Madame Nina weiß alles. Nina Janousek

Madame Nina weiß alles - Nina Janousek


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und was ich alles in meiner Bar erlebt habe.

      Die Episode mit Charlie Sheen habe ich Ihnen zum Aufwärmen serviert. Damit Sie wissen, woran Sie hier sind. Damit Sie eine Vorstellung haben, was Sie erwartet, wenn ich Sie aufs schlüpfrige Parkett des Wiener Nachtlebens der vergangenen dreißig Jahre bitte.

      Halt. Schlüpfrig ist eigentlich nicht das richtige Wort, um mein Etablissement und meine Mädchen zu beschreiben. Sage ich schlüpfrig, schwingt etwas Anstößiges, Unanständiges, Ordinäres und Billiges mit. Und weder die Mädchen, die bei mir gearbeitet haben, noch das Ambiente meiner Bar wurde diesen Begriffen gerecht. Ja, die Mädchen boten auch Liebe an, aber eine Art der Liebe, die vermutlich ehrlicher war, als dies oftmals im Alltag der Fall ist.

      Ich werde Ihnen wilde und groteske, abenteuerliche und lustige, tragische und weise Geschichten über einige der mehreren Hundert Mädchen erzählen, die in den vergangenen drei Jahrzehnten bei mir gutes Geld verdient haben. Dass es in meinem Etablissement nie schlüpfrig wurde, ist sicher auch meiner Auswahl dieser Damen zu verdanken.

      Wenn sich ein Mädchen bei mir vorstellen kam, gab es ganz klar definierte Kriterien, die sie zu erfüllen hatte. Hübsch sollte sie sein und Ausstrahlung und Charisma haben. Fröhlichkeit musste sie mitbringen, ein positives Wesen. Und nach Möglichkeit sollte sie intelligent sein und mehrere Sprachen beherrschen. Völlig nebensächlich war dagegen ihre Herkunft; ob sie aus einer wohlsituierten Familie kam oder aus einer unteren sozialen Schicht, war mir egal. Eine untergeordnete Rolle spielte auch das Alter. Obwohl ich doch gern Anfängerinnen nahm, die noch nie in diesem Gewerbe gearbeitet hatten, denn sie ließen sich leichter nach meinen Wünschen und zu ihrem Vorteil formen.

      Um herauszufinden, ob ein Mädchen meinen Vorgaben entsprach, vertiefte ich mich in ein Gespräch mit ihr, um es besser kennenzulernen. Ich erkannte rasch, ob eine Dame in meine Bar passte, denn ich betrachtete die Bewerberinnen aus meiner ganz eigenen Perspektive, ich nannte sie Stein-Perspektive. Diese Betrachtungsweise hatte drei Kategorien, in die ich die Mädchen, die sich vorstellten, einteilte. Es gab rohe Edelsteine, die sich in kurzer Zeit zu perfektem Glanz schleifen ließen. Es gab Halbedelsteine, die mit Geduld und Liebe ebenfalls zu recht ansehnlichen Schmucksteinen werden konnten. Es gab aber auch die Pflastersteine, bei denen jede Mühe vergeblich wäre, sie würden nie glänzen.

      Zumeist entschied ich mich für Rohdiamanten, die noch geschliffen werden mussten. Im Formen dieser Mädchen habe ich mir in den Jahrzehnten, während ich die Bar betrieb, unendliche Geduld antrainiert. Ich nahm die jungen Damen also unter meine Fittiche und arbeitete mit ihnen zuerst an ihren Umgangsformen und an ihrem Aussehen.

      Ich erklärte ihnen, wie sie sich den Gästen gegenüber zu benehmen hatten, dass ich von ihnen erwartete, dass sie höflich und freundlich sind und gut zuhören können müssen. Ich zeigte ihnen auch, wie man Champagner einschenkt und Drinks serviert.

      Wichtig war natürlich ihre optische Erscheinung. Hatte ein Mädchen schlechte Zähne, schickte ich sie auf meine Kosten zum Zahnarzt. Die Arbeit in meiner Bar sollte ja nicht an ihrem Friedhof im Mund scheitern, wenn sonst alles passte. Für manche Mädchen vereinbarte ich einen Termin beim Friseur. Denn sie sahen zwar hübsch aus, aber erst eine neue Haarfarbe oder eine schicker Schnitt machten sie zum unverwechselbaren Typ. Außerdem erteilte ich den jungen Damen eine Lektion in Körperpflege. Sie mussten sich gründlich und regelmäßig baden, ihre Fingernägel und ihre Haare pflegen und frisch duften.

      Wohlgerüche waren mir immer besonders wichtig. In meinem Etablissement legte ich nicht nur Wert auf absolute Sauberkeit, da durfte kein Staubkörnchen auf der Theke liegen, ich ließ sogar die Champagnerflaschen polieren, ehe sie gekühlt wurden, sondern es musste auch herrlich duften. Für das angenehme Aroma sorgten riesige Arrangements weißer Lilien, meine Lieblingsblumen, die ich regelmäßig liefern ließ, und der sinnliche Geruch der Duftkerzen, die jeden Abend entzündet wurden, bevor die ersten Gäste kamen. Natürlich erwartete ich auch von meinen Mädchen, dass sie ein exklusiver, frischer, sanft-blumiger Duft einhüllte. Bei den Parfums kam nur das Beste vom Besten in Frage. Ich ließ Flakons der großen Marken wie Hermès und Chanel bringen und die Mädchen konnten sich ihr Lieblingsparfum auswählen.

