Radikal gelebte Meisterschaft. Arjuna Ardagh
war angekommen. Spiritualität bedeutete, das Persönliche hinter sich zu lassen, das Menschsein zu umgehen. Und so war ich auch in der großen spirituellen Schar nicht wirklich zu Hause.
Die spirituelle Suche brachte mich mit meinen Schattenanteilen in Kontakt. Mir wurde bewusst, dass ich Wunden aus der Kindheit mit mir herumtrug und dass ich unbewusst sowohl mir als auch anderen unnötig Schmerzen bereitete. Das brachte mich dazu, mich noch einer anderen Subkultur anzuschließen: der Psychotherapie und dem „Arbeiten an sich selbst“. Bestimmt kennst du diese kostenlosen Zeitschriften, die man überall in der Szene findet: Normalerweise enthalten sie ein paar Artikel, aber ansonsten scheinbar endlos Werbung für Rolfing, Chakraausgleich, Reinkarnationstherapie, Channeling und vieles mehr. Um ehrlich zu sein, im Laufe der Zeit habe ich fast jedes der seltsamen Angebote ausprobiert, die in diesen Zeitschriften angepriesen wurden. Was auch immer auf dem Markt ist und verspricht, dich zu heilen, dir zu helfen oder dich zu optimieren, ich habe es wahrscheinlich ausprobiert. Aber genauso hatte ich nach langen Jahren fleißigen Bemühens, mich selbst zu vervollkomm nen, das Gefühl, dass es mehr gab. Zwar ist Selbstoptimierung unglaublich wichtig, aber für mich erwies es sich als ein weiteres Hamsterrad.
Als ich Ende zwanzig war, wurde mir schließlich bewusst, dass ich bis dahin die meiste Zeit mit Meditieren und Selbstreflexion verbracht hatte. Ich musste mein Leben geregelt bekommen und Geld verdienen. Also machte ich mit einer anderen Subkultur Bekanntschaft: mit den Men schen, die es lieben, etwas zu erreichen. Produktiv sein, auffallen, Reichtum schaffen, das Gesetz der Anziehung aktivieren, gesund, wohlhabend und einflussreich sein. Das war tatsächlich gar nicht so schwierig. 1987 gründete ich eine Schule in Seattle, um Psychotherapeuten darin auszubilden, Hypnotherapie in ihre Arbeit zu integrieren. In drei Jahren bildete ich mehr als 300 Leute aus. Außerdem kaufte ich ein Haus, dessen Wert sich verdoppelte, und das 150.000 Dollar einbrachte, als ich es verkaufte. Ich hatte in drei Jahren genug Reichtum angehäuft, um in Rente zu gehen, wenn ich anspruchslos lebte. Geld zu verdienen und „erfolgreich“ zu sein wurde jedoch auch schnell ein sinnloses Ziel. Meine Klienten bewiesen, dass es offensichtlich nicht zuverlässig glücklich machte, das materielle Spiel zu gewinnen.
Während all dieser verschiedenen Phasen hatte ich auch immer ein starkes Interesse an politischen und sozialen Aktionen. Ich stellte meine Stimme, meine Zeit und mein Geld gerne in den Dienst von Umweltschutzaktionen, widmete mich dem Einsatz für Frauenrechte und vielen anderen wichtigen Anliegen. So wichtig all diese Dinge sind: Ich hatte doch Zweifel, ob ich mit meinem Engagement wirklich viel veränderte. Selbst wenn wir einige Bäume retten oder neue Gesetze erlassen: Wird es mir wirklich das Gefühl geben, dass ich mein kurzes Leben sinnvoll verbracht habe?
Tatsächlich habe ich festgestellt, dass all diese Dinge: intellektuelle und künstlerische Kreativität, spirituelle Praxis, Selbstreflexion, Produktivität, weltlicher Erfolg sowie soziales und politisches Engagement – wichtige Aspekte eines einzigartigen brillanten Lebens sind. Aber keines davon ist allein der Schlüssel.
Mein lebenslanges Forschen, was ein wirklich erfülltes Leben ausmacht, ist Gegenstand der nachfolgenden Seiten.
KAPITEL 2
Der magische Schalter
Warum liest du dieses Buch? Was erhoffst du dir davon? Deine Antworten darauf gehören vermutlich in die Themenbereiche „Selbstoptimierung“ oder „Selbsthilfe“. Hast du schon andere Bücher dazu gelesen, Podcasts heruntergeladen, Videos angeschaut, an Onlinekursen und -kongressen teilgenommen oder sogar Liveseminare besucht? Der Small Business Chronicle schreibt: „Die Selbstoptimierungsindustrie ist eine Sparte, die alle Aspekte der Selbstoptimierung umfasst – wie man Selbstachtung erlangt, Gewicht verliert, reich wird, die Liebe seines Lebens findet, erfolgreich und körperlich fit wird. Alle diese Informationen werden in diversen Medien vermittelt – Büchern, Seminaren, CDs, DVDs, Webinars, Seminaren und Onlinekursen. Selbstoptimierung ist ein großes Geschäft und die Industrie wird weiter wachsen.“ Mit einem derzeitigen Umsatz von 10,8 Milliarden Dollar im Jahr werden Selbstoptimierungsunternehmen voraussichtlich weiterhin jährlich um 6 % wachsen.
