Kuba. Jakub Blaszczykowski

Kuba - Jakub Blaszczykowski


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der Nationalmannschaft ernannt. Zweimal zu Polens Fußballer des Jahres gewählt. Eine der Stützen von Borussia Dortmund. Einer der schnellsten Außenmittelfeldspieler in Europa. Von den Fans geliebt (ja, das ist keine Übertreibung) und von allen verehrt, die es mit Papst Johannes Paul II. halten, der behauptete, dass „Fußball von allen unwichtigen Sachen auf der Welt die wichtigste“ sei. Ein Fußballstar, der kein Star sein möchte. Ein Fußballer, bei dem, wie der deutsche Hiphopper M.I.K.I. rappt, das „Herz gewonnen“ habe. Warum er? Weil seine Freunde für ihn durchs Feuer gehen würden. Weil er ein Geheimnis in sich trägt, das ihn für mich als Menschen interessant macht. Und weil er ein hundertprozentiger Kerl ist.

      Und warum ich? Ich höre schon die überraschten Stimmen der Journalisten, vor allem der Sportjournalisten. Die kennt sich doch im Fußball gar nicht aus. Ich irre mich nicht, stimmt’s? In der Tat, ich bin keine Sportjournalistin, und das ist gut so, vielleicht sogar sehr gut, für die Geschichte, die ich erzählen möchte.

      Trotzdem ist die Liebe zum Fußball, wie bei Millionen Menschen, eine, der ich mein ganzes Leben lang die Treue gehalten habe. Ich gehöre zu einer Generation von Fußballfans, die zwei Fußballwelten kennengelernt hat. Die Helden der alten Welt betonen bis heute bei jeder Gelegenheit, dass zu ihrer Zeit nicht nur professionell Fußball gespielt wurde, sondern dass man dazwischen auch einfach gelebt hat. Man machte einen drauf, spielte Poker bis zum Morgengrauen, zechte und sorgte sich nicht besonders um seinen Körper. Jene Fußballer stylten sich nicht wie die heutigen Spieler die Haare oder posierten bei Fotosessions und – das betonen sie unentwegt – sie hielten zusammen in guten und in schlechten Zeiten. Und heute? Gel im Haar, Kopfhörer mit Dr. Dre auf den Ohren, die Playstation immer dabei – und dazu lukrative Werbeverträge. Mit einem Wort: der Himmel auf Erden.

      Die Subkultur des Fußballs wird heute heftig angegriffen. Von den spottenden, allgegenwärtigen Medien bis zu kompromisslosen Schreihälsen in den Fankurven auf der ganzen Welt hält sich niemand zurück. Bei Facebook, Twitter und Instagram kann man das Leben eines Fußballers mitverfolgen. Das macht es für den nicht unbedingt leichter. Jede Miene, Geste, jedes Stück Pizza im Mund wird millionenfach festgehalten. Kann es besser geeignete Medienhelden geben als den unberechenbaren Balotelli, den bissigen Suárez oder den göttlichen Messi mit ihren oft an den Haaren herbeigezogenen Skandalmeldungen aus einem Leben als Promi? Auch wenn vielen Frauen – und nicht nur den fußballinteressierten – „ungezogene“ Jungs à la George Best oder besagtem Balotelli gefallen, führen Alkoholexzesse und wilde Nächte mit den schönsten Frauen der Welt in den seltensten Fällen zu fußballerischem Ruhm. Sir Alex Ferguson hat recht, wenn er sagt, dass ein Fußballer an der Schwelle des Ruhmes zwischen zwei Wegen entscheiden muss. Entweder er wählt wie George Best die „dunkle Seite der Macht“, oder er tritt in die Fußstapfen eines Ryan Giggs. Allerdings hatte der, wie sich später herausstellte, acht Jahre lang eine Affäre mit der Frau seines eigenen Bruders. So oder so: Den Traum eines Jungen von einem Leben als Fußballstar wecken nur die besten unter ihnen. Die modernen Gladiatoren (Gladiator ist Błaszczykowskis Lieblingsfilm – ein Zufall?) verkörpern wie sonst wohl nur Rockstars unsere Fantasie von einem erfolgreichen, erfüllten Leben. Wenn du willst, dass die Massen auf der ganzen Welt deinen Namen skandieren, musst du Fußballer werden. Ein Krieger mit Kopfhörern auf den Ohren und beneidenswerten Muskeln. Ein Athlet, der auf dem Spielfeld im Namen der Fans für den Sieg kämpft.

      Man muss sich die Biografien der ganz Großen ansehen, um zu verstehen, dass ein Anwärter auf den Titel Fußballgladiator neben überdurchschnittlichen Fähigkeiten, Talent, körperlicher Eignung und Tausenden Trainingsstunden auch noch das gewisse Etwas mitbringen muss. Etwas, das bewirkt, dass sich die Augen der Fußballwelt auf ihn und nicht auf andere richten. Dass man das Hemd mit seiner Rückennummer trägt und die Fans seinen Namen mit Ehrfurcht aussprechen. Und das passiert dann, wenn diese ihren geliebten Profi gleichermaßen als Spieler und als Mensch betrachten. Ein großartiger Fußballer und ein feiner Kerl.

