Grundkurs Berufsrecht für die Soziale Arbeit. Markus Fischer

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Anspruch auf Lohnzahlung (§ 611a Abs. 2 BGB / §§ 280 Abs. 1, 3; 281 BGB)

      2.2.2 Verzugsschaden (§§ 280 Abs. 1, 2; 286 BGB)

      2.2.3 Zurückbehaltungsrecht (§ 320 BGB bzw. § 273 BGB)

      3.2.1 Begriff

      Ein Arbeitsvertrag beinhaltet ein Schuldverhältnis. Nach § 241 Abs. 2 BGB kann ein Schuldverhältnis die VertragspartnerInnen zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen VertragspartnerInnen verpflichten. Für die ArbeitgeberInnen und die ArbeitnehmerInnen werden im Rahmen eines Arbeitsvertrages daraus Nebenpflichten hergeleitet. Für die ArbeitgeberInnen werden die Nebenpflichten auch als Fürsorgepflichten bezeichnet.

      Im Rahmen der Fürsorgepflichten haben die ArbeitgeberInnen verfassungsrechtlich geschützte Rechte der ArbeitnehmerInnen, wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG und die Glaubens-, Gewissens- und Religionsausübungsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1, 2 GG, zu wahren. Die Fürsorgepflichten umfassen zudem die gesetzlichen Pflichten zu Schutzmaßnahmen nach §§ 617, 618 BGB und zur Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften (Schaub/Koch 2018, 362 ff.), wobei die Nichteinhaltung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften nach § 266a StGB strafbar sein kann.

      Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht lässt sich eine Beschäftigungspflicht der ArbeitgeberInnen ableiten, welche auch nach einer ordentlichen Kündigung besteht, sofern nicht schutzwürdige Interessen der ArbeitgeberInnen überwiegen (Schaub / Koch 2018, 178 f.). Auch haben die ArbeitgeberInnen aufgrund §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB vorvertragliche Aufklärungspflichten, wie z.B. über die Vergütung gefährdende Zahlungsschwierigkeiten (Schaub/Koch 2018, 712 f.).

      3.2.2 Fallgruppe Mobbing

      „vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, zu schützen und sie keinen Verhaltensweisen auszusetzen, die bezwecken oder bewirken, dass ihre Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“ (BAG 15.9.2016 – 8 AZR 351/15 – zur Arbeit in einer Werkstatt mit Menschen mit Behinderung).

      Bei Verletzung der Fürsorgepflicht durch die ArbeitgeberInnen steht den ArbeitnehmerInnen ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf ihre Arbeitskraft nach § 273 Abs. 1 BGB zu (Schaub/Koch 2018, 365, 744 f.). Wenn also zum Beispiel ein Gefängnis nicht hinreichend Schutzvorrichtungen für die dort arbeitenden SozialarbeiterInnen zur Verfügung stellt, können die SozialarbeiterInnen ihre Arbeitsleistungen solange verweigern, bis die Gefängnisleitung ausreichend Schutzvorrichtungen zur Verfügung stellt.

      Außerdem besteht bei nach § 276 BGB verschuldeter Verletzung der Fürsorgepflicht ein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB. Das Verschulden von MitarbeiterInnen, welche Erfüllungsgehilfen der ArbeitgeberInnen sind, kann den ArbeitgeberInnen gem. § 278 BGB zugerechnet werden. Der Umfang des Schadensersatzes beurteilt sich schließlich nach § §§ 249 ff. BGB, wobei gem. § 253 Abs. 2 BGB auch immaterielle Schäden ersetzt werden (Schaub/Koch 2018, 365).

      3.3 Die Treuepflichten

      3.3.1 Begriff

      Unter Whistle Blowing werden Strafanzeigen von ArbeitnehmerInnen gegen ArbeitgeberInnen zur Offenlegung von rechtswidrigen Situationen am Arbeitsplatz verstanden (EGMR 21.7.2011–28274/08). Aus den Nebenpflichten der ArbeitnehmerInnen gem. § 241 Abs. 2 BGB kann die Pflicht zur Verschwiegenheit über betriebliche Angelegenheiten (Schaub/Koch 2018, 697) und zur Loyalität hergeleitet werden (Linck in: Schaub 2017, § 53 Rn. 26). Durch Strafanzeigen gegen die ArbeitgeberInnen kann diese Nebenpflicht verletzt werden.

