3:2 - Deutschland ist Weltmeister. Fritz Walter
Prima schnittfeste Tomaten, Leut’!
Die prima Oma-Lutsch-Birnen für zahnlose Großmütter!
1 a Rotkohl, Weißkohl, Wirsing, Spinat!
Wenn keiner kommt, dann leckt mich am …
Leute, ich bin das Leben leid, heut wird die Ware verschenkt!
Aaa sch—on wieder einer da!
Prima schnittfeste Tomaten!
Ich liege im Bett und lache, lache, bis mir die Tränen kommen.
Wie oft hab ich mich während der drei Wochen in der Schweiz über den Boss und seine urwüchsigen, jungenhaften Kraftausbrüche gefreut! Schmerzlich durchfährt mich der Gedanke, dass es nun bald aus ist mit dem kameradschaftlichen Zusammensein. Aus mit den unvergesslichen Tagen, die uns menschlich einander so nahe gebracht haben.
Als wir im Frühstückszimmer Platz nehmen, sind die meisten anderen schon da, nicht nur die Frühaufsteher. Niemand hat richtig schlafen können in dieser Nacht. Der Toni, der Max, der Jupp – sie alle sind von ihren Gedanken bestürmt worden und von ihren Erinnerungen. Ist das nicht ganz natürlich? Haben wir denn überhaupt schon begriffen, was in diesen Tagen und Wochen geschehen ist?
Wir sind Fußball-Weltmeister 1954!
Spreu oder Weizen?
»Wenn ihr nicht besser spielt, braucht ihr erst gar nicht in die Schweiz zu fahren!«
So scharf schießen 1953 unsere Kritiker. Leider nicht ganz zu Unrecht. Bei den Ausscheidungsspielen, die wir zu absolvieren haben, sind die Leistungen der deutschen Nationalmannschaft alles andere als eindrucksvoll. Ehrlich gesagt, denke ich nur ungern an die zermürbenden Vorpostengefechte zurück, die uns den Weg in die Schweiz frei machen.
36 Länder haben sich zur Teilnahme an der V. Weltmeisterschaft der FIFA, des Internationalen Fußballverbandes, gemeldet. Nur sechzehn Mannschaften aber sollen nach dem Plan des Organisationskomitees in der Schweiz um die höchste Fußballtrophäe, den Coupe Rimet, kämpfen. Es muss also vorgesiebt werden. Die 36 Konkurrenten teilt man in dreizehn Qualifikationsgruppen ein, deren jeweiliger Sieger die Fahrkarte in die Schweiz erhält. Nur bei der Gruppe III (England, Schottland, Irland, Wales), die traditionsgemäß für besonders stark gehalten wird, darf auch der Zweite mitfahren. Auf diese Weise sollen die vierzehn Besten ermittelt werden. Zwei Teilnehmer stehen von Anfang an fest: Uruguay als Titelverteidiger und die Schweiz als Gastgeber.
»Ich möchte wetten, dass wir mit dem Saarland in eine Gruppe kommen!« sage ich zu Bundestrainer Herberger. Die Wette hätte ich glatt gewonnen: die Organisatoren der Weltmeisterschaft stecken uns zusammen mit der Saar und Norwegen in die Ausscheidungsgruppe I.
»So ein Dusel!« frohlocken die Optimisten. Ich habe über die »leichte« Gruppe I meine eigene Meinung. Noch in jedem Länderspiel ist die Saarmannschaft über sich selbst hinausgewachsen. Obwohl sie praktisch nur aus Spielern des 1. FC Saarbrücken besteht, wäre es kurzsichtig, ihre Leistungen wie die einer Vereinsmannschaft einzuschätzen. Zumal Helmut Schön, der Trainer des Saarländischen Fußballverbandes, seine Elf seit Monaten intensiv auf die Ausscheidungsspiele zur Weltmeisterschaft vorbereitete. Und Norwegen? Es ist seit eh und je unser Angstgegner, der uns 1936 beim Olympischen Fußballturnier in Berlin mit Pauken und Trompeten ausgebootet hat.
Trotzdem ist Deutschland in Gruppe I eindeutiger Favorit. Die Saar und Norwegen haben als Außenseiter nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen.
»Ihr müsst es schaffen! Ihr müsst es schaffen!« Wie uns dieser Imperativ, dieses leichthin gesagte »muss« im Magen liegt!
Am 18. Juli 1953 bringt der Postbote den erwarteten Brief mit dem Absender »Seppl Herberger, Hohensachsen an der Bergstraße«. Jeder, der für ein Länderspiel vorgesehen ist, wird vom Bundestrainer benachrichtigt:
»Liebe Kameraden!