      Als Journalistin habe ich einige Männer getroffen, bei denen mich sowohl der Intellekt, als auch die Willenskraft und Entschlossenheit, ihren Traum von Leben zu verwirklichen, fasziniert haben. Auch solche, bei denen es immer nur bergauf ging und die alles erreichten, was sie sich wünschten. Niemals vergaßen sie, woher sie kamen, und Niederlagen münzten sie in Erfolge um. Auch die gegen sich selbst. Die, denen das gelingt, mag ich am meisten. Über einen von ihnen und mit ihm gemeinsam habe ich ein Buch geschrieben. Wir haben es „Kuba“ genannt.

      Und so fing es an: Eines Abends saß mein deutscher Mann vor dem Fernseher und sagte: „Ist er nicht großartig, unser Kuba?“ – „Euer?“ frage ich. „Ja“, antwortet er, „der von Borussia.“ Mein journalistisches Interesse für den Polen, den die Deutschen als „ihren“ bezeichnen, aber auch meine simple Neugier waren geweckt. Ich ahnte damals nicht, dass ich bald schon jemanden treffen würde, der Journalisten beim Gespräch in die Augen sieht, Sinn für Humor hat und bisweilen mit scharfsinnigen Gegenfragen überrascht. Jemanden, der nicht herumdruckst oder schwierigen Fragen ausweicht und der niemals etwas zurücknimmt, was er einmal gesagt hat. Jemanden, der sein Wort hält.

      Die Europameisterschaft 2012 näherte sich dem Ende. Unser Held, Kapitän der polnischen Nationalelf, erzielte beim Spiel gegen Russland mit einem eleganten Schuss mit dem linken Fuß das 1:1. Über dreizehn Millionen Polen sahen ihm dabei zu. Ich bat um ein Interview für die Interviewreihe, die ich seit Jahren in der Zeitschrift „Pani“ führe. Błaszczykowski willigte ein. Später erfuhr ich, dass sein Onkel Jerzy Brzęczek (oder Jurek, wie alle ihn nennen) ihn lange überredet hatte. Der Fußballer und die Journalistin. Die sich zugegebenermaßen nicht tagtäglich mit Sport beschäftigt.

      Heute, da ich behaupten kann, Kuba Błaszczykowski ein „bisschen“ zu kennen (hier sehe ich ihn still lächeln), habe ich keine Zweifel mehr, dass die Geschichte des Menschen ebenso interessant ist wie die des Fußballers. Eine Lebensgeschichte, die das Zeug zu einem Drehbuch hat (man munkelt, dass es eher früher als später dazu kommen wird.) Wir trafen uns im Juli 2012 in der Warschauer Redaktion der „Pani“ und ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein Gast so viel Aufregung unter meinen Kollegen verursacht hätte. Bälle, Fotos und blankes Papier lagen für Autogramme bereit und bei jedem einzelnen fragte Błaszczykowski, für wen es sei. Er lächelte, als er hörte, dass einer seiner Fans, für den seine Mutter um ein Autogramm bat, erst drei Monate alt war.

      Das Gespräch selbst war sehr aufmerksam und nicht immer einfach. Wie sollte ich Błaszczykowski überzeugen, dass ich die Fragen so und nicht anders formulierte, weil er mich als Mensch interessierte, und dass mir Skandalmeldungen gleichgültig waren? Ich erinnere mich an einen Moment, in dem er zögerte, als ich nach der schwierigen Beziehung zu seinem Vater fragte. Aber er antwortete. Vielleicht begann genau da unser Buch, auch wenn wir, seine Koautoren, es noch nicht wussten. Ich erinnere mich auch, dass er um einen Tee mit Zitrone bat und ein Tyson-T-Shirt trug.

      Ein paar Monate später rief Kuba an und lud mich zum WM-Qualifikationsspiel Polen gegen England im Oktober 2012 ein. Seither sprachen wir öfter am Telefon miteinander oder tauschten SMS aus: „Gratuliere zu Ihrem großartigen Spiel, Kuba“, „Frau Domagalik, man erinnert sich nur an die, die Tore schießen, nicht an die, die gut spielen“ usw. Schließlich flog ich auf Einladung von Błaszczykowski zum legendären Spiel des BVB gegen Real Madrid am 24. April 2013, das Dortmund 4:1 gewann und das die Mannschaft dem Champions-League-Finale einen Schritt näher brachte. Ich wohnte in dem Hotel, in dem die Dortmunder vor ihren Spielen residieren. Ich beobachtete die Spieler und spürte die Konzentration und die Anspannung, die in der Luft lagen. Und am Abend hörte ich, wie achtzigtausend Fans im Signal Iduna Park die Namen von Kuba Błaszczykowski und Robert Lewandowski skandierten. Genau wie ich. An meiner Seite saß Anna Stachurska (heute Lewandowska), mit der wir uns an diesem Abend viermal in den Armen lagen, weil ihr damaliger Verlobter viermal den spanischen Torwart überwand.

      Und Błaszczykowski? Spielte ebenfalls großartig. Damals sah ich zum ersten Mal, wie die Fans auf ihn reagieren. Eine ältere Dame in einem Aufzug konnte gar nicht glauben, dass mich soeben Błaszczykowski persönlich an die Tür gebracht hatte. „Kennen Sie ihn?“, fragte sie mich mit rotem Gesicht. Glaubt sie also auch, dass Kuba „ihrer“ ist, dachte ich. Wem gehört er denn nun, ihnen oder uns? Heute weiß ich, dass er „unser aller“ ist, der polnischen Elf wie seiner deutschen Mannschaft


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