      Einer Altenpflegerin aus Berlin wurde beispielsweise wegen einer erfolglosen Strafanzeige wegen Missständen in einem Pflegeheim gegen ihren Arbeitgeber fristlos gekündigt, wobei die Wirksamkeit der Kündigung durch die Arbeitsgerichte und das Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Der EGMR verurteilte deswegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu einer Entschädigung von 10.000 Euro für den immateriellen Schaden und zu einem Kostenersatz in Höhe von 5.000 Euro für der Altenpflegerin entstandene Kosten (vgl. EGMR a.a.O. und Heinisch/Hopmann 2012, 15 ff.).

      Seit dem Urteil ist anerkannt, dass Strafanzeigen gegen ArbeitgeberInnen unter bestimmten Voraussetzungen nicht gegen die Nebenpflicht zur Verschwiegenheit verstoßen, wenn sie eine angemessene Reaktion auf das Verhalten der ArbeitgeberInnen darstellen, d.h., dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Offenlegung der Missstände das Interesse der ArbeitgeberInnen an der Geheimhaltung überwiegt. Eine Strafanzeige ist demnach zulässig, wenn die ArbeitnehmerInnen zuvor eine innerbetriebliche Klärung versucht haben, sofern diese ihnen zumutbar war. Zudem dürfen die Aussagen von ArbeitnehmerInnen nicht wissentlich oder leichtfertig wahrheitswidrig gemacht worden sein (Schaub/Koch 2018, 57). In solchen Fällen ist es dann auch unerheblich, wenn das Strafverfahren mangels Tatverdacht gem. § 170 Abs. 1 StPO eingestellt wird.

      3.3.3 Ansprüche bei Verletzung der Treuepflichten

      

Literatur

      Heinisch, B., Hopmann, B. (2012): Altenpflegerin schlägt Alarm. Über das Recht Missstände anzuzeigen, VSA Verlag, Hamburg

      Gerhard arbeitet als anerkannter Sozialarbeiter in einem Gefängnis. Eines Tages bekommt er von der Gefängnisleitung die Weisung, bei der Abschiebung eines ausländischen Gefangenen in dessen Heimatland mitzuwirken. Gerhard weigert sich, da dies gegen seinen Berufsethos als anerkannter Sozialarbeiter verstoße. Zudem macht er die Gefängnisleitung darauf aufmerksam, dass der Vollzugsbeamte Bernd Gefangene misshandele. Von diesen Misshandlungen hatte er von Gefangenen im Rahmen seiner Sprechstunde erfahren. Die Gefangenen berichteten jeweils unabhängig voneinander von diesen Misshandlungen. Die Gefängnisleitung hört daraufhin Bernd zu diesen Vorwürfen an. Da Bernd bisher ein verdienstvoller Mitarbeiter war und alles bestreitet, unternimmt die Gefängnisleitung nichts weiter gegen Bernd. Nach diesem Vorfall beginnen Bernd und die anderen Vollzugsbeamten Gerhard zu schikanieren, wo sie nur können. Unter anderem grüßen sie Gerhard nicht mehr, geben ihm falsche Informationen in Bezug auf die Dienstabläufe im Gefängnis und berichten anderen Gefangenen wahrheitswidrig, dass Gerhard sie, die Gefangenen, anschwärzen würde. Als Gerhard davon erfährt, beschwert er sich über die VollzugsbeamtInnen bei der Leiterin des Gefängnisses Frau Dr. Verzagt. Frau Dr. Verzagt ist der Auffassung, dass Gerhard sich dies aufgrund seines Verhaltens selbst zuzuschreiben habe und sie deshalb nichts unternehmen werde. Daraufhin platzt Gerhard der Kragen. Er erstattet Strafanzeige gegen Bernd wegen Misshandlung der Gefangenen und gegen Frau Dr. Verzagt wegen Misshandlung der Gefangenen durch Unterlassen. Zudem


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