"...vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen.". Gusti Adler
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Impressum
Erste Wiederauflage 2021
© Korrektur Verlag Mattighofen∙Wien 2021
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Satz und eBook Erstellung: Aumayer Druck & Verlag, Munderfing
ISBN: 978-3-9519832-5-7
Zum Geleit
Als die Salzburger Festspiele 1920 ihren Anfang nahmen, saß ich noch auf der Bank der Realschule, aber wir paar literaturbeflissenen und theaterbegeisterten Schüler bewogen unseren Professor, in der Deutschstunde mit uns den Jedermann zu lesen. Und selbstverständlich sahen wir die Aufführung auf dem Domplatz. Als 1922 das Salzburger Große Welttheater in der Kollegienkirche aufgeführt wurde, gelang es mir mit einem meiner Schulfreunde als Statist angenommen zu werden. Ich wollte vor allem Max Reinhardt aus der Nähe erleben. So begann meine »Karriere« bei den Festspielen. Damals sah ich in dem weiten Raum der Kollegienkirche den »Professor« zum ersten mal bei der Probenarbeit. Während die Schauspieler auf der mit scharlachrotem Stoff ausgeschlagenen Bühne agierten, standen wir herum und beobachteten, wie die Hilfsregisseure als eilfertige Boten zwischen der Bühne und dem Sitz des allgewaltigen Meisters hin und her liefen. Dass auch Haltung und Bewegung von uns bedeutungslosen Statisten gründlich geübt und mehrmals unser Auftritt wiederholt wurde, machte auf uns großen Eindruck. Und obwohl wir längst hätten heimgehen können, blieben wir staunend und hingerissen sitzen, als Max Reinhardt jene berühmt gewordene Szene endlos probte, in der der Tod, von dem hochgewachsenen schlanken Luis Rainer dargestellt, die einzelnen Figuren, den König zuerst, abholt, eine unheimliche tänzerische Szene, begleitet von dumpfem Trommelschlag. Der von Statur eigentlich kleine Professor, als Mittelpunkt dieser Proben, von dem aus jedes Wort und jede Geste geordnet wurde, faszinierte uns junge Leute, wenngleich wir das Welttheater mit einer Skepsis verfolgten, wir, die wir die ekstatischen Verse und die aufwühlenden Dramen der Expressionisten begeistert lasen, so dass uns die allegorischen Gestalten der Hofmannsthalschen Richtung gekünstelt und blutleer erscheinen mußten.
Außer einigen von uns Jungen interessierten sich die meisten Salzburger eigentlich wenig für diese Aufführungen, und ich erinnere mich, stets eher ablehnende Meinungen zu den Festspielen gehört zu haben. Freilich, die Sorgen und Entbehrungen jener Jahre drückten die Menschen nieder. Was ist seither aus diesen Festspielen geworden! Wie wir wissen, hat Reinhardt die ersten Schritte unternommen, um Festspiele in Salzburg zu schaffen, ehe noch die Salzburger Festspielhausgemeinde gegründet worden war. Noch bedeutsamer aber war es, daß er – ohne daß zureichende Voraussetzungen bestanden hätten – zu spielen begann, den Jedermann auf dem Domplatz inszenierte, mochten auch Lebensmittelmangel, Geldschwierigkeiten und all die Not der Nachkriegszeit ein so kühnes Unternehmen erschweren. In Salzburg entstanden einige seiner bedeutendsten Inszenierungen, und Max Reinhardt war es, der die Felsenreitschule, vor allem durch die Aufführung von Goethes Faust, den Festspielen als Spielplatz gewann. Mag manche Inszenierung, zeitbedingt wie alles Theater, in der Erinnerung schöner und größer erscheinen, Salzburg dankt Max Reinhardt, daß diese Festspiele Wirklichkeit wurden, dass die Idee nicht wie vorher mancher Elan im damaligen provinziellen Klima Salzburgs versandete, sondern mit großzügigem Wagemut das erste Ereignis gesetzt wurde, das heilige Feuer für dieses Fest der Musik und des Theaters in der Mozartstadt entzündet wurde. So werden die Erinnerungen von Gusti Adler, die durch zwei Jahrzehnte den Meister als seine getreue Mitarbeiterin begleitete, gerne aufgenommen werden als ein wertvolles Dokument, das ein faktenreiches Porträt Max Reinhardts aus nächster Nähe wiedergibt.
Der Initiative der Max-Reinhardt-Forschungs- und Gedenkstätte, Salzburg – Frau Dr. Gisela Prossnitz und Frau Dr. Edda Fuhrich-Leisler –, ist es zu danken, daß es anläßlich des 6o jährigen Jubiläums der Salzburger Festspiele und des 90. Geburtstags von Gusti Adler zur Herausgabe der vorliegenden Publikation kommen konnte.
Mögen die Erinnerungen Gusti Adlers an den bedeutenden Theatermann Max Reinhardt allen Freunden des Theaters und der Salzburger Festspiele Freude bereiten.