Die neue Spielzeit ruft. Für unsere Nationalmannschaft setzt sie gleich mit vollen Akkorden ein. Am 19. August spielen wir in Oslo gegen Norwegen. Es geht um die Teilnahme an der Weltmeisterschaft …«
Allen Empfängern legt der »Chef«, wie wir Herberger unter uns nennen, nahe, sich durch die Vereinsspiele und entsprechendes Training in gute Kondition zu bringen. Ihm bleibt nichts anderes übrig als dieser erste Appell an das sportliche Gewissen jedes einzelnen. Bedingt durch die Verhältnisse im deutschen Fußball können wir uns immer nur wenige Tage vor einem Länderspiel treffen. Es ist klar, dass wir deshalb die nötige Form schon mitbringen müssen. Jedem seiner Pappenheimer schreibt der Chef noch ein paar spezielle Worte. Er weist auf individuelle Schwächen hin und gibt zugleich Ratschläge, wie sie am besten zu beheben sind.
Gleichzeitig kommt der offizielle Bescheid von der Geschäftsstelle des DFB, des Deutschen Fußballbundes in Frankfurt. Demnach gehöre ich zur vorgesehenen Mannschaft gegen Norwegen, die sich vor dem Abflug in Malente, der Sportschule des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbandes, trifft.
Am 19. August 1953 spielen wir im Osloer »Ulleval«-Stadion gegen die Norweger. Sie stehen bereits mitten in ihrer Fußballsaison, haben die Höchstform erreicht und sind überraschend stark. Unser letztes Länderspiel war vor fünf Monaten. Wir sind zudem durch die unmittelbar zurückliegende Sommerpause aus dem Tritt geraten. Obwohl wir in der Besetzung: Turek; Retter, Kohlmeyer; Eckel, Posipal, Schanko; Rahn, Morlock, O. Walter, F. Walter, Schäfer antreten, kommen wir gegen die Skandinavier nicht zum Zug. Kurz vor der Halbzeit wird Schäfer verletzt und durch Pfaff ersetzt. Der 21-jährige norwegische Torwart Asbjörn Hansen hält die schwierigsten Schüsse. Nur ein einziges Mal lässt er den Ball passieren. Dieses Tor, von mir geschossen, bringt uns den 1:1-Ausgleich, und wir müssen froh sein, mit dem Unentschieden wenigstens einen Punkt gerettet zu haben. Ziemlich belämmert ziehen wir ab. Deutschlands Fußballfreunde und wir selbst sind keineswegs mit unserer Leistung zufrieden, zumal die Saar im Juli Norwegen auf demselben Platz 3:2 geschlagen hat. Die Sorgenfalten auf der Stirn unseres Chefs wollen nicht mehr verschwinden.
Als wir nach dem Rückflug wieder in Hamburg landen, regnet es in Strömen, und grau wie das Wetter ist unsere Stimmung. Wir flüchten in den bereitstehenden Omnibus und fahren auf dem schnellsten Weg ins Hotel. Noch am gleichen Abend reisen wir nach einem hastigen Essen sang- und klanglos in unsere Heimatorte ab. Eines steht für Herberger und für uns nach diesem 1:1 fest. Das Spiel gegen die Saar muss wohl besser werden!
Es findet am 11. Oktober 1953 im Stuttgarter Neckar-Stadion statt. Obwohl die Saar bei diesem wichtigen Ausscheidungsspiel in prächtiger Form antritt, geht die deutsche Elf (Turek; Retter, Erhardt; Mai, Posipal, Gottinger; Rahn, Morlock, Schade, Metzner, Schäfer) als klarer Favorit auf den Platz, um praktisch gegen den 1. FC Saarbrücken anzutreten, der nur durch Clemens von Saar 05 verstärkt ist. Wie Ottmar und Kohlmeyer bin ich verletzt und sehe das Spiel von der Tribüne aus. Unsere Mannschaft, bei der Gottinger angeschlagen und durch Eckel ersetzt wird, tut sich schwer, gegen die unerschrocken und schwungvoll angreifenden Saarländer einen 3:0-Sieg zu erringen.
Das Resultat entspricht nicht unbedingt dem Spielverlauf. Dem Stuttgarter Treffen fehlt die große Linie, nur selten kommt unsere Elf zu einer harmonischen Zusammenarbeit. »Kein Grund zum Optimismus!« schreiben die Kritiker nach diesem Spiel. Unsere Chancen für die Schweiz schätzen sie nicht allzu hoch ein, auch wenn wir jetzt mit 3:1 Punkten vor dem Saarland (2:2) und Norwegen (1:3) in der Qualifikationsgruppe I führen. Einmütig erneuern wir das Versprechen, das wir uns in Oslo gegeben haben: Das nächste Spiel muss besser werden!
Die letzten Hürden
Das zweite Treffen mit Norwegen – im weiten Oval des neuen Volkspark-Stadions – ist für Hamburg das erste Länderspiel nach 13-jähriger Pause. Die schöne, alte Hansestadt gibt ihm einen entsprechend großartigen Rahmen.
Turek steht auch heute in unserem, Hansen wieder im Norwegertor. Retter und Kohlmeyer verteidigen, Eckel und Mai sind Außenläufer, der Hamburger Jupp Posipal spielt vor heimischem Publikum Stopper. Rahn, Morlock, O. Walter, F. Walter