      Düfte spielen für mich von frühester Kindheit an eine große Rolle. Ich erinnere mich noch immer an den frischen Geruch, der meine Mutter umgab. Als junges Mädchen las ich in einem Buch den Satz »Es hat nach billigem Parfum gerochen«. Ich sprach mit meinem Vater darüber und er erklärte mir den Unterschied zwischen minderwertigen und teuren Essenzen, aus denen Düfte hergestellt werden. »Wer sich kein edles Parfum leisten kann, sollte sich auf Wasser und Seife beschränken«, sagte er. »Wenn du einen Duft trägst, dann muss er fein und feminin sein.«

      Mein persönliches Lieblingsparfum ist seit vier Jahrzehnten »Must de Cartier«, ein orientalischer, aber dennoch frischer Duft. Manchmal probiere ich etwas Neues aus, aber immer wieder komme ich auf »Must de Cartier« zurück, weil mich dieses Aroma begeistert. Dieser Duft, das bin einfach ich.

      Eine Erklärung für meine Besessenheit von exklusiven Gerüchen liefert vielleicht die Astrologie. Ich bin ein doppelter Löwe, also im Sternzeichen Löwe geboren und auch mein Aszendent steht im Löwen. Und im Zeichen des Löwen Geborene lieben nicht nur alles Schöne und Teure, sondern auch exquisite Düfte. Ich bin tatsächlich wie eine große Katze. Ich schnuppere und rieche gern überall.

      Den Wohlgeruch in meiner Bar perfektionierte ich im Lauf der Jahre so weit, dass dieses Bouquet aus weißen Lilien, Duftkerzen und den Parfums der Mädchen die Herren regelrecht anlockte. Wurde die Eingangstüre geöffnet, entfaltete sich der angenehme Geruch am ganzen Bauernmarkt. Manche Gäste erzählten mir, dass sie eigentlich nur vorbeigehen wollten, der typische Duft sie aber auf magische Weise in mein Etablissement gezogen habe. Ja, die Herren waren stets voll des Lobes über das Aroma, das sich in und vor der Bar entfaltete, obwohl es manchem vielleicht auch Probleme bereitet hat, wenn er nach einem Besuch bei mir eingehüllt in unseren Duft nach Hause kam.

      Ich glaube, dass viele Frauen unterschätzen, wie sehr der Duft des Exquisiten die Männer anzieht, und wie sehr die Erinnerung an ein schönes Erlebnis mit einem bestimmten Geruch verknüpft ist. Ein Gast, ein Franzose, der damals ein hochrangiger Polizist in Paris war, sprach mich einmal darauf an. »Ich war schon oft in Wien und bin viel herumgekommen«, sagte er, »doch ich habe mich noch nie so wohlgefühlt wie in Ihrer Bar. Es riecht hier auch so gut. So eine Madame wie Sie könnte auch Paris gut gebrauchen.«

      Ich verstand die Begeisterung des Franzosen gut. Meine Mädchen rochen so fein und in ihren Uniformen mit den durchsichtigen schwarzen Bodys und der schwarzen Unterwäsche sahen sie aus wie Püppchen. Die Herren konnten sie auspacken wie Pralinen.

      Sagen Sie jetzt nichts über Gleichberechtigung und Emanzipation. Nachtleben ist Showbusiness, und die Herren mochten diese Show. Und die Mädchen verdienten bei mir recht gut. Sicher war ihre Arbeit nicht immer leicht, aber sie erhielten für jede Flasche Champagner, die ein Gast bestellte und die er mit derjenigen Dame genoss, zehn Prozent des Kaufpreises. Zusätzlich bekamen die Mädchen Trinkgeld, das ganz ordentlich ausfallen konnte. Besonders dann, wenn sie spezielle Wünsche der Herren erfüllten.

      Das Honorar, das die Mädchen erhielten, wenn sie einen Gast in ein Séparée begleiteten, war allein ihre Sache. Das ging mich nichts an, da habe ich mich nicht eingemischt. Ich weiß, dass die Herren die jeweilige Dame für eine Stunde Vergnügen mit etwa hundertfünfzig bis zweihundert Euro entlohnten, es gab aber auch Gäste, denen das Amüsement fünftausend Euro wert war.

      Ich bot den Mädchen ein sicheres, angenehmes Umfeld für ihre Arbeit, dafür erwartete ich von ihnen Disziplin und Professionalität. Dazu gehörten auch Pünktlichkeit und Zurückhaltung im Umgang mit den Gästen. Wenn ich etwa an der Theke saß und ein Gespräch verfolgte, in dem ein Mädchen einem Herrn von seinen privaten Problemen erzählte, schritt ich sofort ein. Meistens genügte ein Blick, um es auf seinen Fehler hinzuweisen. Die Damen sollten sich, wenn dies dem Gast ein Bedürfnis war, seine Sorgen anhören, aber nicht umgekehrt.

      Ja, was schlüpfrig ist und was nicht, mag eine Frage der Perspektive sein. Meine Bar war es aber, so sehe ich das zumindest, nie. Sie war anders. Gestatten Sie mir einen Vergleich. Meine Bar war wie eine Pferdekutsche. Ich war der Kutscher, der die Zügel hielt. Meine


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