Madame Nina weiß alles. Nina Janousek
Bin ich böse, weil ich meine Pelze so liebe? Verurteilen Sie mich bitte nicht.
Ich lege großen Wert auf meine Kleidung. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Herren nicht so sehr darauf achten, was eine Frau trägt. Sie haben zwar ihre Vorlieben, aber selten kann ein Mann genau sagen, was eine Frau, die eben den Raum verlassen hat, anhatte. Doch wenn Sie eine Frau sind, werden Sie sich bei meinem Anblick wahrscheinlich auch über meine Kleidung Gedanken machen. Denn ich habe eine sehr expressive Art, mich anzuziehen, meine Garderobe ist ausdrucksstark, ich falle auf. Mein Erscheinungsbild ist aber nicht von lauten, schrillen Farben geprägt. Die setze ich nur bei meinen auffälligen Brillen ein, ich trage sie in allen Nuancen, von Beige über Blitzblau bis Rot. Bei der Garderobe erreiche ich diesen ausdrucksvollen Effekt, indem ich mich vorzugsweise in Schwarz und Weiß kleide, dazu trage ich blutroten Lippenstift. Das sieht immer sehr dramatisch aus. Ich habe ja einen Hang zur Theatralik.
Wenn Sie mich nach dem Namen meiner liebsten Designermarke fragen, rufe ich laut Chanel, Chanel, Chanel. Auch als ich noch dieses schlanke, junge Ding war, trug ich mit Vorliebe Chanel-Kostüme. Diese schlichten, fast biederen Kostüme verleihen jeder Frau eine subtile Sinnlichkeit, die sie erotischer macht als das größte Dekolleté. Ich liebe Chanel-Kostüme auch, weil sie zu jeder Gelegenheit passen, zu jeder Tageszeit, sie können beim Frühstück ebenso getragen werden wie abends beim Ausgehen. Ich liebe die Qualität der Stoffe und der Verarbeitung, die feinen Bleikettchen in den Jackensäumen, die für den guten Fall und den perfekten Sitz sorgen. Ich wollte schon immer gekleidet sein wie eine Prinzessin, wie eine stilsichere, moderne Prinzessin, wie Caroline von Monaco. Jetzt hängen meine vielen Chanel-Kostüme allerdings seit Jahren ungetragen in den Schränken. Um reinzupassen, müsste ich ja fünfzig Kilo abnehmen. Aber ich werde sie nie weggeben. Sie sind so schön, ich schaue sie immer wieder gern an.
Seit ich korpulent bin, näht eine Schneiderin meine Garderobe. Den schlichten, zeitlosen Schnitten und Schwarz und Weiß bin ich aber treu geblieben. So wie der Marke Chanel. Heute kaufe ich dort meine Taschen und Schuhe, Broschen und Tücher.
Sie sehen, ich mag Klassisches. Hin und wieder kommt ein Tupfen Leoprint dazu, vielleicht ein Schal oder ein Umhang mit diesem Muster. Ich bin ja eine Katze, eine korpulente Katze, ein Löwe.
Während der Zeit, in der ich meine Bar betrieb, trugen nicht nur die Mädchen eine Uniform, sondern auch ich hatte meine Dienstkleidung. Allerdings unterschied sich meine grundsätzlich von den transparenten Bodys der jungen Damen. Ich trug stets hochgeschlossene schwarze Kleider oder Jacken mit schneeweißem Kragen. Man hätte mich für eine Nonne oder für eine Lehrerin an einer Klosterschule halten können. Meine langen Haare hatte ich immer streng aus dem Gesicht zurückgekämmt, hoch am Kopf wurden sie mit einer Chanel-Spange oder -Schleife zusammengehalten, und der Pferdeschwanz war zu einem dicken Zopf geflochten. Ich sah also ganz anders aus als die Mädchen. Ich wollte seriös wirken und ihnen auch nie Konkurrenz machen. Sie lachen jetzt? Vergessen Sie nicht, dass ich jung war, Mitte dreißig, als ich mein Etablissement eröffnete.
Weil wir gerade bei meiner Frisur sind, wage ich die Frage. Fallen Ihnen meine Haare auf, wenn Sie mich beim Aussteigen aus dem Wagen beobachten? Sehen Sie, dass jede Strähne makellos sitzt? Ich bin so furchtbar penibel, auch bei der Frisur. Alles muss immer picobello sein, das ist mein Tick.
Jetzt trage ich lange Stirnfransen, immer zur Seite gelegt, die Spitzen ein bisschen nach außen wie zu einer kleinen Tolle geföhnt, und einen dicken Dutt auf dem Kopf. Im Lauf der Jahrzehnte habe ich meine Haarfarbe immer wieder geändert, auch auf Rot, dafür hatte mein Mann eine Vorliebe. Jetzt bin ich wieder blond, so wie ich es als Kind war.
Eine strahlende blonde Frau von fast siebzig Jahren, ausgesprochen korpulent, in klassischer schwarz-weißer Garderobe, mit klimperndem Gold an Hals, Armen und Ohren, die in einer Limousine vorgefahren ist, sitzt jetzt also an der Theke, hinter der Sie stehen. Jemand hat Ihnen bereits zugeraunt, dass sie dreißig Jahre lang eine große Nummer im Wiener Nachtleben war. Nun fasst sie sich ein Herz und erzählt Ihnen ihre wahre Geschichte.
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