eigentlich ganz cool: Du hast seit langer Zeit keinen Schnee gesehen, und so langsam vermisst du ihn …
Dieses Gespräch mit Denis auf dem düsteren Gang im Untergeschoss des Gymnasiums in Font-Romeu hat mein Leben verändert. Ich fuhr also doch mit ihnen nach Tignes und traf auf eine super Truppe. Es gab zwei Jugendliche in meinem Alter, die etwa auf meinem Skilanglaufniveau waren, Gareth und Bastien, und die Stimmung war super. Wir konnten uns aneinander messen, und ich merkte, dass ich fast nichts verlernt hatte.
So begann das Abenteuer erneut.
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