Landesrat a. D. Josef Kaut
Präsident der Salzburger Festspiele
Ich danke Frau Dr. Gisela Prossnitz, Frau Dr. Edda Fuhrich-Leisler und Herrn Dr. Bernhard Struckmeyer für ihre wertvolle Hilfe.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Leonhard M. Fiedler, dessen unermüdliche Hilfsbereitschaft und Ermutigung das Entstehen dieses Buches ermöglicht hat.
Augusta C. Adler
Das atemlose Leben
Als ich am 13. August 1919 mit Max Reinhardt und Helene Thimig durch die Leopoldskroner Allee lief, ahnte ich nicht, wohin wir liefen. Ich ahnte nicht, dass dieser etwas atemlose Lauf der Beginn von zwanzig Jahren ähnlicher Atemlosigkeit sein würde, daß alles, was Max Reinhardt unternahm – ob es in seiner künstlerischen Arbeit oder in rein persönlichen Angelegenheiten war –, immer unter Hochdruck stand, dass es ihm schwerfiel, pünktlich zu sein, dass ihm diese Spannung, so anstrengend sie oft sein mochte, für seine schöpferische Arbeit notwendig war.
An diesem Augusttag handelte es sich allerdings nur darum, die Dampftramway von Salzburg nach Morzg zu erreichen. Ich hatte Reinhardt soeben in der Leopoldskroner Allee kennengelernt, nachdem mich ein Telegramm von Helene Thimig aus Tirol nach Salzburg gerufen hatte. Nun liefen wir. Atemlos erreichten wir die kleine Haltestelle, als der Zug gerade einfuhr. Atemlos saßen wir dann im altmodischen Waggon und lachten. Wir lachten noch, als wir in Morzg ausstiegen und beim »Schinnerl« Kaffee tranken und Guglhupf aßen. Wir lachten viel – trotz aller Nachkriegssorgen – in diesen ersten jungen, unbeschwerten Jahren, die an diesem Nachmittag begannen. In späteren Zeiten wurde das Lachen immer seltener, bis es Max Reinhardt in der Emigration vollkommen verging. Ein ernstes Gespräch folgte, in dem mir Max Reinhardt auseinandersetzte, was er von seiner Privatsekretärin – bis dahin hatte er keine gehabt – erwartete. Es war viel, aber bloß die Keimzelle späterer Wirklichkeit, denn das Schreiben von Briefen sollte nur der geringste Teil meiner Arbeit für ihn werden. Die Hauptaufgaben der nächsten Jahre waren Verhandlungen mit Behörden, Architekten und Theatern sowie die Auswahl von Bibliotheksmaterial, der Einkauf von Büchern und Kunstgegenständen auf Auktionen und – vor allem – selbstverständlich die Anwesenheit bei Proben, um Reinhardts Bemerkungen und Anweisungen festzuhalten.
Er hatte damals gerade das Schloß Leopoldskron bei Salzburg erworben. In langen Nächten arbeitete er die Einzelheiten für Umbauten im Schloß aus, zeichnete, gab dem Gärtner Richtlinien und Pläne für die Ausgestaltung des Parks. Meine Aufgabe wurde es, über der Durchführung zu wachen, Handwerker ausfindig zu machen, denen alte Tradition noch im Blute lag, die so arbeiteten wie ihre Vorväter. Unermüdlich suchten wir nach Sandsteinstatuen und barocken »Zwergeln« für den Park, nach Bildern und Möbeln, die sich in den gegebenen Rahmen des Schlosses einfügen sollten. Es wurde Reinhardt, der von der Bühne her an eine schnelle Verwirklichung seiner Träume gewohnt war, unendlich schwer, auf das langsamere Tempo der Bauarbeiter, Stukkateure und Kunstschlosser umzuschalten, auf das Wachsen von Bäumen und Sträuchern warten zu müssen – atemlos zu warten!
Im Lauf der Jahre zwang ihn seine Arbeit oft, viele Monate fern von Salzburg, in Berlin, Wien oder auf Gastspielreisen zuzubringen. Aber der Gedanke an Salzburg lief wie in Terzen unaufhörlich mit. Das bewog ihn – dem Briefeschreiben verhaßt war –, lange, oft dreißig Seiten lange Briefe zu schreiben, in denen er mir seine Wünsche auseinandersetzte. Denn in diesen ersten Leopoldskroner Jahren mußte ich Wochen und Monate in Salzburg sein und die volle Verantwortung für alles tragen. Als Reinhardt später seinem Garten noch einen Tierpark einfügte, ließ er mich bei Hagenbeck in Hamburg Flamingos, Pelikane, Reiher und exotische Enten einkaufen. »…aber vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen!« rief er mir beim Abschied noch zu. So sehr beschäftigte ihn das Schicksal dieser Vögel, daß er sich einmal – mitten in angestrengtester Probenzeit – telegrafisch von mir einen ausführlichen