Aber warum machen wir das alles? Warum verwenden wir so viel Zeit und Energie darauf, uns auf irgendeine Art zu optimieren? Soweit wir wissen, sind wir die einzige der 8,3 Millionen Arten auf diesem Planeten, die sich damit beschäftigt. Unsere Katze Angel ist siebzehn Jahre alt. Sie hat ihr ganzes Leben bei uns verbracht. Sie liegt in der Sonne, frisst, macht häufig ein Nickerchen, klettert hin und wieder auf Bäume, macht all das, was Katzen tun. Wir haben nie Anzeichen dafür bemerkt, dass Angel denkt: „Ich weiß, ich könnte eine bessere Katze sein. Ich weiß, ich könnte einzigartig sein. Ich weiß, wenn ich mich wirklich anstrenge, habe ich mehr Potenzial als Katze.“ Ich glaube auch nicht, dass Mücken Motivationsseminare besuchen, um angespornt zu werden, mehr Blut zu saugen.
Dass wir Menschen uns ständig damit beschäftigen, wie wir vollkom mener werden können, hängt mit der Entwicklung des präfrontalen Cortex zusammen, in dem eine dynamische Spannung zwischen dem Bewusstsein zweier gegensätzlicher Dinge herrscht. Einerseits haben wir die Fähigkeit, unseren gegenwärtigen Zustand zusammenzufassen und einzuschätzen: Nun, ich bin in den 40ern, nehme um den Bauch herum ein bisschen zu. Ich weiß, ich treibe nicht genug Sport und ich könnte mich besser ernähren. Meine Ehe ist in Ordnung, irgendwie, aber ich weiß, wir könnten mehr Sex haben und mehr Spaß. Als Elternteil gebe ich mir alle Mühe, aber ich weiß nicht, ob meine Kinder wirklich spüren, wie sehr ich sie liebe. Andererseits haben wir alle ein intuitives Gespür für unsere Möglichkeiten: wie wir sein könnten und wie das Leben sein könnte, mit etwas mehr Klarheit und anderen Gewohnheiten. Ich weiß, dass ich mein Übergewicht loswerden würde, wenn ich ein paarmal die Woche zum Sport gehen würde. Und der Trainer mir erklären würde, wie ich mich besser ernähren könnte. Ich lese dieses Buch über Beziehung von John Gray und bin inspiriert. Es ist niemals zu spät, eine Liebe wieder aufflammen zu lassen. Zwischen beiden, dem Bewusstsein unseres gegenwärtigen Zustands und dem Bewusstsein, wie er sein könnte, herrscht eine dynamische Spannung. Vergleichbar mit der Energie zwischen den beiden Polen eines Magnets oder zwischen zwei elektrischen Kabeln treibt diese dynamische Spannung uns dazu an, uns zu verändern bzw. uns verändern zu wollen.
Die Intuition, die wir alle bezogen auf unsere Möglichkeiten haben, wirkt wie ein Stachel. Es ist eine Sehnsucht nach etwas, das du nicht formulieren kannst, aber dein Herz lässt nicht zu, dass du es vergisst. Als hättest du Heimweh, könntest dich aber nicht erinnern, wo du lebst. So, als wärst du verliebt und würdest deine Geliebte oder deinen Geliebten schrecklich vermissen, kannst dich aber nicht erinnern, wer es ist. Aus meiner langen Erfahrung als Coach und als Ausbilder von Coachs weiß ich, dass wir alle ein Gespür für eine zentrale Entscheidung haben, die jeder treffen könnte und die alles verändern würde. Wir haben eine Art Instinkt für einen magischen Schalter, der, wenn er betätigt wird, alle Lichter am Weihnachtsbaum auf einmal zum Leuchten bringt. Die Sehnsucht danach, diesen magischen Schalter zu finden, ist genauso wie das Wissen, dass es ihn gibt, universal.
Da wir nicht genau sagen können, wonach wir uns sehnen, wissen wir auch nicht, wie wir am schnellsten dort hinkommen. Wir verlassen uns schließlich darauf, dass andere uns sagen, wohin wir gehen sollen und wie wir dort hingelangen. Daher die Selbstoptimierungsindustrie. Wir lesen Bücher, engagieren Berater und Coachs, besuchen Seminare, hören Podcasts – ständig auf der Suche nach dem magischen Schalter. Was das Ganze jedoch verwirrend und frustrierend macht, ist, dass jeder eine andere Idee hat, was der magische Schalter ist und was wir tun sollten, um ihn zu aktivieren.
Ich denke, es ist wirklich wichtig, dass wir uns darüber unterhalten, du und ich, bevor wir weitergehen. Es macht keinen Sinn, mit großer Entschlossenheit einen Weg entlangzulaufen, der in die falsche Richtung führt. Deshalb betrachten wir nochmals die populärsten Annahmen darüber, was nötig ist, um unsere Sehnsucht nach Erfüllung zu stillen.
In den 1980er- und 90er-Jahren war die Ansicht verbreitet, dass du mit Geld alles kaufen kannst. Der Markt wurde mit Büchern über Erfolg überschwemmt. Zu einem erfolgreichen Leben gehörten ein Ferrari, eine Jacht, eine Villa und Designerschmuck.
Ein anderer sehr beliebter Mythos, der in der Selbstoptimierungsindustrie tief verankert ist, ist die Suche nach deinem Seelenpartner. Zugrunde liegt die Idee, dass es irgendwo da draußen in dem verwirrenden