... damit der Mensch Gott werde. Adalbert Keller

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      ADALBERT KELLER

      … damit der Mensch Gott werde

      Weihnachten als Fest der Erlösung

      ADALBERT KELLER

      … damit der Mensch

      Gott werde

      Weihnachten als Fest

      der Erlösung

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      Für Selmi und Johannes

       Inhalt

       Prolog: Aufklärung tut manchmal weh

       Wer ist das Baby in der Krippe?

       Sinnliche Berührung

       Wahrheit

       Herrlichkeit

       Vom Himmel herabgestiegen und einer von uns geworden

       Geburt des ‚wahren Lichts‘

       Das Augenlicht der Seele

       Gott wird anfassbar

       Auf Du und Du

       Paradoxien im Leben

       Warum so spät?

       Damit nicht alles beim Alten bleibt

       Das verlorene Paradies

       Brücke vom und zum Himmel

       Ein Fest der Wende

       Vergöttlichung des Menschen

       Die Gottesgeburt im Herzen

       An das Christkind glauben

       Spirituelle Achtsamkeit

       Mystisches Wachstum

       … damit der Mensch Gott werde

       Literatur

      „Komm, ich will dir den Sohn Gottes zeigen

      und die Mysterien des Gottessohnes,

      und ich will sie dir erklären in Bildern,

      die dir vertraut sind.“

      (Klemens von Alexandrien: Mahnrede XII 119, 1)

       Prolog

       Aufklärung tut manchmal weh

      Wir waren unzertrennlich, mein bester Freund und ich. Da wir in unmittelbarer Nachbarschaft wohnten, war es uns als Kinder leicht möglich, fast täglich zusammen zu sein. Nur der Mittwoch war immer ein ungewisser Tag. Die Eltern meines Freundes hatten eine Gastwirtschaft und mittwochs war Ruhetag. Und das im umfassenden Sinn: Ruhe vor Besuchern der Gastwirtschaft und leider manchmal auch Ruhe vor den Besuchen des Freundes. Sehr zum Leidwesen von uns beiden Jungs.

      Dieses Freundschafts-Fasten mitten in der Woche war für uns beide eine schwierige Sache. Für mich sogar schlimmer noch als die Entzugserscheinungen, die mich heute als Erwachsener immer regelmäßig am Aschermittwoch und am Karfreitag überkommen.

      Durch dick und dünn wären wir damals gemeinsam und füreinander gegangen. Doch mein Glaube an das Christkind hätte mich beinahe diese Freundschaft gekostet. Mein Freund war mir in Sachen Aufklärung meilenweit voraus. Auch was die religiöse Aufklärung betraf. Eines Tages kam es deswegen zwischen uns zu einem schweren Zerwürfnis.

      „Ehrlich“, sagte er. „Ich weiß es ganz bestimmt: Es gibt gar kein Christkind. Meine Mutter hat es gesagt.“

      Ich spürte, wie es mir schlagartig in der Brustgegend die Muskeln zusammenzog und wie ich die Zunge gegen die Zähne meines Unterkiefers presste. Das mache ich immer so, wenn ich angespannt bin oder wenn ich mich aufrege.

      „Die Weihnachtsgeschenke kommen doch alle von den Eltern“, fügte er hinzu. Schon letztes Jahr habe ihm seine ältere Schwester erzählt, wie sie Heiligabend die Eltern beim Hereintragen der Geschenke durch das Schlüsselloch beobachtete.

      Da langte es mir und ich erwiderte empört: „Du lügst! Es ist eine Sünde, wenn du nicht ans Christkind glaubst.“ Und im Stillen hoffte ich: Er wird sich doch um Gottes Willen wieder fangen. Mit Sünden ist schließlich nicht zu spaßen. Und eine so heilige Sache zu leugnen war in meinen Augen wahrlich keine Bagatelle. Im Gegenteil. Ich hielt es für einen Frevel – die Verletzung einer geheimnisvollen Wirklichkeit.

      „Was! Du glaubst immer noch ans Christkind?“, sagte er darauf. Und der spöttische Unterton in seiner Stimme war jetzt unüberhörbar. „Das ist ja total babymäßig!“

      Heute weiß ich: Ja, es ist wirklich eine Sache des Glaubens. Nicht so, dass ich das Unmögliche für möglich und für wahr halten würde. Nein! Das wäre in der Tat kindisch. Mir geht es in erster Linie auch nicht um das Aufsagen von Glaubenssätzen.

      Glauben, wie ich ihn meine, besteht vielmehr in dem tiefen Vertrauen, dass Gott meinem Leben eine Hoffnung gibt, sogar noch über den Tod hinaus, und dass dieser Glaube mich glücklich macht. Komplizierter, finde ich, braucht man es gar nicht sagen.

      Doch die Folgen sind enorm. Göttlicher Geist gewinnt Raum in mir; ich werde sensibel für Entdeckungen und für Einsichten, die mir aus eigener Kraft sonst niemals möglich wären. In einem bildlichen Vergleich könnte man das auch so sagen: Glauben gibt meinem menschlichen Leben einen göttlichen Farbton – aber nicht nur äußerlich wie ein aufgestrichener Farblack, der bei kleinsten Blessuren schon wieder abzublättern beginnt, sondern er ist wie eine Färbung von innen heraus, die meine ganze Identität durchdringt. Ein Glaube, der mich verwandelt. Wir Menschen haben tatsächlich die Gabe, uns verwandeln, uns vergöttlichen zu lassen. Darin liegt das eigentliche Geschenk, das uns das Christkind gebracht hat.

      Von all dem wusste ich damals in unserer Kontroverse über das Christkind natürlich noch nichts. Aber ich war ganz schön wütend auf meinen Freund. Die Abschätzigkeit,


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